Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

Frage um keinen Deut geändert. Nehmen Sie doch heute die Debatte um die Onlinedurchsuchung, wie Sie sie in der SPD führen. Sie laden Menschen, die schwere und schwerste Straftaten in diesem Land begehen wollen – und nur um die geht es –, dazu ein, es so zu machen, dass die Polizei das nicht nachvollziehen kann.

(Norbert Schmitt (SPD): Was sagt denn der ausgesuchte Koalitionspartner dazu?)

Niemand wird das verantworten können,wenn es wirklich einmal zu schweren Straftaten kommt.

Wir haben das in einer der größten Aktionen, die jemals in der Bundesrepublik Deutschland zum Terrorismusschutz durchgeführt wurden, doch alles erlebt – das war eine Leistung durchaus der Person des Ministers und vieler Beamtinnen und Beamten der hessischen Polizei. Jeder, der in Ausschüssen sitzt, über die wir nicht dauernd öffentlich reden können, weiß, mit welchen Instrumenten und Mitteln wer in Deutschland und wer im Ausland Hilfe dazu geleistet haben, damit das möglich geworden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,wer behauptet, moderne Kriminalitätsbekämpfung des internationalen Verbrechens, das dieses Land bedroht, sei möglich, indem man zwar ein Telefon abhören darf, auch ein Handy – die benutzt aber keiner mehr –, nicht aber das Onlinesystem, das die Beteiligten benutzen, das geschützt bleibt, weil man es nicht abhören darf, und der neue Verfügungsraum für Kriminalität wird, der versündigt sich an den Schutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich wird die Debatte, die wir über die Frage führen, wie sich die Zukunft dieses Landes entwickelt, sehr stark von zwei Elementen geprägt, für die Landespolitik in einer außergewöhnlichen Weise Verantwortung trägt und zuständig ist. Das ist zum einen die Infrastruktur unserer Bildung, und das sind zum anderen die Infrastruktur unserer Verkehrswege und die logistischen Strukturen. Wenn diese beiden Elemente nicht stimmen, dann hat es ein Land schwerer. Deshalb lohnt der Streit über diese Fragen.

Hessen ist ein Land, das diesen Streit in der Bildungspolitik schon immer in einer besonderen Intensität geführt hat. Frau Kollegin Ypsilanti legt ohnehin Wert darauf, möglichst extreme oder polarisierende Positionen zu vertreten. Das hat sie schon im Sommer in ihrem Analysepapier gesagt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war im Frühjahr! – Norbert Schmitt (SPD): Das ist Ihnen ganz fremd!)

Das ist auch richtig. In der hessischen Tradition haben wir hierzu eine besonders lange Diskussion und Geschichte. Viele, die in der Politik aktiv sind, kennen diese Debatte aus vielen Jahren.

Deshalb will ich noch einmal sagen: Unser Konzept, das Kollegin Karin Wolff, die Kollegen der CDU und in der ersten Wahlperiode, die ich verantwortet habe, CDU und FDP zusammen vertreten haben,hat bis zum heutigen Tag unstreitig vier Kernelemente.

Das erste Kernelement. Wir haben eine Schule vorgefunden, der das Mindestmaß an notwendigen Ressourcen vorenthalten worden ist,um überhaupt ihre Arbeit zu machen. Heute gibt es keine Eltern mehr, die Stundenpläne bekommen, auf denen gar nicht alle Stunden stehen, die dort nach der Stundentafel stehen müssten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Holzapfel und die Sozialdemokraten haben den bequemen Trick angewandt, zwar vier Stunden Mathematik in die Stundentafel zu schreiben, aber nur drei Stunden Mathematik in den Stundenplan – und dann hatten sie die Chuzpe, gegenüber den Eltern zu behaupten, es falle ganz wenig aus.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): 80 ist 100!)

Diese Mathematik des 80 oder 90 gleich 100, die in den hessischen Schulen Einzug gehalten hat, haben wir beendet. Das hatte eine gigantische finanzielle Auswirkung auf den Haushalt, auf die Anzahl der Stellen der Lehrerinnen und Lehrer; und das war bei den knappen finanziellen Verhältnissen nur möglich, indem wir Lehrerinnen und Lehrern auch mehr Arbeit auferlegt haben. Übrigens war das gar nicht neu, denn auch das hat Herr Holzapfel als Erstes getan. Wir haben den Teil, den er dabei in Angriff genommen hat, in den letzten Wochen zuverlässig, wie es sich gehört, so zurückgegeben, dass die Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass sie mit uns da einen verlässlichen Partner haben.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Das Problem der Quantität ist in Schulen nie endgültig lösbar, denn man kann immer noch viel mehr Leute einsetzen. Aber die Herausforderung, dass die Stunden, die wir in den Stundenplan und in die Stundentafel geschrieben haben, durch Lehrer abgedeckt sind, ist in den ersten Jahren bewältigt worden.

Das zweite Kernelement. Schule muss vergleichbar sein. Das bestreiten Sie zwar, aber davon sind wir überzeugt. Schule wird nicht in Unterrichtsformen erteilt,in denen in jeder Schule nach der jeweils individuellen Fasson der Schule, der Lehrerinnen und Lehrer, der Schüler und der Eltern die Schüler möglichst glücklich durch die Schule kommen. Sie sollen in der Schule viel Spaß haben.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das haben sie aber überhaupt nicht! Wer hat denn in der Schule Spaß? Kein Kind!)

Aber am Ende sollen sie die Garantie haben,genau das zu wissen, was auch in der Nachbarschule gelehrt worden ist. Was Sie in Hessen provoziert haben und wieder provozieren wollen – das schreiben Sie ausdrücklich –, ist, dass es sein kann, dass Schüler durch ihr ganzes Schülerleben kommen und subjektiv der Meinung sind, sie seien einigermaßen gut, dafür auch eine Note bekommen, von der sie meinen, sie sei gut, anschließend aber beim Einstellungstest bei der örtlichen Kreissparkasse, an der Universität oder sonst wo mit Erschrecken feststellen, dass sie zwar eine 1,5 haben, der Nachbar eine 2,0, aber der mit der 2,0 jeden Test besser besteht, weil er in der Schule anders ausgebildet worden ist.

Das darf der Staat nicht. Denn das können die Kinder am Ende nicht ausgleichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb ist der zweite Kernpunkt zentrale Abschlüsse, damit eine Vergleichbarkeit hergestellt wird. Das stellen Sie infrage.Wir haben es erst in der Hauptschule, dann in der Realschule und erst später im Gymnasium gemacht, damit sich die Schulen vorbereiten konnten. Übrigens haben wir solche zentralen Abschlussprüfungen, die Sie abschaffen wollen, in 14 von 16 deutschen Bundesländern. Das zeigt, wie stark Sie da im Mainstream der Debatte sind. Aber wir haben Tests hinzugefügt, schon in der

Grundschule, damit die Schülerinnen und Schüler schon mit vergleichbaren Leistungen in die weiterführenden Schulen gehen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das ist Testeritis!)

Wir haben es in der gymnasialen Ausbildung hergestellt, etwa mit dem Mathematiktest. Den schreiben wir heute nicht mehr als Hessen, sondern gemeinsam mit den Baden-Württembergern – um sicherzustellen, dass das, was wir dort an Ausbildung und Bildungsstandards haben, in beiden Ländern gemeinsam ist.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Sie haben die Testeritis eingeführt!)

Wir ziehen daraus Konsequenzen für die Ausbildung und für die Formen der Unterrichtung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb sind wir heute sicher, eine Struktur geschaffen zu haben, in der die Verantwortlichen für die Schule – das ist am Ende der Staat – sicherstellen können, dass an allen Schulen mit gleichen Maßstäben unterrichtet wird.

Jetzt kommt die dritte Aufgabe. Das ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Legislaturperiode: die Schulen in immer mehr Selbstständigkeit zu entlassen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Der Staat muss verbindlich festlegen, was am Ende der Ausbildung steht,sonst versündigt er sich an den Kindern.

Die Frage, wie das gelernt wird – ob im Blockunterricht, in neuen Unterrichtsformen, im praxisorientierten Unterricht oder wie auch immer –, das kann Sache der Schule sein.Dafür haben wir Pädagogen,die ausgebildet sind,mit eigenen Mitteln zu wissen, wie sie diese Ziele erreichen. Sie haben keine Freiheit in der Wahl der Ziele,aber sie haben eine große Freiheit in der Wahl der Instrumente, die Schule jeweils so anzupassen, damit sie den einzelnen Schülerinnen und Schülern, der Region, den besonderen Gegebenheiten,durchaus auch den Neigungen der Lehrerinnen und Lehrer, wie sie ihre Persönlichkeit einbringen können, am besten folgen.

Dazu muss die Schule die Leute aussuchen können, dazu muss sie eine eigene Verwaltungsmöglichkeit haben. Sie hat Jahresstundentafeln, keine Wochenstundenpläne mehr und vieles andere.

Das Projekt der nächsten fünf Jahre ist eine Schule, die in ausreichendem Umfang Ressourcen hat, was die Grundversorgung für jeden anbetrifft, eine Schule, bei der wir Verbindlichkeit in den Ergebnissen hergestellt haben und die wir nun in der Selbstständigkeit der Pädagogen so leben lassen können, wie das für die Schülerinnen und Schüler am besten ist. Das ist unser Weg, den wir in dieser Entwicklung gehen.

(Beifall bei der CDU und der Abg.Dorothea Henz- ler (FDP))

Dazu kommt der vierte Kernbereich, eine Herausforderung, die uns sehr beschäftigen wird – nämlich diese Schule so zu organisieren, dass sie für alle Schülerinnen und Schüler eine ganztägige Betreuung möglich macht.

Wir wollen im Gegensatz zu den Sozialdemokraten ausdrücklich keine Zwangsganztagsschule. Wir wollen nicht, dass alle Schüler ganztägig in einer Schule beschult werden müssen, weil wir sehr wohl wissen, dass es angesichts

der Unterschiede zwischen der Stadt – insbesondere der Innenstadt mit ihren besonderen Sozialstrukturen – auf der einen Seite und dem ländlichen Raum – mit langen Fahrwegen, mit den Interessen von Schülerinnen und Schülern, in ihrer Freizeit in Vereinen und Kirchen Aktivitäten ihrer Wahl zu betreiben – auf der anderen Seite ein Recht der Eltern und Kinder geben muss, darüber zu entscheiden.

Der Staat hat kein Recht darauf, die Kinder ganztägig zu beschlagnahmen, aber er hat die Verpflichtung, Eltern die Möglichkeit zu geben, Kinder gesichert betreut zu wissen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Es ist der alte Unterschied, der zwischen den Sozialdemokraten und uns an so vielen Stellen besteht. Sie glauben immer, dass Sie auf einem Parteitag beschließen könnten, was für die Menschen gut ist, und anschließend das moralische Recht hätten, dies für alle Menschen verbindlich zu machen. Wir glauben daran, dass wir den Menschen Angebote machen müssen, durch die sie in eigener Verantwortung intelligent, verantwortungsbewusst und frei genug sind, ihre Entscheidung zu treffen. Bei dieser Entscheidung hilft der Staat. Der Staat ist der Helfer, nicht der Vormund der Eltern. Das muss auch zukünftig die Organisation in Hessen bleiben.

(Beifall bei der CDU)

In einer solchen Schule wird Leistung gefordert. Wir machen uns keine Illusionen, dass eines der Probleme der Neunzigerjahre war, dass die Leistungsanforderungen an Schülerinnen und Schüler und die Ergebnisse der schulischen Leistungen nicht ausreichend waren.

Man kann nicht darüber hinwegreden – ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen; Sie nehmen vieles im Land, glaube ich, nicht so ganz wahr, aber das haben Sie damals wahrgenommen –: Die Situation war doch die, dass Eltern an die Landesgrenze gezogen sind, wenn sie dienstlich nach Hessen versetzt worden sind – in der Hoffnung, dass sie ihre Kinder nach Mainz, Aschaffenburg, Ludwigshafen, Mannheim oder andere Städte in die Schule schicken könnten. Dann waren sie bereit, in Hessen zu arbeiten, nicht aber, wenn sie ihr Kind in eine hessische Schule hätten schicken müssen.

Das waren nicht 20 oder 30 Eltern, sondern Hunderte und Tausende.Versuchen Sie einmal, heute noch jemanden zu finden, der das macht. Dagegen kenne ich eine ganze Menge Rheinland-Pfälzer, die inzwischen in hessische Schulen gehen. Das ist der Unterschied, den wir durch eine Veränderung der Struktur herbeigeführt haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich mache mir gar keine Illusionen: Die Schule, die wir heute in Hessen haben,ist mitten im Umbau.Es gibt viele, die mir, Karin Wolff und anderen den Ratschlag gegeben haben: Um Himmels willen, macht langsamer. Macht weniger Reformen, führt die Tests später ein, verändert die Unterrichtsstrukturen langsamer. – Wir haben das nicht gemacht. Frau Ypsilanti versucht im Moment, daraus ein wenig Honig zu saugen. Frau Kollegin Ypsilanti, ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe es einfach für unverantwortlich gehalten, Schulpolitik nach wahlkampforientierten Perioden zu strukturieren.

(Lachen bei der SPD)

Ich bin fest davon überzeugt – ich glaube auch, dass ich damit Erfolg haben werde –,dass Eltern nicht wollen,dass