Ich weiß nicht, welche Konsequenzen die Landesregierung daraus ziehen wird. Mit Sicherheit wird sie aber, wenn sie redlich ist, darauf hinweisen müssen, dass, wenn eigenwirtschaftliche Anträge bei den Genehmigungsbehörden gestellt werden, der jeweilige Aufgabenträger ein erhebliches beihilferechtliches Risiko eingeht. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat hinsichtlich der Fragen zur Prüfung des Beihilferechts überhaupt keine Entscheidung getroffen.
Derjenige, der einen eigenwirtschaftlichen Genehmigungsantrag stellt und die Genehmigung bekommt, geht durchaus das Risiko ein, dass in Brüssel das in einem beihilferechtlichen Verfahren problematisiert wird. Möglicherweise hält das dann doch nicht so,wie man es sich vorstellt.
Frau Pfaff, ich bin der Auffassung, dass die Rechtsunsicherheit auch aus einem anderen Grund weiter besteht. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung nicht das hessische Recht zugrunde gelegt.
Es hat das hessische Recht nicht zugrunde gelegt. Frau Kollegin Pfaff, Sie haben sich in der Vergangenheit mehrfach positiv zum Besteller-Ersteller-Prinzip geäußert. Dieses Prinzip wurde von Sozialdemokraten, Christdemokraten, Liberalen und auch von den GRÜNEN getragen. Da waren wir uns alle einig. Das Besteller-ErstellerPrinzip hat bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts überhaupt keine Rolle gespielt.Deswegen bin ich persönlich der Auffassung, dass es, unabhängig von der Frage, was die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts denn nun aussagt, durchaus Wege gibt, auch weiterhin auf Ausschreibungen zu setzen.
(Hildegard Pfaff (SPD): Herr Kollege Posch, das bestreitet doch auch niemand! Wir bestreiten nur, dass die Pflicht besteht!)
Doch, das tun Sie. Ich kann doch noch lesen, was in Ihrem Antrag steht. Sie sagen, der Sonderweg sei gescheitert. Das ist dummes Zeug. Sie wollen in Wahrheit keinen Wettbewerb.
Dieser Weg ist nicht gescheitert. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann er unter modifizierten Bedingungen weiter beschritten werden.
Ich kann mich nur dem Appell des Herrn Wagner anschließen. Herr Dr. Lübcke hat das auch gesagt. Wir können den Aufgabenträgern,den Kommunen,nur raten,diesen Weg weiter zu beschreiten.
Ich habe an anderer Stelle schon einmal darauf hingewiesen. Ich will Ihnen einmal deutlich machen, was das bezogen auf die Nutzwagenkilometer bedeutet. Im Jahr 2003 wurde in Frankfurt pro Nutzwagenkilometer ein Betrag von 4,80 c aufgewendet. Frankfurt hat damals zwei Bündel an Strecken ausgeschrieben. Da lag der Preis dann bei 2,20 c. Heute haben wir bei den Preisen zwischen ausgeschriebenen Strecken und direkt vergebenen Strecken eine Differenz zwischen 2 und 6 c. Da stimmt doch etwas nicht. Das hat doch nichts mit Dumping zu tun.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Mathias Wag- ner (Taunus) und Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
In Mittelhessen kostet der Nutzwagenkilometer über 6 c. Das ist doch im Vergleich zu der Stadt Frankfurt oder anderen Städten überhaupt nicht vertretbar. Die niedrigeren Preise wurden durch Ausschreibung erzielt.
Jetzt muss man doch ehrlicherweise etwas ansprechen.Ich will doch das Problem der Dumpingpreise und des geringen Schutzes der Rechte der Arbeitnehmer überhaupt nicht gering schätzen.Wir müssen aber doch zur Kenntnis nehmen, dass der RMV, der das gemeinsam mit den lokalen Nahverkehrsgesellschaften gemacht hat, den Beweis angetreten hat, dass es nicht zu sozialen Verwerfungen kommt.
Also tun Sie doch nicht so, und malen Sie nicht ein Schreckgespenst an die Wand, was es in Hessen aufgrund der Ausschreibungen, die wir realisiert haben, überhaupt nicht gegeben hat.
Das ist eine sozialdemokratische Manier, einen Popanz aufzublasen und zu sagen, es würde soziale Ungerechtigkeit herbeigeführt,
Deswegen weise ich auf den neuesten Wettbewerbsbericht des Rhein-Main-Verkehrsverbundes für das Jahr 2006 hin. Der zeigt, dass nichts gegen den Wettbewerb spricht.
Darum halten wir nichts davon, an einem Weg festzuhalten bzw. ihn zu propagieren, der Direktvergabe heißt. Ich sage Ihnen einmal: Wir sind im ÖPNV mitten in einem Strukturwandel. Der öffentliche Personennahverkehr ist in der Vergangenheit überwiegend aus öffentlichen Mitteln subventioniert worden, und zwar immer im Wege einer Objektfinanzierung.
(Dr. Walter Lübcke (CDU): Altsozialistisch! – Gegenruf der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD): Lächerlich!)
Die Objektfinanzierung führt immer dazu, dass jeder – unabhängig von Stand und Ansehen der Person – letztendlich davon profitiert. Ich bin eher der Meinung, wir müssen auch im öffentlichen Personennahverkehr weg von einer Objektfinanzierung, hin zu einer Subjektfinanzierung,
dass wir am Markt die Preise entstehen lassen und dann unter politischen Aspekten entscheiden, wenn wir wollen, dass eine starke Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs von Studenten, von Arbeitnehmern erfolgt, dass die Subjektförderung an die Stelle der Objektförderung tritt. Das ist der entscheidende Punkt.
Die gesamte öffentliche Förderung des Schienenverkehrs, des Fernverkehrs – da haben wir ähnliche Probleme – wie auch des öffentlichen Personennahverkehrs basiert darauf, dass wir immer eine Objektförderung und nicht eine Subjektförderung haben. Ich sage das etwas plakativ und zugegebenerweise etwas überzogen.
Die gesamte öffentliche Finanzierung des Verkehrswesens führt letztendlich dazu, dass wir in gleicher Weise das Studententicket wie die DB-Netzwerke für den Manager bei Daimler-Chrysler finanzieren. Das halte ich in der Sache eigentlich für ungerecht. Das ist nicht der richtige Weg. Deswegen sind wir für diesen Strukturwandel. Diesen Strukturwandel bekommen wir nur hin, wenn wir den Weg der Ausschreibung gehen.
Deswegen erwarte ich mit Interesse, welche Konsequenzen die Landesregierung jetzt in ihrem Erlass ziehen wird. Wir haben bereits zwei Erlasse diskutiert. Wir haben einen Erlass – Frau Pfaff, da haben Sie Recht – sehr intensiv im Ausschuss diskutiert, der dann modifiziert worden ist.
Wir haben darauf hingewiesen, dass wir mittelständischen Busunternehmen helfen wollen. Wir haben darauf hingewiesen, dass mittelständische Busunternehmen in die
Lage versetzt werden müssen, sich durch Ausschreibung am Markt zu beteiligen. Ich weiß, dass das sehr schwierig ist. Ein kleines Unternehmen mit wenigen Bussen hat kaum Chancen, das zu machen. Deswegen haben wir gemeinsam gesagt: Dann muss man kooperieren. – Herr Minister Rhiel hat zu Recht auf die Erfolge im mittelhessischen Raum hingewiesen, wo genau das passiert ist,
wo sich mittelständische Unternehmen zusammengeschlossen haben. Sie sind gemeinsam als Bieter aufgetreten und haben in der Ausschreibung bessere Konditionen als die anderen anbieten können. Aber Sie wollen nichts anderes, als die kommunalen Verkehrsbetriebe wieder dort hinführen, wo sie in der Vergangenheit waren. Dann sage ich Ihnen nur konsequenterweise voraus: Sorgen Sie dafür, dass sie auch zu 100 % subventioniert werden, abzüglich dessen,was durch Fahrpreiseinnahmen zu erzielen ist.
Wenn Sie das wollen, dann ist das der Rückwärtsgang in den öffentlichen Personennahverkehr, wie wir ihn in den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren mit allen negativen Folgen hatten. Was hatten wir Probleme. Die Fahrgastzahlen sind im öffentlichen Personennahverkehr in der Vergangenheit nicht gestiegen. Ich kann auf das Beispiel in Frankfurt zurückkommen. Das ist eine Verbesserung im öffentlichen Personennahverkehr nicht nur in qualitativer Hinsicht, sondern auch in quantitativer Hinsicht.
Wir brauchen eine höhere Auslastung unseres öffentlichen Personennahverkehrsystems. Ich sage Ihnen noch einmal: Das geht nur über den Weg der Ausschreibung und des Wettbewerbs. – Dass die sozialen Belange nicht unter die Räder kommen müssen,haben unsere Verbünde in Hessen gezeigt. Ich bedauere sehr, dass die Sozialdemokraten mit diesem Antrag die Gemeinsamkeit im öffentlichen Personennahverkehr in Hessen aufgeben. Das, was Sie wollen, ist etwas völlig anderes als das, was Sie seinerzeit in einer anderen Koalition, nämlich Rot-Grün, selbst eingeleitet,
wir mitgetragen und konsequent ausgebaut haben. Das, was Sie hier wollen, ist der falsche Weg. Er führt insbesondere in einem Ballungsraum wie Rhein-Main nicht zu mehr Mobilität, sondern er führt zu teurerer Mobilität, und die Fahrgastzahlen werden am Schluss abnehmen. Das ist genau das, was wir nicht wollen.
Der öffentliche Personennahverkehr hat für die Ballungsräume in gleicher Weise wie für die ländlichen Räume eine unglaubliche Bedeutung. Gerade in den ländlichen Räumen werden wir auf absehbare Zeit darauf angewiesen sein, öffentliche Mittel in die Hand zu nehmen.
Wir werden uns demnächst, wenn der Bericht der Enquetekommission vorliegt, mit der Frage auseinandersetzen müssen, was die demografische Entwicklung im ländlichen Raum insbesondere in Nord- und Mittelhessen für den öffentlichen Personennahverkehr bedeutet. Uns werden die Augen aufgehen. Wenn wir dann eine Grundver
sorgung des öffentlichen Personennahverkehrs sicherstellen wollen,dann werden wir zwangsweise wieder in die Situation kommen, Hilfestellung geben zu müssen, weil das allein mit dem bisherigen System nicht finanziert werden kann.
Deswegen bedauere ich sehr, dass sich die Sozialdemokraten von der Gemeinsamkeit in der Frage des öffentlichen Personennahverkehrs sowohl auf der Schiene wie bei den Busverkehren verabschieden.
Verehrte Frau Pfaff, dieser Antrag ist eine Rolle rückwärts und kein gutes Zeichen für den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen.