In Ihren Pressemitteilungen sprechen Sie sich permanent selbst Mut zu. Tatsächlich rechnen Sie intern aber damit, dass das Studiengebührengesetz vor dem Staatsgerichtshof durchfällt. Das ist gut. Denn das beweist, dass Sie sich doch ein klitzekleines bisschen mit der Realität auseinandersetzen, die sich um Sie herum abspielt. Das ist gut, weil es den Hochschulen die Sicherheit gibt, dass sie das Geld auf jeden Fall bekommen. Denn Sie haben für den Fall, dass das Gesetz kassiert wird, eine Finanzierung der ausgefallenen Mittel aus dem Landeshaushalt zugesagt. Genauso werden wir es mit der SPD nach der Wahl machen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich noch einen weiteren klitzekleinen Schritt bewegen könnten, und zwar in Richtung auf Zustimmung zu unserem Antrag.Wir fordern gemeinsam mit der SPD-Fraktion, die Erhebung der Studiengebühren so lange auszusetzen, bis der Staatsgerichtshof über die beiden anhängigen Klagen entschieden hat.Dieser Schritt,der Beschluss eines Moratoriums,wäre eine logische Konsequenz. Denn ansonsten sind es die Studierenden, die dem Land einen zinsfreien Kredit gewähren. Das wäre doch nun wirklich eine verkehrte Welt.
Sie haben die Mittel vorsorglich schon eingeplant. Sie wollen die Mittel für den Fall aus dem Landeshaushalt zahlen, dass sich die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bestätigt. Es wäre demnach nur gerecht, wenn das Land in Vorlage tritt. Denn es gibt keinen Grund, dass ausgerechnet die Studierenden, die ohnehin schon wenig zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts haben, dem Land einen Vorschuss in Millionenhöhe geben sollen.
Ich will die zahlreichen guten Argumente, die gegen die Erhebung der Studiengebühren sprechen, hier gar nicht lange wiederholen. Tatsächlich haben wir uns zu dieser Frage in den letzten Monaten sehr häufig ausgetauscht.
Die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft wird durch Studiengebühren weiter verschärft. Nicht alle, die geeignet sind, werden in Hessen in Zukunft ein Studium aufnehmen können. Gerade Menschen aus ökonomisch schwächeren Familien werden durch die Studiengebühren von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen aber mehr und nicht weniger Studierende.
Aus aktuellem Anlass will ich hier noch einmal auf eines hinweisen. Ich tue dies in der Hoffnung, dass Sie das vielleicht doch noch zum Nachdenken bringt.
Vor zwei Wochen wurde die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks vorgelegt. Diese Erhebung bestätigt einmal mehr sehr eindringlich, dass das deutsche Hochschulsystem sozial selektiv ist. In Deutschland entscheidet die soziale Herkunft ganz maßgeblich über den Bildungsweg. Bei der Verteilung der Bildungschancen gibt es eine soziale Polarisierung. 83 von 100 Kindern von Akademikern studieren. Dies tun aber nur 23 von 100 Kindern aus Familien ohne eine akademische Tradition.
Eine soziale Öffnung der Hochschulen ist also dringend notwendig. Dies muss aus dem Grund der Chancenge
rechtigkeit erfolgen, aber auch, weil wir aus ökonomischen Gründen einfach mehr Absolventinnen und Absolventen brauchen.
Es ist mir absolut unverständlich, warum Sie das einfach nicht verstehen wollen. Zahlreiche Studien bestätigen meine Position immer wieder. Das endlich einmal zu akzeptieren und die Probleme der Gegenwart zu erkennen ist es doch, was dringend notwendig wäre, damit man an den Problemen arbeiten kann,die sich in der Zukunft auswirken werden.
Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Das vergegenwärtigen Sie sich einfach nicht. Das betrifft die soziale Situation der Studierenden.
Herr Corts hatte in der Hochzeit der Debatte über die Erhebung der Studiengebühren das zynische Argument gebracht, die Studierenden müssten nur ein paar Bier weniger trinken oder eine Schachtel Zigaretten pro Tag weniger rauchen, um die Studiengebühren bezahlen zu können. Das ist vielleicht die Realität einiger weniger Studierender. Die Realität der Mehrheit sieht aber vollkommen anders aus.
Beispielsweise braucht ein Studierender in Frankfurt für seinen Lebensunterhalt ungefähr 800 c im Monat. Damit ist Frankfurt einer der teuersten Studienstandorte in Deutschland überhaupt. Zwei Drittel aller Studierenden müssen für ihren Lebensunterhalt nebenher jobben und sich ihren Lebensunterhalt so finanzieren, denn BAföG bekommen nur wenige. Von diesen BAföG-Bezieherinnen und -Beziehern bekommen nur 44 % den Höchstsatz von 585 c. Mehr als die Hälfte wird also mit weit weniger als dem Höchstsatz unterstützt und muss nebenher ebenfalls noch arbeiten gehen.
Meine Damen und Herren, das sind die sozialen Realitäten von Studierenden in Hessen.Ich würde mir wünschen, dass Sie diese Tatsachen endlich einmal wahrnehmen würden. Und ich würde mir wünschen, dass Sie hier endlich einmal in der Gegenwart angekommen sind, denn die Realität an den Hochschulen sieht wirklich ganz anders aus als in Ihren Köpfen.
Studiengebühren sind der falsche Weg, um die Probleme von morgen zu lösen. Sie verstärken die Tatsache, dass das deutsche Bildungssystem sozial stark selektiv ist. Daher lösen sie die Probleme unserer Hochschulen nicht.
Ich bin hoffnungsfroh, dass das Gesetz vor dem Staatsgerichtshof keinen Bestand haben wird. Da dies so kommen wird, wäre ein Moratorium nur logisch. Daher würde ich mich über die breite Unterstützung unseres Antrages freuen. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sorge, wir als FDP-Fraktion werden Ihnen diese Unterstützung nicht zugute kommen lassen, da wir der Meinung sind,dass Sie mit Ihrem Antrag in die falsche Richtung zielen,
in die falsche Richtung sowohl im Instrument als auch im Inhalt. Sehr geehrte Frau Sorge, wenn es SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wirklich um eine Umsetzung des von Ihnen sogenannten Moratoriums gegangen wäre, wenn es das wäre, was Sie interessiert, dann hätten Sie selbst in dem von Ihnen angestrebten Klageverfahren das Eilverfahren als Zusatzverfahren gewählt. Sie hätten eine entsprechende Anordnung beim Staatsgerichtshof beantragt und es dann dem Staatsgerichtshof überlassen, zu entscheiden, ob er der Meinung ist, dass größerer Schaden dadurch entsteht, wenn die Gebühren jetzt eingezogen werden und nachher das Gesetz aufgehoben wird, oder ob er der Meinung ist, dass bei der Nichteinziehung und der nachherigen Nichtaufhebung des Gesetzes der größere Schaden entstanden wäre, respektive die Balance in diese Richtung ausgeschlagen wäre.
Wenn Sie aber diesen möglichen gesetzlichen Schritt – im Übrigen tun das auch die von den Unterschriften getragenen Klagebeteiligten nicht – nicht gewählt haben, kann ich nur sagen, dass der stattdessen eingereichte Plenarantrag nicht mehr als politischer Klamauk ist.
Es geht Ihnen letztendlich darum, die Studiengebührendebatte der letzten Monate hier entsprechend zu verlängern, nachdem gegen Ihre Stimmen ein entsprechender Gesetzentwurf beschlossen worden ist. Ich sage das ausdrücklich, wohl wissend – das ist hier und auch über dieses Haus hinaus bekannt –, dass wir als FDP für ein anderes Modell von Studiengebühren gestritten haben.
Wir sind als Liberale dafür, dass es Studiengebühren geben soll, aber Studiengebühren im Wettbewerb der einzelnen Hochschulen untereinander. Das heißt, wir haben für ein Modell gestritten und werden das auch weiter tun, bei dem die Hochschulen selbst entscheiden können, ob, für welchen Studiengang und in welcher Höhe sie Studiengebühren von ihren Studierenden einfordern wollen, damit wiederum die Studierenden entscheiden können, ob das, was an zusätzlicher Qualität für diese Studiengebühren von der jeweiligen Hochschule geboten wird, ihren Vorstellungen entspricht und es das Geld wert ist.
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass dieser Gesetzentwurf, wie wir ihn hier eingebracht haben und wie er in diesem Hause leider keine Mehrheit gefunden hat, ein verfassungsgemäßer Gesetzentwurf gewesen ist – nicht nur deshalb, weil wir keine flächendeckenden Studiengebühren eingeführt, sondern es dem Verhältnis der Profilbildung und des Wettbewerbs überlassen hätten und im Gesetzentwurf eine klare Leistungsbindung bei den Studiengebühren hatten, und auch deswegen, weil wir weit mehr soziale Ausnahmetatbestände und damit keine soziale Auslese in unserem Gesetzentwurf vorgesehen hatten.
Sei es drum.Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion ist mit deren Stimmen in diesem Hause beschlossen worden.
Deswegen ist es folgerichtig, dass die Mehrheit in diesem Hause – die CDU-Fraktion und damit auch die Landesregierung – daran festhält, einen einmal beschlossenen und in Kraft getretenen Gesetzentwurf entsprechend umzusetzen.
Frau Kollegin Sorge, ich denke, dass dies gerade in Verbindung mit der von Ihnen angesprochenen Vorläufigkeitserklärung, die die Landesregierung mittlerweile abgegeben hat und die ich sehr begrüße, auch im Interesse der Hochschulen und der Studierenden ist.
Es geht doch letztendlich darum, dass die Hochschulen nun in einer Art vorlaufendem Prozess schon die Verbesserungen an Studienbedingungen und auch an sonstigen Steigerungen der Studienqualität schaffen müssen, damit den Studierenden bei Aufnahme des nächsten Semesters entsprechend Qualitätssteigerungen bereits vorliegen. Das heißt, die Hochschulen sind darauf angewiesen, dass dieses Geld jetzt ihren Kassen zufließt.
Letztendlich begrüße ich es sehr, dass in den Hochschulen sehr vielfältige Ideen entwickelt wurden, wie die Qualität des Studiums, aber auch der Studienbedingungen zu steigern ist.Wenn Sie sich einmal bei den Ankündigungen,die die Hochschulen gemacht haben, anschauen, was dort alles an Verbesserungen mittlerweile angestrebt wird – da geht es vor allem darum, dass die Beratung der Studierenden gerade begleitend zum Studium und nicht nur bei der Studienaufnahme verstärkt werden soll. Hierüber soll auch der Fortgang eines Studiums verstärkt und beschleunigt werden, wenn es während des Studiums zu Problemen kommt.
Es geht den meisten Hochschulen, wenn man einmal die verschiedenen Vorschläge sichtet, darum, vor allem die Betreuungsrelation von Professoren und Mittelbau zu Studierenden zu verstärken, d. h. ein intensiveres und damit sicher auch zügigeres Studium zu unterstützen. Es ist in allen Hochschulen vorgesehen,die Infrastruktur an den Hochschulen zu verbessern. Das geht von der Frage der Bibliothek über die Frage der zur Verfügung stehenden räumlichen Möglichkeiten, über die IT-Ausstattung bis hin zur Frage von Laborplätzen.
Es ist darüber hinaus bei den Hochschulen, die ihre Pläne der Öffentlichkeit schon vorgestellt haben, in der Regel geplant, mehr Jobs für Studierende einzurichten und dies der Verbesserung der derzeitigen Studienbedingungen zugutekommen zu lassen, z. B. über Tutorenprogramme oder die Verlängerung der Bibliotheksöffnungszeiten und Ähnliches.
Sehen Sie sich einmal an, in welcher Weise durchaus auch in Richtung Marketing gedacht wird. Zum Beispiel wirbt die Universität Kassel damit, dass sie vier Garantien für ihre Studierenden ausgibt, nämlich eine Garantie für gute Studienbedingungen, eine Garantie, dass sich Leistung auszahlt.
Das betrifft an dieser Stelle vor allem den Punkt der Freistellungen, dass z. B. alle, die ihr Abitur bis zur Durchschnittsnote 1,9 gemacht haben,überhaupt keine Studiengebühren zu zahlen haben und dass solche Studierende, die ab dem fünften Fachsemester zu den besten Studierenden ihrer Hochschule gehören, ebenfalls von den Studiengebühren befreit sind.
Sie garantiert,dass es weitere Jobs an der Universität gibt. Es wird auch eine Transparenzgarantie im Hinblick auf die Verwendung der Studiengebühren und vor allem die dadurch erreichte Qualitätssteigerung abgegeben.
So können wir alle miteinander sehen, dass dieses Mittel der Qualitätssteigerung über Studiengebühren eben genau in diesen Profil- und Leistungswettbewerb mündet, den wir als Liberale immer vorausgesagt haben.
Auf eine Sache möchte ich noch hinweisen, dass wir nämlich als FDP-Fraktion in dem Fortgang der Verwendung der Studiengebühren an der Seite der Studierenden sehr genau darauf achten werden, dass diese Studiengebühren ausschließlich für zusätzliche Angebote zur Qualitätssteigerung, zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden.
Es darf nicht zugelassen werden, dass sich der Staat auf der anderen Seite aus der Finanzierung zurückzieht oder dass die momentan unzureichende Grundfinanzierung Anlass dafür ist, über Studiengebühreneinnahmen diese Löcher zu stopfen.
Es muss ausdrücklich so sein, dass die Studierenden für die zu entrichtenden Studiengebühren eine konkrete Gegenleistung erhalten, nämlich in Form von ganz konkreten, nachweisbaren Verbesserungen der Studienbedingungen bzw. Steigerung der Studienqualität.