Wir brauchen nach meiner Ansicht – das ist das, was ich aus diesen Erfahrungen mitgenommen habe – die Option vor Ort. Wir müssen, wie ein dortiger Arbeitgeberpräsident in Dänemark gesagt hat, von einer reinen Geldbürokratie der Arbeitsverwaltung zu einer lokalen Vermittlungssituation herunterkommen, in der den Menschen wirklich Arbeit angeboten wird, die sie annehmen können.
Meine Damen und Herren, das Zweite, was ich sagen will, ist mir schon vor zwölf Jahren bewusst geworden, als ich mit Alfred Schmidt, dem damaligen Wirtschaftsminister, einen Kongress zum Thema Teilzeit gemacht habe. Damals hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund, Landesverband Hessen, gegen jede Art von Teilzeitarbeit gewandt. Als wir behauptet haben, dass eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen dringend notwendig sei,hat ein Teil des konservativen Lagers gesagt: Nein, die Kinderbetreuung muss in der Familie stattfinden.
Es hat sich etwas bewegt in Deutschland – aber viel zu langsam. Die Ergebnisse in den beiden Ländern sind, dass eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen ein großer ökonomischer, aber auch gesellschaftlicher Schub ist. Diese ist aber nur möglich mit einer großen Zahl von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, von Krippen bis hin zu Ganztagsangeboten.
Diese Flexibilität in der Mentalität, in den Betreuungsund Hilfssituationen schafft mehr qualifizierte Arbeit. Meine Damen und Herren, es stärkt auch die Kompetenz der Kommunen, die nicht nur als Verwalter von Müllgebühren tätig werden, sondern auch Familien Leistungen zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass das alles nur kleine Ansätze sind. Ich will aufgreifen, was Florian Rentsch hier schon gesagt hat. Einen wirklichen Wechsel in Deutschland werden wir nur dann bekommen, wenn wir ähnliche Systeme schaffen, wie sie die Niederländer und Dänen vor 15 Jahren installiert haben: ein völlig anderes Steuersystem, in dem jeder selbst entscheiden kann, ob er eine höhere, bessere Bildung hat,
Nächster Punkt.Alle Sozialsysteme in Dänemark und den Niederlanden, die Rente, das Gesundheitssystem, die Pflegeversicherung und Teile der Arbeitsversicherung, gehen auf die drei Säulen zurück, die die FDP für richtig hält: Grundversorgung plus Eigenversorgung plus betriebliche Beteiligung. – Meine Damen und Herren, hätte Deutschland dies vor 15 Jahren gemacht, dann hätten wir nicht eine so hohe Arbeitslosigkeit.
Der letzte Punkt ist in diesen Tagen so unglaublich aktuell geworden. Meine Damen und Herren, es ist eine Schande, dass wir nicht endlich ein geordnetes Zuwanderungsgesetz verabschieden.Auch das ist einer der Gründe.
Meine Damen und Herren, das gilt aber für alle Seiten dieses Hauses. Wir müssen endlich begreifen, dass Zuwanderung in Arbeitsplätze und nicht in Sozialhilfe geschehen muss.
Da klatschen die wieder nicht.– Das ist doch der Knackpunkt. Ich bin der Meinung, es wird Zeit, dass wir das nicht um der kleinkarierten Kleinmütigkeit willen verspielen. Es muss endlich den Ruck geben, den Herr Herzog eingefordert hat. Wir müssen endlich mit dem Optionsmodell weiterkommen, das nur eine kleine Facette des großen Systems ist. Arbeit schafft man nicht durch kleinkarierte Kleinmütigkeit und durch Keilerei, sondern vielleicht endlich in einigen Bereichen auch im Konsens, der in diesem Fall z. B. durch die Zusammenführung der Arbeitsverwaltung und der Sozialhilfe möglich wäre.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wagner, ich muss schon fragen, wer eigentlich 16 Jahre lang mit der Regierung Kohl regiert hat.
Ich kann mich daran erinnern, dass die FDP irgendwie auch dabei war. Die Rekordhöhe bei der Arbeitslosigkeit gab es unter Herrn Kohl: 4,8 Millionen Menschen. – Was wahr ist, muss wahr bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Großer Gott! – Frank Gotthardt (CDU): Letztes Jahrtausend!)
Wer hat denn die großen Reformen, die hier vollmundig angefordert werden, nicht angepackt? Das war Ihre Bundesregierung.
Aber ich will zu Hessen sprechen.Wir sind hier im Hessischen Landtag. Ich möchte hier ein paar unangenehme Wahrheiten für Hessen sagen.
Im Bundesdurchschnitt ist die Arbeitslosigkeit um 0,6 % gesunken. In Hessen ist sie im gleichen Zeitraum um 6 % gestiegen. Das sind die Rahmenbedingungen in Hessen.
Die Arbeitsmarktmittel in Hessen sind zurückgefahren worden. Es wurde vollmundig von einem Kombilohnmodell gesprochen. Ich glaube, dabei sind nicht einmal 100 Menschen in ganz Hessen erfasst worden.
Angesichts der großen Ausbildungsplatznot junger Menschen hat die Landesregierung vollmundig ein Praktikumsplatzprojekt angekündigt, durch das 1.000 junge Menschen eine Chance bekommen sollten. Es sind nur 137 geworden.
Meine Damen und Herren, wir haben in Hessen die rote Laterne bei der Betreuung der unter dreijährigen Kinder.
Wir erleben, dass die Mittel der Bundesregierung für den Ausbau der Ganztagsschulen blockiert werden. Diese Landesregierung wiederholt ständig Plattitüden, die selbstverständlich sind, wie „Fördern und Fordern“.
Ihr Antrag enthält die Lobhudelei, dass das Ihre Idee gewesen sei. Mein Gott, es steht bereits seit Jahren in den Arbeitsmarktgesetzen und im Sozialhilfegesetz. „Fördern und Fordern“ oder „Mehr Arbeit, mehr Geld“: Sie haben immer so nette, klare Titel. – Tatsache ist, dass in Hessen nichts passiert. Das ist das Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Michael Boddenberg (CDU): Sie haben doch auf Ihren Parteitagen gestritten wie die Kesselflicker! Sie kriegen Ihre Truppe doch nicht beisammen!)
Da wir in dieser Woche zum Thema Hartz IV einen weiteren Punkt auf der Agenda haben, möchte ich nur noch Folgendes festhalten. Der Bundesfinanzminister und das Bundeskabinett haben zugesagt – da kann man jetzt noch so viele Nebelkerzen werfen und für Verunsicherung sorgen –, dass die Entlastung in Höhe von 2,5 Milliarden c bei den Kommunen landen wird.
Punkt zwei. Wahr ist auch, dass 1,5 Milliarden c an Bundesmitteln für die Kleinkinderbetreuung gegeben werden. Ich hätte mir gewünscht, dass sich diese Landesregierung – die offensichtlich nicht mehr regierungsfähig ist, sonst wäre vielleicht noch irgendjemand im Saal –
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Machen Sie so weiter! Sie sind die beste Wahlwerbung für die CDU)
Weiterer Punkt. Frau Kollegin Wagner hat zu Recht angesprochen, was alles zu einer kommunalen Arbeitsvermitt
lung gehört. Darüber können wir überhaupt nicht streiten. Dazu gehört unter anderem eine Suchtberatung.Was hat diese Landesregierung gemacht?
Das ist auch Wisconsin. Das ist in Hessen jetzt gestrichen worden. Jugendberatung, Ausländerberatung, Drogenberatung – alles auf null gesetzt.
(Florian Rentsch (FDP), mit dem Handy auf die Rednerin deutend: Kann man den Sender verstellen? Das muss kaputt sein!)
Insofern kann man nur sagen, Sie sind immer auf dem Weg in die gleiche Richtung, nämlich zack nach hinten.
Da ich mit meiner Zwischenfrage nicht durchgedrungen bin, hätte ich gerne noch ein paar konkrete Fragen an die Landesregierung gestellt. Erstens. Wird sie das, was im Vermittlungsausschuss vereinbart worden ist,nämlich den Haushaltsansatz für Wohngeld, der in Hessen einen ganz schönen Batzen ausmacht, 1 : 1 an die Kommunen weitergeben, oder wird sie sich dieses Geld schönrechnen? Wir aus dem Haushaltsausschuss haben Anlass, dies zu befürchten.