Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

(Minister Dr.Alois Rhiel: Das sehe ich auch so!)

Genau das tun sie. Deshalb sollten Sie sich nicht so abfällig über den BUND und andere Verbände äußern, wie Sie und Ihre Kollegen von der CDU das in dem laufenden Planungsverfahren getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, im Moment nicht. – Schauen wir uns den Gesetzentwurf im Einzelnen an. Sie wollen die Umwelt- und Naturschutzverbände nicht mehr über anstehende Planungsverfahren benachrichtigen. Ist das Ihre Form von „Wertschätzung“ der Arbeit der Umwelt- und Naturschutzverbände, dass Sie ihnen nicht mehr Bescheid sagen, wenn es ein Planungsverfahren gibt? Das zeigt sehr deutlich, wie Sie die Verbände in Wirklichkeit sehen.

Sie sagen, Sie wollen die Verbände künftig bezüglich ihrer Rechte den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern und nicht mehr den Trägern öffentlicher Belange gleichstellen. Das heißt, Sie verkürzen den Verbänden die Fristen zur Abfassung von Stellungnahmen.Ich frage Sie schlicht und ergreifend: Warum? Wenn diese Verbände eine wichtige Arbeit leisten – eben waren wir uns darüber einig –, warum verkürzen Sie dann die Fristen? Wie sollen denn die ehrenamtlich Tätigen in diesen Verbänden künftig noch qualifizierte Stellungnahmen erarbeiten können, wie sie das bisher getan haben? Die Verbände sind eben nicht betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gleichzustellen, weil sie nicht nur Individualrechte und Individualinteressen wahrnehmen – die natürlich auch sehr wichtig sind –, sondern weil sie der Anwalt der Umwelt sind, weil sie Interessen der Allgemeinheit artikulieren, weil sie für uns alle dafür sorgen, dass wir auch künftig eine intakte Umwelt haben und dass auch künftig bei Planungsvorhaben die Eingriffe in die Natur und die Auswirkungen auf die Menschen und die Natur so gering wie möglich sind. Deshalb sollte man den Verbänden die Arbeit nicht unnötig schwer machen

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie verkürzen auch die Fristen für die Träger öffentlicher Belange. Statt drei Monaten sind jetzt nur noch zwei Monate Zeit. Herr Rhiel, Sie haben ja eine ausgeprägte kommunalpolitische Vergangenheit und damit Erfahrung.Wie soll das funktionieren, innerhalb von zwei Monaten die kommunalen Gremien wirklich sinnvoll zu beteiligen? Auch das ist kein Beitrag für mehr Bürgerrechte, sondern eine Einschränkung von Bürgerrechten. Das ist eindeutig der falsche Weg.

Herr Wagner, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Probleme im Planungsrecht werden nicht dadurch kleiner, dass man sie nicht wahrnehmen will. Wohin politische Planungen führen, die den Sachverstand vor Ort ignorieren, hat das Beispiel Ticona gezeigt. Kosten in Höhe von 650 Millionen c waren die Folge. Das zeigt, wohin der Weg führt, wenn man in einem Planungsverfahren mit dem Kopf durch die Wand will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Posch für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will auf ein paar Argumente eingehen,die im Verlauf zur Diskussion vorgetragen worden sind. Herr Wagner, das, was Sie hier darstellen, hat mit dem, was in dem Gesetzentwurf steht, teilweise nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie hier den Eindruck erwecken, es fänden keine Anhörungsverfahren mehr statt, dann ist das schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anhörungsverfahren finden nach wie vor und in gleicher Weise wie bisher statt, sowohl für Private als auch für die Träger öffentlicher Belange. Es gibt einen neuralgischen Punkt, auf den ich gerne eingehen will, nämlich die obligatorischen Erörterungstermine.Dazu sage ich Ihnen sehr deutlich: Wenn ich es mit einem Verband oder mit wem auch immer zu tun habe,der sagt:„Ihr könnt machen, was ihr wollt, diese Maßnahme findet meine Zustimmung nicht, und ich werde sie am Schluss beklagen“, dann ist der Erörterungsbedarf für mich gleich null.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Gleichwohl hat ein solcher Verband die Möglichkeit, im Rahmen einer Anhörung seine Auffassung vorzutragen.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Frankenberger, ich möchte gerne wissen, wie Sie zu der Behauptung kommen, dass die Beteiligung von Behörden und von Trägern öffentlicher Belange nur 5 bis 6 % eines Genehmigungsverfahrens ausmachen. Nach meiner Erfahrung führt gerade die Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange für die Verwaltung zu dem höchsten Aufwand.

(Hildegard Pfaff (SPD): Welche Konsequenz ziehen Sie daraus? Abschaffen, oder was?)

Ich könnte Ihnen in Hülle und Fülle Beispiele für Planfeststellungsverfahren vortragen, wo Dutzende Behördentermine durchzuführen waren, wo der Bund, das Land, die Kommunen, die Fachbehörden und die Verbände beteiligt wurden. Die Behauptung, der Umfang dieser Beteiligung betrage gerade einmal 5 bis 6 %, ist geradezu abenteuerlich. Wenn wir die Verfahren beschleunigen wollen, müssen wir uns doch endlich einmal dazu durchringen, Ernst zu machen, und dürfen nicht wieder sagen: Das muss auf den Status quo zurückgedreht werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen ist von unglaublicher Bedeutung für die Wirtschaftskraft eines Landes. Es geht nicht nur darum, diese Vorschriften zu verändern, sondern auch darum, sie tatsächlich anzuwenden.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage hier sehr selbstkritisch, dass wir als Abgeordnete oft gar nicht den Mut haben, gesetzliche Vorschriften so anzuwenden, wie sie eigentlich gedacht sind.

(Beifall bei der FDP)

Wenn z. B. das Regierungspräsidium Darmstadt sagt: „Wir brauchen für das geplante Steinkohlekraftwerk Staudinger kein Raumordnungsverfahren, das kann im fachgesetzlichen Verfahren durchgeführt werden“, dann müssen wir uns nicht hierhin stellen und sagen: Wir machen neben einem zusätzlichen fachgesetzlichen Verfahren trotzdem ein Raumordnungsverfahren. – Manchmal habe ich schon den Eindruck, Politiker könnten Angst davor haben, dass die Verfahren zu schnell werden, und deshalb bremsen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb eine Anmerkung zu den Raumordnungsverfahren und den fachgesetzlichen Planfeststellungsverfahren. Meine Damen und Herren, erzählen Sie den Bürgern doch bitte nicht den Unsinn, dass das Raumordnungsverfahren ein Verfahren für die Bürger sei. Das Raumordnungsverfahren ist ein Behördenverfahren. Tun Sie nicht so, als würden Bürgerrechte beschnitten, wenn ein Raumordnungsverfahren aus fachlichen Gründen nicht stattfindet.

Herr Kollege Wagner, ich habe mich mit dieser Frage relativ intensiv befasst. Ich bin ziemlich sicher, dass die Verwaltung häufig ein Interesse daran haben wird, einen Erörterungstermin durchzuführen. Ich hatte das Vergnügen, diese Frage an der Verwaltungshochschule in Speyer mit Fachleuten aus der Verwaltung zu diskutieren. Dort ist von den Mitarbeitern gesagt worden: Häufig werden wir auf den Erörterungstermin nicht verzichten, weil wir dann, wenn wir eine Chance sehen, einen Kompromiss herbeizuführen, diese Chance nutzen werden. – Deshalb sage ich: Eine fakultative Regelung ist richtig, um die Chance zu nutzen, einen Konsens herbeizuführen; denn die Herbeiführung eines Konsens ist eine Voraussetzung dafür, auf Klagen zu verzichten.

(Beifall bei der FDP)

In den Fällen aber, in denen dies nicht zu erwarten ist, meine ich, ist es das gute Recht und sogar die Verpflichtung der Administration, zu sagen:Wir verzichten darauf, um so schnell wie möglich zu einer Entscheidung zu kommen.

Deswegen weise ich Ihre Behauptung ausdrücklich zurück, Herr Wagner, das seien Instrumente, um den Naturschutz zurückzudrehen. Ich bin mit Ihnen aber einer Auffassung, was die Frage des ehrenamtlichen Naturschutzes anbelangt.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß den Wert des ehrenamtlichen Naturschutzes sehr wohl zu beurteilen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass der ehrenamtliche Naturschutz manchmal die Dinge aus der Ortsnähe heraus sachgerechter und viel genauer als der administrative Naturschutz beurteilen kann. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich aus diesem Grund die Rechte der Verbände in der Weise aufrechterhalten muss, wie das gegenwärtig der Fall ist.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ehrenamtliche Engagement wird nach wie vor einbezogen, und es wird auch nicht gering geschätzt. Bedenken Sie aber bitte, wir haben im Zusammenhang mit der damals eingeführten Verbandsklage viele Diskussionen geführt. Zuvor hatten wir überhaupt keinen administrativen Naturschutz. Sie können aber doch nicht allen Ernstes die Behauptung aufstellen, es gebe keinen behördlichen Naturschutz. Deshalb sage ich noch einmal: Das, was in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, und das, was die Große Koalition Ende vergangenen Jahres beschlossen hat, führen materiell nicht zu einer Reduzierung, beispielsweise des Naturschutzes und auch nicht zu einer Rückführung von Beteiligungsrechten in substanzieller Hinsicht. Deshalb ist das ein vernünftiger Weg, den wir gehen wollen.

Herr Minister Rhiel, in dem Entwurf fehlt, dass wir auch Änderungen im Verwaltungsrecht brauchen, um Klagen gegen Straßenbaumaßnahmen in erster Instanz nicht an ein Verwaltungsgericht, sondern gleich zum Oberverwaltungsgericht zu richten, und eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten und gleichzeitig eine Verfahrensbeschleunigung herbeizuführen. Ich weiß, dass dies nicht Sache des Landesgesetzgebers, sondern des Bundesgesetzgebers ist.

Ich bin ziemlich sicher, dass in der Anhörung viele die Fristenverkürzung als Problem thematisieren werden. Ich sage voraus, die Ergebnisse der Anhörung werden nicht viel von dem bestätigen, was in dem Gesetzentwurf steht, sondern es wird Widerstand geben, weil jeder sagt: Jeden Monat, den ich weniger Zeit habe, nehme ich zum Anlass, dagegen zu sein. – Ich kann für meine Fraktion sagen, auch wenn das als Ergebnis der Anhörung herauskommt, muss man an solchen Regelungen festhalten, weil wir ansonsten das Postulat „Verfahrensbeschleunigung“ nicht realisieren werden.

Ich sage sehr selbstkritisch: Wenn wir das Thema Verfahrensbeschleunigung tatsächlich so sehen wie Herr Frankenberger, der gesagt hat, Planungsbeschleunigung sei nur ein geflügeltes Wort, wenn es tatsächlich so sein sollte, dass wir eine Planungsbeschleunigung zwar in Sonntagsreden fordern, aber nicht wirklich umsetzen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir Politiker einen unvertretbaren Vertrauensverlust zu gewärtigen haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage das in sehr betroffener Weise bezüglich des Projekts, das Sie hier angesprochen haben. Der Ausbau der A 49 ist ein solches Thema, weil die Bürger mittlerweile sagen:Das erzählt ihr uns seit 30 Jahren,und jetzt plant ihr um, aus welchen Gründen auch immer. – Wenn wir Maßnahmen der Planungsbeschleunigung nicht realisieren, wird der Vertrauensverlust der Bürger immer größer werden. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Es geht bei diesen Maßnahmen letztendlich nicht um l’art pour l’art. Es geht doch nicht darum, dass wir um einer Straßen willen eine Straße bauen wollen.

(Hildegard Pfaff (SPD): Es sind die Bürgerinitiativen, die in vielen Fällen Maßnahmen verhindern, nicht das Planungsrecht!)

Es geht vielmehr darum, dass wir regionale Defizite abarbeiten wollen, um strukturschwächere Regionen an die Ballungsgebiete heranzuführen. Das ist der Sinn dieser Bemühungen.Wir machen das doch nicht aus Jux und Tollerei, sondern wir machen das, um eine Maßnahme zu realisieren – möglicherweise auch ohne einen Erörterungstermin, wenn er nicht notwendig ist. Dahinter steht das

Bedürfnis, Arbeitsplätze zu schaffen, nichts anderes. Dabei muss eine Abwägung vorgenommen werden. Die nehmen wir als FDP zugunsten der Verfahrungsbeschleunigung vor.Wir hoffen,dass der Gesetzentwurf,der auf Landesebene eingebracht worden ist, so beschlossen wird.

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat Herr Dr. Lübcke für die Union das Wort.