Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Deshalb werden wir den ersten Absatz des FDP-Antrags ablehnen. Wenn eine getrennte Abstimmung möglich wäre,könnten wir dem zweiten Absatz zustimmen,in dem gefordert wird, dass im Innenausschuss eine Beratung über die Stellungnahmen zu dem Staatsvertrag erfolgt.

Im Hinblick auf die im Landtag vorzunehmende Ratifizierung wäre es sinnvoll, schnellstmöglich die Unterlagen zu bekommen und in die Beratungen einzutreten. Ich betone, es geht um Beratungen, in denen nicht der Liberalisierung und Öffnung des Glückspielmarkts das Wort geredet wird, sondern die einen Staatsvertrag zum Ziel haben, der, unter Berücksichtigung der europa-, verfassungs- und ordnungspolitischen Gesichtspunkte, der Erhaltung des Glücksspielmonopols dient.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wollen eine Lösung, die auch in Zukunft eine Breitensportförderung gewährleistet und die der Jugendarbeit, der Wohlfahrtspflege und dem Denkmalschutz eine verlässliche Förderung garantiert.Wenn diese Forderung mit Formulierungen wie „Erhalt der eigenen Pfründe“ abgewertet wird, geht das an der Sache vorbei.

Auch das bringt mich wieder auf die Frage, wer eigentlich wem das Wort redet. Wenn ich mich umschaue, stelle ich fest, dass einer der Hauptsponsoren der FDP „Bet and Win“ zu sein scheint. Daher ist es nahe liegend, dass die Mitglieder der FDP-Fraktion als Einzige im Landtag den privaten Anbietern das Wort reden.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ganz genau!)

148 Millionen c, die das Land Hessen in diesem Jahr aus Lotto-Toto-Mitteln als Zweckertrag für Sport, Kultur, Soziales und Denkmalpflege aufwendet, dienen sicherlich nicht, wie manche anderen Positionen, der Selbstbeweihräucherung. 148 Millionen c sind keine Peanuts, und ich kann mir nicht vorstellen, dass private Anbieter auch nur annähernd dazu bereit sind, freiwillig, verbindlich und langfristig eine ähnlich hohe Summe zur Verfügung zu stellen, damit diese Förderung aufrechterhalten werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich rate auch dazu, sich nicht von Versprechungen oder von Hochglanzbroschüren, CDs und ähnlichem Werbematerial, das uns in den letzten Wochen und Monaten reichlich in die Fächer gelegt worden ist, beeindrucken zu lassen.

Wir wollen eine Regelung, die sicherstellt, dass nicht nur die Unterstützung einiger großer Fußballvereine sowie von FDP-Veranstaltungen gesichert ist. Wir wollen, dass auch in Zukunft Vereine und Aktionen unterstützt werden,die sich nicht so gut öffentlich vermarkten lassen.Die Breitensportförderung kann sich nicht aus den Erträgen der Bandenwerbung, die von den Einschaltquoten abhängig ist, finanzieren. Dasselbe gilt für die Kultur- und Jugendförderung.

(Beifall bei der SPD)

Die Argumente der privaten Anbieter werden durch Wiederholungen nicht besser.

(Beifall bei der SPD)

Im Unterschied zu staatlichen Lotterien betreiben private Anbieter keine Sportförderung,sondern ein gewinnorientiertes Sponsoring, das im Gegenzug entsprechende Marketingmaßnahmen erwartet. Mit dem wenigen Geld, das die Privaten in dieses Sponsoring fließen lassen, wird eine hohe Werbewirkung erreicht. Die Sportförderung, die derzeit mit Lotto-Toto-Mitteln betrieben wird, ist von der Summe her sehr hoch. Aber die öffentliche Wahrnehmung ist zum Teil sehr gering.

Die Mittel, die über Lotto-Toto verteilt werden, gehen auch an Vereine und Organisationen, die nicht im Rampenlicht stehen und deren Mitglieder nicht immer auf dem Siegertreppchen zu finden sind.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Auch wenn die FDP das Festhalten am staatlichen Glücksspielmonopol für konservativ und zukunftsfeindlich hält, bin ich der Auffassung, dass dies so lange wie möglich so bleiben sollte.

(Beifall bei der SPD)

Eine Liberalisierung des Sportwettenmarktes wäre sicherlich im Interesse einiger prestigeträchtiger Fußballklubs. Auch für einige interessante Sportarten wäre sie vorteilhaft. Aber für kleinere Klubs bedeutet das mit Sicherheit einen Verlust. Ich weiß, dass es auch einige kleinere Klubs gibt, die sich z. B. Fußballtrikots oder ihre Jugendmannschaften sponsern lassen. Aber ein kostenloser Satz Trikots kommt auch nicht annähernd an das heran, was vonseiten des Landessportbunds jährlich aus LottoToto-Mitteln an die Vereine fließt.

(Heinrich Heidel (FDP): Wo ist eigentlich der Präsident des Landessportbunds?)

Ich wage zu bezweifeln, dass die Zuwendungen, die von privaten Anbietern kommen, die Summe, die aufgrund der geringeren Lotto-Toto-Mittel fehlt, auch nur annähernd kompensieren können.

(Nicola Beer (FDP):Das würde einfach festgelegt!)

Ein gewinnorientiertes Sponsoring nach Ermessen kann keine gemeinwohlorientierte Sport- und Kulturförderung ersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir dürfen uns auch nicht der Illusion hingeben, dass die staatlichen Anbieter in einem freien Wettbewerb so konkurrenzfähig sind wie die Privaten. Allein ein Vergleich der Ausschüttungsquote, die bei Oddset aufgrund der Konzessionsabgaben und der Lotteriesteuer auf 55 % reduziert ist und bei privaten Anbietern bei 90 % liegt, macht deutlich, dass eine massive Verschiebung zu erwarten wäre. Dort, wo es die größten Ausschüttungsquoten gibt, werden die Leute ihre Wetten tätigen. Deswegen ist zu erwarten, dass es zu einer weiteren Verschiebung käme und dass die Beträge, die aus Lotto-Toto-Mitteln kommen, immer geringer würden.

Eine Ausgabenbelastung der Privaten, die der Belastung der staatlichen Anbieter entspricht, wird im Hinblick auf das EU-Recht nicht für realisierbar gehalten. Um dasselbe Geld mit den derzeit realisierbaren Steuersätzen hereinzuholen – Herr Hahn, auch Sie haben das sicherlich einmal durchgerechnet –, wäre eine massive Ausweitung der Glücksspielaktivitäten erforderlich, was unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten nicht wünschenswert wäre, ganz zu schweigen davon, dass Anbieter mit Sitz im Ausland wohl kaum zu Steuern oder Abgaben herangezogen werden könnten.

Was rechtliche Dinge anbelangt, ist die Einschätzung so, dass die Einführung eines begrenzten Konzessionsmodells, welches von Ihnen gefordert wird, welches die Zulassung einiger weniger privater Anbieter ermöglichen würde, europarechtlich zu wenig tragbar sein würde und sehr schnell auf eine Totalliberalisierung des Glücksspielmarktes hinausliefe. Das bedeutet, dass eine Ausweitung des Wettbewerbs unstrittig mit einer Ausweitung der Glücksspielsucht verbunden wäre.

Was diese rechtliche Dimension anbelangt, maße ich mir im Gegensatz zu Ihnen, Herr Hahn – wenn Sie mir zuhören würden, wäre ich Ihnen sehr verbunden; ich hatte das auch bei Ihnen gemacht; und die Debatte über den Tisch hinweg könnten Sie auch draußen führen – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Frau Hartmann, Sie könnten auch meine Fragen zulassen! Wir könnten uns wechselseitig Stil vorwerfen!)

Was die rechtliche Dimension anbelangt, maße ich mir als Nichtjuristin nicht an, dass ich mich in die Diskussion einmische, die von Verfassungsjuristen geführt wird.Aber als die für Sportpolitik zuständige Landtagsabgeordnete führe ich hier die politische Diskussion. Ich erwarte deshalb von den Verfassern des Staatsvertrages, dass das, was politisch offensichtlich von einer breiten Mehrheit so gewollt wird – das ist gestern deutlich geworden –,im Staatsvertrag so umgesetzt wird, dass es auf EU-Ebene und vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.

(Beifall des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Heinrich Heidel (FDP): Herzlichen Glückwunsch!)

Wohl wissend, dass dieser Staatsvertrag nur eine begrenzte Lebensdauer haben kann, halten wir vorauseilenden Gehorsam im Interesse der privaten Wettanbieter nicht für sinnvoll und begrüßen deshalb die Entscheidung der Ministerpräsidenten. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir die Fachdebatte zu diesem Thema sinnvollerweise im Ausschuss fortsetzen sollten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie sollten sie erst einmal beginnen!)

Herr Hahn, wenn Sie jetzt eine Kurzintervention planen: Ich hatte es eben gesagt, dass ich mich auf eine verfassungsrechtliche Diskussion mit Ihnen hier nicht einlassen werde.

(Beifall bei der SPD)

Für eine Kurzintervention hat Herr Hahn das Wort.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Günter Neugebauer, sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein, hat am 29. November, d. h. vor nicht einmal 14 Tagen, Folgendes im Landtag in Kiel gesagt:

Ich habe für die SPD allerdings gesagt, dass wir am Zustandekommen dieses Staatsvertrages natürlich zwar interessiert sind, dass er aber auch europatauglich sein muss. Das heißt, er muss den Kriterien des europäischen Rechts entsprechen. Heute wissen wir nicht, ob das im Frühjahr des nächsten Jahres noch der Fall sein kann.

Deshalb macht der Staatsvertrag jetzt keinen Sinn.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat ein Sozialdemokrat gesagt,Günter Neugebauer,vor 14 Tagen im Landtag von Schleswig-Holstein.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): 15 andere Länder sehen es nicht so!)

Ich würde sagen, das hat nichts mit anderen Ländern zu tun,sondern er geht ganz offensichtlich von einer ganz anderen Art der Auseinandersetzung aus als Sie. Er geht davon aus, dass es nicht ein Streit zwischen ÖffentlichRechtlichen und Privaten ist.

Frau Kollegin Hartmann, ich verwahre mich dagegen, dass Sie meinen,wir hätten ein Interesse,Private zu unterstützen.Wir haben das Interesse, dass das Geld, das bisher über die Sportwetten in Aktionen z. B. des Sportbundes, des Denkmalschutzes und von RPJ geflossen ist, weiter fließt.

(Beifall bei der FDP)

Das ist die Interessenlage der FDP, und zwar die bundesweite Interessenlage der FDP. Wir möchten, dass uns das Geld nicht verloren geht, weil diese Gesellschaft auf das Geld angewiesen ist. Alle, die jetzt wie Sie, Frau Hartmann, auf einer vollkommen alten Wolke schweben und meinen, noch etwas konservieren zu können, was nicht zu konservieren ist,die verzocken dieses Geld.Die provozieren, dass wir hier Wildwest bekommen.

Stellen Sie sich einmal vor, der EuGH beschließt im nächsten April, dass dieses System nicht korrekt ist, und mit einer einstweiligen Verfügung, die dann relativ schnell vom Bundesverfassungsgericht zu bekommen ist,wird der Staatsvertrag aus den Angeln gehoben. Was passiert dann? Dann haben wir eine regelungsfreie Zeit, und dann kann wirklich jeder aus Malta oder von den Cayman Islands hierherkommen und Sportwetten veranstalten. Dann ist das Geld endgültig weg.

(Beifall bei der FDP)

Die Redezeit ist um.

Seien Sie bitte nicht so vernagelt, in irgendwelchen Weltbildern herumzulaufen,Frau Hartmann.Wenn Sie mit mir der Auffassung sind, dass das Geld weiterhin der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden soll,dann müssen Sie mitspielen.Ansonsten verzocken Sie das Geld der Gesellschaft. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))