Wahlkampf machen wir woanders. Aber es ist Tatsache, dass eine Regierung den Mut hat, keinen Satz zu unterschlagen, jeden wieder aufzunehmen, die zu nennen, die sie ihrer Meinung nach erfüllt hat, die zu nennen, die sie nicht erfüllt hat. Dann können Sie darüber streiten. Sie können sagen: Das ist die falsche Farbe, das ist die falsche Bilanz. – Das ist alles Wahlkampf. Aber die Grundlage schaffen wir. Und diese Landesregierung legt eine sauberere und klarere Bilanz als jede andere Landesregierung in Deutschland vor.Das ist einer der Maßstäbe,die wir geschaffen haben.
Meine Damen und Herren, diese Regierung ist eine Regierung, die über all die Jahre Wert darauf gelegt hat, dass die Dinge dann gemacht werden, wenn sie notwendig sind, und nicht jeden Tag aus dem Opportunismus eines Moments heraus geglaubt hat: wie der Wind dreht – so herum oder so herum.
Was haben Sie sich in Gießen und in Marburg alles erhofft, als wir vor zweieinhalb oder drei Jahren hingegangen sind und ich gesagt habe, wir machen eine komplizierte Privatisierung der Universitätsklinik, um zwei Universitätskliniken in Mittelhessen zu retten? Das hat Hans Eichel unter dem Gesichtspunkt der Zusammenlegung schon vor den Landtagswahlen in den Neunzigerjahren machen wollen, aber darauf geschrieben: Damit verlieren wir die Wahl, und deshalb trauen wir uns nicht, in Gießen an der Universitätsklinik und in Marburg etwas zu machen.
Wir haben es gemacht, und Sie haben gehofft: Toll, jetzt werden wir die Wahlsiege feiern. – Schauen Sie sich einmal an, was anschließend passiert ist. Wir haben den Mut gehabt, den Bürgerinnen und Bürgern vorher zu sagen, was passiert. Wir haben die Studiengebühr nicht irgendwann später angelegt, sondern so, dass Studenten heute schon sehen können, was aus diesen Geldern in der Universität wird. Wir führen die Debatte über G 8 nicht irgendwann nach einer Wahl, sondern wir wissen, dass die Umstellung schwierig ist. Aber wir haben den Mut, den Menschen zu sagen: Wenn wir es nicht täten, wären wir das 14. Bundesland, das es nicht getan hat;
das bedeutet, wenn Sie umziehen, können Sie in kein anderes Bundesland mehr ziehen, ohne dass Ihre Kinder ein Jahr verlieren. – Wir machen die Dinge dann, wenn sie notwendig sind. Wir stehen dazu. Und das ist eine Realität.
Sie wissen ja, dass ich mich auch auf den Wahlkampf freue. Das brauchen wir nicht zu beschneiden. Aber ich freue mich durchaus, wenn ich mit Leuten diskutiere, wie sich Menschen ein neues Programm etwa im Bereich der Windkraft vornehmen. Da geht es mir gar nicht darum, ob Sie Windräder schön finden oder nicht.Aber was ich nicht
mag, ist, dass eine Partei hergeht und den Bürgerinnen und Bürgern sagt: Wir schalten die ganze konventionelle Energieversorgung eines modernen Industriestaates ab, und wir bauen überall Windräder hin.
Dann laufe ich durch das Land und sehe den Landrat Schnur im Odenwald. Dann laufe ich durch das Land und sehe den Landrat vom Werra-Meißner. Dann sehe ich das Schattenkabinett mit meiner verehrten Landtagskollegin vom Rhein-Main-Gebiet. Alle sagen mir: Windenergie ist eine tolle Sache,
aber in unserem Gebiet hätten wir nicht den Mut, das durchzusetzen. – Mit einer solchen Politik kann ich nichts anfangen.
Ich will auch in den nächsten Jahren in diesem Land für eine Politik stehen, die darauf Wert legt, dass wir unsere Chancen als ein Land der Mitte wahrnehmen. „Als ein Land der Mitte wahrnehmen“ heißt, wir sind besser erreichbar als andere. Wenn wir es schaffen, ist das alles nicht selbstverständlich: unser Reichtum, unser Wohlstand, die Tatsache, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer in Hessen pro Stunde mehr verdient als in jedem anderen Bundesland,
die Tatsache,dass von 1.000 Menschen,die in diesem Land leben, mehr als in jedem anderen westdeutschen Bundesland die Chance einer Beschäftigung haben,
die Tatsache, dass wir der Mittelpunkt von Entscheidungen sind, dass uns internationale Unternehmen mehr und mehr als den Platz in Europa ansehen, von dem aus man strategisch am besten die anderen Regionen Europas erreichen kann. Ich habe eine Regierungsverantwortung im Jahre 1999 nach neun Jahren übernommen, in denen man alles getan hat, um zu verhindern, dass Hessen seine Chance in der Mitte Deutschlands und Europas nutzt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen in der Mitte Deutschlands ein Land brauchen, in dem Bildung, Ausbildung, Forschung und Innovation zusammengehören.Wir haben damals ein Land übernommen, in dem Sie Bildung und Forschung zu einem Steinbruch gemacht haben,
indem Sie mit abstrusen Rechnungen dort die Haushalte geplündert haben, ein Land, dem Sie ein Jahrzehnt Chancen genommen haben, worunter wir bis heute leiden. Wäre die Regierung in den Neunzigerjahren nicht so mit den Hochschulen umgegangen, wären wir bei Exzellenzclustern und anderem genauso gut wie die Bayern und Baden-Württemberger.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Einen Kultusminister Wagner und Finanzminister Kanther!)
In sieben oder acht Jahren sind wir da. Aber es war Ihr Versagen. Deshalb diese Dimension, die dort erreicht worden ist, die wir jetzt haben, die diese Vision für 2015 rechtfertigt. Herr Al-Wazir, ich nehme nichts davon zurück.
Ja, wir sind ein gutes Stück auf dem Weg vorangekommen. Das trifft sogar auf die Probleme der Bildungspolitik zu, an denen Sie glauben, sich weiden zu können. Ich sage Ihnen, sie sind ein Schritt auf dem Weg zum Bildungsland Nummer eins in Deutschland.
Wir haben nicht die Absicht, mitten in einem schwierigen Veränderungsprozess irgendetwas davon zurückzunehmen.Deshalb wird am Ende einer Richtungsentscheidung neben unserer Vision, neben der Kraft und neben den Selbstbestätigungszwischenrufen, die Sie hier machen, eine ganz schlichte Frage für Sie übrig bleiben.
Herr Al-Wazir und Herr Schmitt, wenn Sie hier sagen, Sie seien kurz davor, die Mehrheit zu bekommen, entgegne ich Ihnen: Lesen Sie die Zahlen.
Lesen Sie die Zahlen, wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass Sie kurz vor der Mehrheit sind. Bei der letzten Umfrage sind Sie auf 30 % gekommen. Das sind immerhin 0,3 % mehr als vor fünf Jahren – sehr beachtlich.Wenn Sie sagen, Sie seien kurz davor, die Mehrheit zu bekommen, weise ich Sie darauf hin: SPD und GRÜNE zusammen erreichen nach dieser Umfrage 41 %. Die Christdemokraten und die Liberalen haben zusammen 50 %.
Sie wissen genau, dass Sie, wenn Sie die Mehrheit haben wollen und wenn Andrea Ypsilanti Ministerpräsidentin werden soll, die Stimmen der Kommunisten mit einkalkulieren müssen. Sonst hat Andrea Ypsilanti keine Chance.
Ich prophezeie Ihnen: Sie werden im Januar von Tag zu Tag häufiger gefragt werden, woher Sie Ihre Regierungsmehrheit bekommen wollen. Als Sozialdemokraten sind Sie Lichtjahre von uns Christdemokraten entfernt. FDP und GRÜNE werden nahe beieinander liegen und sich eine Schlacht um die Stimmen liefern.
Sie werden die Mehrheit nur bekommen, wenn Sie die Stimmen derer einkalkulieren, die Sie, Herr Schmitt, offenbar seit langer Zeit ins Auge gefasst haben.Warum hat Ihr Parteitag gegen den Willen der Basis eine Kandidatin gewählt, nur weil sie linker ist? Warum haben Sie ein
Sie machen es nicht, um am Ende mich als Ministerpräsidenten zu wählen, sondern Sie machen das, um im Zweifelsfall Andrea Ypsilanti auch mithilfe der Linkspartei und der Kommunisten zur Ministerpräsidentin zu wählen. Das ist Ihr Recht.Aber die Wähler müssen es wissen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das stimmt noch nicht einmal vom zeitlichen Ablauf her! – Weitere Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)
Herr Kollege Schmitt, aus meiner Sicht ist es an der Zeit, dass Wahlkampf ist. Es ist gut, dass jetzt Wahlkampf ist. Danach sehen wir uns wieder.
Ich bedanke mich, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, das hier auszudrücken. – Vielen herzlichen Dank.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die GRÜNEN ziehen ihn zurück! – Norbert Schmitt (SPD): Das war eine schöne Verabschiedung!)