Protokoll der Sitzung vom 13.11.2007

und dort der neue Kohleblock unter Einsatz modernster Kraftwerkstechnologie zügig realisiert werden kann.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Kollege, modernisiert!)

Das ist angewandte politische Schizophrenie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU):Wo ist der Widerspruch?)

Auf der einen Seite wird gesagt: Wir wollen, dass hier ein neues Kohlekraftwerk gebaut wird. – Das, was in Berlin gesagt wird, bedeutet aber: Wenn es gebaut wird, muss es verkauft werden. – Herr Rhiel, nehmen Sie sich mit Ihren Forderungen eigentlich selbst noch ernst?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Mein Kollege Mathias Wagner hat schon den Sänger der Neuen Deutschen Welle Markus in die Debatte eingebracht.

(Michael Boddenberg (CDU): Fangen nicht auch Sie noch mit Ihrem Freizeitverhalten an! – Norbert Schmitt (SPD): Jetzt muss noch Rio Reiser kommen!)

Er hat aus dem Lied zitiert: „Ich geb Gas, ich will Spaß.“ In dem Lied heißt es dann später – Herr Präsident, das ist ein Zitat, das sage ich vorneweg –: „Und kostet Benzin auch 3 Mark 10, scheißegal, es wird schon gehen.“

Ich muss jetzt sagen: Die 3,10 DM haben wir diese Woche erreicht.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ihr wolltet doch 5 DM haben, das habt ihr noch nicht erreicht! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Sie sind doch gar nicht in der Regierung!)

Herr Wirtschaftsminister, die spannende Frage ist doch Folgende. Sie sagen, dass Sie bei den Kraftwerken etwas an der Eigentümerstruktur ändern wollen. Sie sagen aber ausdrücklich, dass Sie am Strommix nichts ändern wollen. Sie müssen dann die Frage beantworten, wie Sie mit der Preisentwicklung bei den fossilen Energien umgehen wollen. Diese Frage müssen Sie beantworten. Das gilt nicht nur für Öl.Öl spielt bei der Stromerzeugung fast gar keine Rolle. Was da noch so alles anhängt, spielt aber bei Gas eine Rolle. Das spielt übrigens auch bei der Steinkohle eine Rolle.

(Michael Boddenberg (CDU):Herr Al-Wazir,lesen Sie einmal das Wahlprogramm der CDU! Das kann ich Ihnen empfehlen!)

Ich habe neulich mit einem Vertreter von E.ON über genau diese Frage diskutiert. Herr Wirtschaftsminister, auch er sagte mir, dass inzwischen die Importsteinkohle aus Südafrika Rekordpreisniveau erreicht hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist doch logisch!)

Da wird es dann auch wirtschaftspolitisch hinsichtlich dessen wahnsinnig, was die Hessische Landesregierung in den letzten neun Jahren betrieben hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist aus folgendem Grund wahnsinnig.Wenn Sie wirklich wollen, dass wir eine zukunftsfähige und auf lange Sicht bezahlbare Energieversorgung haben, dann müssen Sie die Struktur der Energieversorgung grundlegend ändern. Sie dürfen nicht nur die Eigentumsverhältnisse bei den Großkraftwerken verändern.Vielmehr muss dann die Struktur der Energieversorgung geändert werden. Sie müssen den Strommix verändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen den Verbrauch verändern.Sie müssen zu mehr Effizienz kommen.Wir müssen zum Einsatz erneuerbarer Energien kommen. Genau da versagt die Hessische Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben sich am Energiekonzept der hessischen SPD heftig abgearbeitet.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das machen Sie doch auch!)

Wir haben am letzten Freitag im Landtag eine denkwürdige Pressekonferenz der hessischen CDU erlebt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ich sage Ihnen gleich, warum sie denkwürdig war. – Wir stellen fest, dass Sie sich mit dem Energiekonzept der GRÜNEN wohlweislich nicht beschäftigt haben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So bedeutsam ist das auch nicht!)

Offensichtlich ist es Ihnen nicht gelungen, irgendeinen Fehler zu finden, Herr Wagner. – Sie haben aber gar nicht gemerkt, Herr Kollege Wagner, dass Ihnen der von Ihnen benannte Experte indirekt eine Ohrfeige nach der anderen versetzt hat. Er hat nämlich gesagt – Herr Wagner, vielleicht erinnern Sie sich –, das Ziel der SPD sei richtig, aber nach den Planungen soll es in manchen Punkten zu schnell umgesetzt werden.

(Zurufe von der CDU)

Das ist doch die spannende Frage. Sie erklären die ganze Zeit, das Ziel des Umstiegs auf erneuerbare Energien sei falsch. Das heißt, Ihr eigener Experte hat Ihnen gesagt, dass Sie das falsche Ziel verfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Herr Al-Wazir, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Boddenberg?

Nein. – Die spannende Frage ist:Wie bekommen wir eine Energiewende hin? Wie bekommen wir eine Energiewende im Strombereich hin, wie bekommen wir eine Energiewende im Verkehrsbereich hin, wie bekommen wir eine Energiewende in der Wärmeerzeugung hin, wie schaffen wir das von uns allen – jedenfalls theoretisch versprochene Ziel der Reduktion von CO2 um 40 %?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weder der Wirtschaftsminister noch die hessische CDU haben auf diese Frage heute irgendeine Antwort gegeben.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Sie haben keine Konzepte! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen das an einzelnen Punkten deutlich machen, Herr Wirtschaftsminister. Ich will mich heute auf den Bereich der Stromerzeugung beschränken. Ursula Hammann wird nachher zum Thema Energie insgesamt sprechen.Wir erleben heute einen wirklich energiereichen Tag – und zwar einen Tag der erneuerbaren Energien.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Wir haben Ihnen ein Konzept vorgelegt, wie aus unserer Sicht die Stromversorgung im Jahr 2028 komplett aus erneuerbaren Energien erfolgen kann. Der einzige Punkt, an dem Sie wirklich etwas Neues gesagt haben, betraf die Frage der Effizienz. Wir haben in unser Konzept ausdrücklich die Tatsache eingerechnet, dass wir zu energieeffizienteren Geräten, zu weniger Verbrauch kommen müssen. Ein geringerer Verbrauch ist eigentlich unsere allererste, weil billigste und klimafreundlichste Energiequelle.

(Zurufe von der CDU)

Ja, Sie haben es aber nur für den Bereich Wärme gesagt, wir haben uns das auch für den Bereich Stromversorgung angeschaut.

Man kann durch kleine Verhaltensänderungen, durch eine bessere Regelung bei den Klimaanlagen, durch den Verzicht auf Stand-by-Betrieb, durch den Einsatz neuer und effizienterer Geräte – die dann aber auch ordentlich gekennzeichnet sein müssen –,ohne Komfortverlust dafür sorgen,dass wir in den nächsten 20 Jahren locker ungefähr 28,5 % unseres gegenwärtigen Stromverbrauchs einsparen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Rhiel, Ihr eigenes Ministerium hat vor einigen Jahren eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass man mit Investitionen in einer Größenordnung von 400 bis 500 c pro Haushalt – beispielsweise in Energiesparlampen und Energie sparende Haushaltsgeräte – den Verbrauch um durchschnittlich ein Viertel senken kann. Schauen Sie sich einmal die gegenwärtigen Strompreise an, und Sie sehen, wie schnell Sie diese Investition wieder hereingeholt haben.

Zweitens.Die Biomasse ist die einzige Form erneuerbarer Energie, die Sie genannt haben. Windkraft geht aus Ihrer Sicht nicht, Fotovoltaik ist angeblich viel zu teuer. Biomasse ist die einzige Form erneuerbarer Energie, die Sie genannt haben. Auch das finde ich ein bisschen komisch. Herr Wirtschaftsminister, Sie lassen sich für 66 in Hessen laufende Biogasanlagen feiern, aber Sie verschweigen, dass in Bayern schon 850 solcher Anlagen am Netz sind. Herr Wirtschaftsminister, als Roland Koch die Regierung übernommen hat, hat er gesagt, Hessen solle ein Land des Südens werden. Es wäre schön, wenn Hessen im Bereich Biomasse ein Land des Südens geworden wäre. Es ist es aber nicht geworden, weil Sie an der Stelle schlicht nichts gemacht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Er hat die Mittel sogar zurückgefahren! – Lebhafter Widerspruch bei der CDU)

Herr Rhiel, darauf müssen Sie schon noch eingehen. Wenn es aus Ihrer Sicht die Windkraft nicht bringt, wenn es aus Ihrer Sicht die Fotovoltaik nicht bringt, wenn aus Ihrer Sicht die Wasserkraft nicht infrage kommt und einzig und allein die Biomasse bleibt, wie wollen Sie dann eigentlich im Jahr 2020 einen Anteil von 20 % an der Gesamtenergieerzeugung aus erneuerbaren Energien erreichen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Diese Frage müssen Sie beantworten. Wie wollen Sie das eigentlich schaffen?

(Zurufe von der CDU)

Wir haben einmal berechnet, wie viele Biomasseanlagen man bräuchte, um 20 % des gegenwärtigen Endenergieverbrauchs zu erzeugen. Dazu gibt es Vorarbeiten, auch der Hessischen Landesregierung, z. B. INKLIM 2012. Nach diesen Berechnungen beträgt das Potenzial der Biomasse 61,41 Petajoule pro Jahr. Das sind umgerechnet 17 Millionen MWh. Der Endenergieverbrauch beträgt 27.700.000 t Steinkohleeinheiten. Das sind umgerechnet 225 Millionen MWh.Wenn Sie also einen Anteil von 20 % des Endenergieverbrauchs aus Biomasse erzeugen wollen, dann müssten Sie 45 Millionen MWh produzieren. Das würde das von Ihnen selbst festgestellte Potenzial der Biomasse um den Faktor 2,6 überschreiten. Das bedeutet faktisch, Sie müssten auch in diesem Plenarsaal Mais anbauen, um das, was Sie selber propagiert haben, zu erreichen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Andrea Ypsilanti (SPD): Das kommt davon, wenn man keine Windräder genehmigen will! – Weitere Zurufe von der SPD)