Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

Warum brummt die hessische Wirtschaft? Weil der Standort Hessen attraktiv ist für Investoren, weil es fleißige, gut ausgebildete Mitarbeiter gibt und weil wir eine hervorragende Infrastruktur beim Verkehr haben,aber auch im ITBereich.

(Norbert Schmitt (SPD): Ihr habt nur eine schlechte Regierung! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die ausländischen Direktinvestitionen in Hessen auch an der Spitze aller Länder in Deutschland liegen. Was ist die Folge dieser starken Wirtschaftskraft Hessens? Hessen war 2006 mit Abstand das finanzstärkste Land, noch vor Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern. Wie es sich mit der Neuverschuldung und dem Finanzausgleich verhält, ist eben schon ausreichend beleuchtet worden. Alle wissen: Ohne die Zahlung in den Länderfinanzausgleich müsste Hessen keine Kredite aufnehmen.Meine Damen und Herren,wenigstens das sollte unser Selbstbewusstsein stärken.

(Beifall bei der CDU)

Aber nicht nur das Niveau der Wirtschaftsdaten ist sehr erfreulich, sondern auch die Entwicklung, also die Dynamik.Der Aufschwung ist da.Die Wirtschaftswachstumsraten ziehen an. Die Beschäftigung wächst, und die Arbeitslosigkeit sinkt. Übrigens sinkt die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr so stark wie seit dem Jahr 1960 nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Schmitt, auch bei der Ausbildung können wir uns darauf verlassen, dass der Ausbildungspakt gilt und dass er Wirkung zeigt. Alle Zusagen der hessischen Wirtschaft – das bedeutet hier auch einmal ein Dankeschön – sind weit übererfüllt worden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das führt dazu, dass 4,6 % mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestanden haben als im letzten Jahr. Auf diesem Weg wird es weitergehen.

(Reinhard Kahl (SPD): Und wie viele junge Leute haben keinen Ausbildungsplatz? – Norbert Schmitt (SPD): 12.000 ohne Ausbildungsplatz!)

Meine Damen und Herren, die hessischen Unternehmen investieren mehr in nachhaltiges Wachstum, in Forschung und Entwicklung,mehr noch in das Wissen der Menschen. Die F+E-Anteile sind in Hessen überdurchschnittlich.Mit Bayern liegen wir auf Platz zwei. Genauso wichtig ist es, dass das Rhein-Main-Gebiet bei den Spitzentechnologien mit 47.000 Beschäftigten eine Spitzenregion in Deutschland ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umsätze der hessischen Wirtschaft, der Industrie und des Bauhauptgewerbes wuchsen im letzten Jahr um 6 %. Die aktuellen Auftragseingänge zeigen, dass dieser Wachstumsprozess weitergeht.Außerdem gab es – das ist das Erfreuliche – im letzten Jahr ein Fünftel weniger Insolvenzen als zuvor.

Ich halte also fest: kraftvolle Unternehmen, hohe Investitionen, sinkende Arbeitslosigkeit und weniger Insolvenzen.

(Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt doch gar nicht! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Miserable Regierung nicht vergessen!)

Meine Damen und Herren, wenn das kein Grund zur Freude ist. Ich freue mich darüber. Sie sollten es auch tun.

(Beifall bei der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Freude! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN):Weihrauch!)

Das darf aber kein Grund zum Ausruhen sein. Die Landesregierung wird weiterhin ihre Beiträge im Rahmen einer Gesamtstrategie leisten, damit die Unternehmen optimale Rahmenbedingungen finden. Das sind folgende Ziele und Projekte:erstens Mobilität sichern,zweitens die Märkte für Wettbewerb öffnen und schließlich drittens neue, technologisch innovative Märkte erschließen.

Es ist schon gesagt worden, ich muss es aber wiederholen:

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Müssen Sie nicht!)

Die Mobilität ist die Schlüsselfunktion für Wachstum, die Schlüsselfunktion zum Erreichen und zur Bedienung neuer Märkte. Sie ist wesentlich, um am internationalen arbeitsteiligen Wirtschaftsprozess, der nach dem Prinzip der komparativen Kostenvorteile verläuft, teilnehmen zu können, vor allem für die mittelständischen Betriebe. Sie ist ein Vorteil gerade des Rhein-Main-Ballungsgebietes. Dort treffen sich Finanzdienstleister und neue Technologien, und das Rhein-Main-Gebiet kann seine Vorteile und Fähigkeiten ausspielen und komplexe Prozesse im internationalen Wirtschaftsablauf managen.

Mobilität gilt für die Schiene, für die Straße, auch für die Wasserstraßen und für den Luftverkehr. Meine Damen und Herren, das sind die Schwerpunkte: Fraport-Erweiterung noch in diesem Jahr, Beendigung des Planfeststellungsverfahrens, aber auch die Regionalflughäfen.

(Norbert Schmitt (SPD): Fraport-Erweiterung in diesem Jahr?)

Dazu gehören Frankfurt, Egelsbach und Kassel-Calden. Die ICE-Strecke müssen wir ausbauen, die Lücken müssen wir schließen. Wir sind vorangekommen. Unsere Anstrengungen haben sich gelohnt.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber ohne Lärmbelästigung für die betroffenen Bürger!)

Die Verbindung von Frankfurt nach Mannheim über Darmstadt muss ebenso wie der Ausbau der Verbindung von Frankfurt nach Fulda kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch die Erschließung Mittelhessens mit dem Fernverkehr muss weiterentwickelt und die Mobilität über den ÖPNV muss verbessert werden. Den Beitrag des ÖPNV für das Konzept „Staufreies Hessen“ haben wir heute Morgen ausreichend diskutiert. Dennoch müssen Straßen gebaut werden. Wir wollen auf der einen Seite die Kapazität besser nutzen:Telematik,Verkehrsmanagement,Mitbenutzung von Seitenstreifen, etc. Sie kennen unser Programm. Aber wir müssen auf der anderen Seite die Lückenschlüsse vor allem auf den Bundesfernstraßen vorantreiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen die Lückenschlüsse realisieren: bei der A 44, der A 49, der A 46, der B 49, der B 3 und den vielen Ortsumgehungen der Bundesstraßen, auf die die Menschen warten, um entlastet zu werden.

Wir werden uns in diesem Hause aber noch darüber unterhalten, wenn wir vor der Frage stehen, ob all die Straßen, für die wir Planungsrecht geschaffen haben, tatsächlich gebaut werden können.Denn die Mittel des Bundes reichen bei Weitem nicht aus. Sie reichen heute noch nicht einmal aus, um die begonnenen Maßnahmen fortzusetzen, geschweige denn, neue zu beginnen. Deswegen werden wir in Kürze eine Initiative auf Bundesebene starten, damit mehr Mittel aus dem Bundeshaushalt dafür zur Verfügung gestellt werden, damit konsumtive Mittel in Zukunftsinvestitionen umgeschichtet werden.

(Hildegard Pfaff (SPD): Das ist nichts Neues!)

Herr Schmitt, ich hoffe sehr, dass Sie uns dabei unterstützen und nicht nur Krokodilstränen weinen, wenn die eine oder andere Straße nicht gebaut werden kann, weil die Bundesmittel fehlen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, all dies ist notwendig. Deshalb wollen wir diesen Prozess intensiv vorantreiben.

Zweiter Punkt. Märkte öffnen für Wettbewerb. Wir wissen, dass der Wettbewerb der zentrale Motor für Innovationen und für die Schonung der natürlichen Ressourcen ist, die wesentliche Voraussetzung für Verbraucherschutz und Kundenorientierung. Deshalb muss der Staat für Marktzugang sorgen. Dies haben wir am Beispiel der Telekommunikation erlebt.Auch bei der Post gilt dies.

Ich fordere die Sozialdemokraten auf, nicht im Wege zu stehen, wenn es darum geht, auch den Postmarkt zu liberalisieren und das Monopol abzuschaffen.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Mit Stundenlöhnen von 4 c bei der Postkonkurrenz! Dann reden Sie von Konkurrenz!)

Das Gleiche gilt für die Energieversorgung und hierbei insbesondere für den Strom. Die Hessische Landesregierung tritt dafür ein, die Marktzugangsbeschränkungen und die Wettbewerbsbeschränkungen zu beseitigen. Wir brauchen Struktureingriffe, um die Anzahl der Anbieter zu erhöhen. Aber was erleben wir in dem Zusammenhang? Wir erleben eine Blockade, eine restriktive und abwartende Haltung.

Wenn Frau Ypsilanti anwesend wäre, würde ich sie gern auffordern – Herr Schmitt, Sie können das weitergeben –, ihren Parteifreund Gabriel davon zu überzeugen, dass er die CO2-Verschmutzungszertifikate endlich nicht mehr an die großen Konzerne verschenkt, denen er damit Extragewinne ermöglicht.

(Beifall bei der CDU)

Vielmehr könnten die Sozialdemokraten einen wertvollen Beitrag zur Senkung der Stromsteuer leisten, indem die Zertifikate nicht mehr verschenkt, sondern versteigert werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Sagen Sie das Ihrem Herrn Glos! Sorgen Sie erst einmal dafür,dass Herr Glos das macht!)

Was den Wettbewerb und die Liberalisierung auf den Energiemärkten angeht, so begegnen wir aber auch einer merkwürdig reservierten Haltung der FDP, wenn wir die Frage in den Raum stellen:Wie gelingt es,Wettbewerb zu erzeugen? Hier herrscht offenbar eine naive Marktgläubigkeit vor.

Die FDP erklärt: Jawohl, wir sind für den Markt. – Die CDU sagt: Wir sind nicht für den Markt allein, sondern wir sind für einen Wettbewerb auf dem Markt, weil sich die Verbraucherschutzziele nur auf diese Art und Weise umsetzen lassen. – Auch deswegen handeln wir in diesem Zusammenhang konkret.

Dritter Punkt.Wir fördern neue, technologisch innovative Märkte und sorgen für den Raum, um diese Märkte zu erschließen. Die Technik – das wird heute mehr und mehr deutlich – ist zum einen eine Chance für die ländlichen Regionen, zum anderen bietet sie vor allem auch Beschäftigungsperspektiven für junge Menschen. Deswegen haben wir gemeinsam mit der Hessen-Agentur eine Kampagne für mehr Technikbegeisterung initiiert und auf den Weg gebracht.

Gemeinsam mit den Vertretern der Wirtschaft und der Hochschulen gründen wir Anwendungszentren, sei es das Zentrum für Metallformgebung in Kassel-Baunatal, das Zentrum für Optoelektronik in Mittelhessen oder das Zentrum für Biotechnologie im Rhein-Main-Gebiet. Mit diesen Anwendungszentren wollen wir dafür sorgen, dass das Defizit beseitigt wird, das wir in Deutschland leider immer noch haben:Auf der einen Seite verfügen wir über Erfindungen und Wissen.Auf der anderen Seite dauert es zu lange, bis diese Erfindungen marktfähig in den Wirtschaftsprozess eingebracht werden. Wir wollen diesen Zeitraum verkürzen. Die „time to market“ muss kürzer werden. Das ist die Strategie der Landesregierung in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zu der Zusammenfassung und darf unter dem Strich feststellen: Die hessische Wirtschaft brummt. Die Zahlen zeigen, dass es aufwärts geht. Dies ist ein Anlass zur Freude, und wir wollen uns das nicht kleinreden lassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Vielen Dank,Herr Staatsminister Dr.Rhiel.– Wir sind am Ende der Aussprache zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend Reformen für neue Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum in Hessen, Drucks. 16/7079. Die

ser Antrag wurde gemeinsam beraten mit dem Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend starke Standortpolitik für Deutschland, Drucks. 16/7119.

Beide Anträge werden an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überwiesen. – Darüber besteht Konsens. Dann können wir so verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzugs in Hessen (Hessisches Jugendstraf- vollzugsgesetz – HJStVollzG) – Drucks. 16/7070 –