Herr Irmer, Entgleisungen dieser Art sind wir von Ihnen gewohnt. Ich will noch aus einem Artikel des „Darmstädter Echos“ vom 31.10. zitieren. Es ging um eine Wahlkampfveranstaltung der CDU in Roßdorf. Hier berichtet Herr Irmer von einer Reise, auf der er die Staatlichen Schulämter besucht hat, und stellt fest, es gebe eigentlich gar keine Probleme mit G 8. Er sagt wörtlich:
Die normalen Eltern haben keine nennenswerten Probleme. Die Berufseltern mit anderer Feldpostadresse lasse ich mal beiseite.
Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Bildungspolitik ist schlimm genug. Aber dass Sie es zulassen, dass Herr Irmer mit den berechtigten Anliegen der Eltern sein parteipolitisches Süppchen kocht und angesichts des Wahlkampfs in blinde Hetzerei verfällt, ist ein Skandal.
Herr Irmer, wenn Sie nicht nur mit den Vertretern der Staatlichen Schulämter, sondern auch mit den Eltern reden würden, wüssten Sie, dass die Darstellungen des Landeselternbeirats noch sehr moderat sind.
Ich weiß aus Gesprächen, dass Eltern Arbeitsgemeinschaften zur abwechselnden Hausaufgabenbetreuung gründen.Ich weiß von den Eltern,dass ihre Kinder Stresssymptome zeigen und dass sie befürchten, dass die sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen massiv unter der G-8-Belastung leiden.
Die Kinder werden aus Sport- und Musikvereinen abgemeldet, damit die Zeit für die Hausaufgaben reicht.
Auch der Landessportbund weist inzwischen in einem Positionspapier auf diese Problematik hin. Er stellt fest, dass Kinder wegen G 8 nicht mehr zum Sporttraining kommen können, und fordert, die Gymnasialzeitverkürzung in der Mittelstufe zurückzunehmen.
Auf den Internetseiten des Kultusministeriums zur Information der Eltern über G 8 liest es sich noch ganz anders – ich zitiere –:
Wenn der unterrichtsfreie Samstag beibehalten wird, führt dies zwar zu einer Ausweitung des Unterrichts über die sechste Stunde hinaus, die Mehrbelastung am Nachmittag wird sich jedoch in Grenzen halten.
Frau Kultusministerin, dies ist ein Hohn. Sie wissen genau wie ich, welche Probleme die Eltern in diesem Lande vortragen. Diese Internetseite sollten Sie schleunigst korrigieren.
bis dann der nahende Wahltermin zu einer späten Einsicht führte und man Veränderungsbedarf signalisierte.
Man hat eine Arbeitsgruppe gegründet. Das ist sehr lobenswert. Frau Kultusministerin, in Ihrer ersten Stellungnahme – die habe ich sehr ernst genommen, die habe ich Ihnen auch abgenommen – haben Sie gesagt, bis zum Schuljahr 2009/2010 sei realistischerweise mit Veränderungen der Lehrpläne zu rechnen. Sie haben darauf hingewiesen, dass laut Vereinbarung der Kultusministerkonferenz bis zum Abitur 265 Stunden in den Stundentafeln untergebracht werden müssen, und Sie haben angedeutet, man könne auch darüber nachdenken, ob man einen Teil dieser Stunden schon in der Grundschule vorzieht.
Ich glaube, das würde die Situation eher noch verschlimmern – wenn man diesen Stress auch noch in die Grundschule überträgt.
Ich halte diese Argumentation für realistisch. Deswegen ist Ihr Vorschlag ein Ausweg für Helden: Sie spitzen zwar den Mund, aber Sie pfeifen nicht. Sie fordern möglichst umgehend eine Veränderung der Lehrpläne, wissen aber, dass das eine gewisse Zeit braucht, wenn man das ordentlich machen will.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben auch offengelassen, was Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 heißt. Heißt das denn, dass man die Wahlfreiheit hat wie derzeit, an einer integrierten Gesamtschule oder an einem Gymnasium Abitur zu machen? Oder heißt das, Sie wollen die Gymnasien auffordern, G 8 und G 9 gleichzeitig anzubieten? Ich glaube, auch die Klärung dieser Frage würde etwas dazu beitragen, dass wir uns mit Ihrem Konzept etwas näher auseinandersetzen könnten.
Frau Kultusministerin, Sie haben die Bedenken von Eltern, Lehrerverbänden und Schülern von Anfang an mit gewohnter Arroganz ignoriert. Schon bei der Verabschiedung Ihres Gesetzes zum Abbau der Qualität in hessischen Schulen haben die Ihnen mit 25.000 Unterschriften
Übrigens waren die Argumente damals die gleichen wie heute. Wie üblich haben Sie Ihre bildungspolitischen Experimente mit der Brechstange durchgesetzt,
Wenn man fragt, warum, dann hört man immer, ein Hauptargument für die Einführung der verkürzten Gymnasialzeit ist, die Chancen der hessischen Jugendlichen im internationalen Vergleich müssten durch Verkürzung der Ausbildungszeiten verbessert werden.
Frau Kultusministerin, ich habe Ihnen gestern in der Debatte zum Haushalt schon einmal gesagt, wenn Sie dieses Argument selbst ernst nehmen, dann müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie nicht durch die flexible Eingangsstufe den Kindern schon am Schulanfang die Chance geben, ihre schulische Ausbildung zu verkürzen.
Lernzeit kann ebenso wie der Unterricht individuell und flexibel gestaltet werden. Das gilt für den Schuleintritt und auch für die Ausgangsphase in der Oberstufe.
Auch eine weit reichende Flexibilisierung der Oberstufe führt zur Schulzeitverkürzung, ohne sie für alle verbindlich zu machen. Deswegen soll es einen individuellen Weg zum Abitur nach zwölf Jahren geben,
es muss aber auch die Möglichkeit bestehen bleiben, dass Kinder 13 Schuljahre zum Abitur haben, ohne ständig unter Druck und Versagensängste zu geraten.
Das System muss sich den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen anpassen, nicht umgekehrt. Schnell lernende Kinder sollen auch schneller voranschreiten können, langsam lernende Kinder sollen sich mehr Zeit lassen können.