Protokoll der Sitzung vom 13.06.2004

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diejenigen, die in unserem Land tätig sind, haben einen Anspruch darauf, im Alter, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, eine Absicherung zu erfahren. Das System der Umlagefinanzierung, das wir in der Alterssicherung haben, ist ein System, das darauf Rücksicht nimmt, dass diejenigen,die im aktiven Erwerbsleben stehen,einen Teil ihres wirtschaftlichen Erfolges haben, weil es eine Generation vor ihnen gab, die die Grundlagen dafür geschaffen hat. Deswegen ist diese soziale Struktur der Altersversicherung außerordentlich wichtig. Es ist auch wichtig, dass die Menschen darauf vertrauen können.

Um dies in Anbetracht unserer demographischen Veränderung sicherzustellen, war es notwendig, einen demographischen Faktor einzuführen, der diese Veränderung berücksichtigt. Genau dies hat die Regierung Kohl getan. Es ist sehr bedauerlich, dass die rot-grüne Bundesregierung nach Regierungsübernahme im Jahre 1998 diesen demographischen Faktor wieder abgeschafft hat und damit die Renten unsicherer geworden sind.

(Beifall des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Hinzu kommt, dass die Schwankungsreserve der Rente, die früher zwei Monate betrug, mittlerweile auf 0,5 Monate reduziert worden ist. Das sind alles Maßnahmen, die nicht dazu beitragen, das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken, dass die Renten sicher sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben die Situation, dass es durch jahrzehntelange geringere Kinderzahlen die demographische Belastung in der Rentenversicherung gibt, da diese umlagefinanziert ist. Wir haben aber auch das Problem, dass bei uns die Ausbildungszeiten zu lang sind.Der Anteil derjenigen,die länger in die Schule gehen, ist in den letzten Jahrzehnten größer geworden. Das heißt, der Anteil derjenigen, die 13 oder 10 Jahre eine Schule besuchen, ist zunehmend höher geworden im Vergleich zu denjenigen, die 9 Jahre eine Schule besuchen. Das ist durchaus gewünscht.Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land besser ausgebildet sind. Das hat aber die Auswirkung, dass diejenigen später ins Berufsleben kommen und deswegen später Beitragszahler werden.

Nach der Schulzeit kommt noch die Wehrdienstzeit oder die Zivildienstzeit. Hinzu kommt, dass die Studiendauer

in Deutschland im internationalen Wettbewerb viel zu lang ist. Ich darf bei diesen beiden Punkten erwähnen, dass die Hessische Landesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion genau das Richtige getan hat. Zum einen ist die Verkürzung der Schulzeiten von 13 auf 12 Jahre auch unter diesem Gesichtspunkt richtig und notwendig. Zum anderen sind Langzeitstudiengebühren eingeführt worden,die einen Beitrag dazu leisten sollen,dass die Studienzeiten kürzer werden. Das war eine richtige und notwendige Maßnahme. Das heißt, wir müssen die Ausbildungszeiten insgesamt verkürzen, damit diejenigen, die im Beruf arbeiten können, es früher tun können, als sie es zurzeit tun.

(Beifall des Abg. Rudi Haselbach (CDU) – FrankPeter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir schaffen den Wehrdienst ab!)

Zweitens. Bei der Frühverrentung müssen wir Veränderungen durchführen. Denn wir haben momentan die Situation, dass zu viele schon mit 58, 59 oder 60 Jahren verrentet werden. Auch das wird in Anbetracht unserer demographischen Entwicklung in Zukunft so leider nicht mehr möglich sein.

(Beifall des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU)

Auch hier wird es erforderlich sein, Änderungen durchzuführen. Das heißt, man wird z. B. für den Fall des Eintritts in das Rentenalter, wenn der volle Rentenbetrag ausbezahlt werden soll,entweder eine Mindestlebensarbeitszeit von 45 Jahren festlegen müssen oder dies vom Lebensalter in Verbindung mit der Lebensarbeitszeit abhängig machen müssen, also beide Komponenten berücksichtigen müssen. Das ist das eine.

Zweitens. Trotz all dieser notwendigen Maßnahmen, die wir umsetzen müssen, wird neben dem System der Umlagefinanzierung in zunehmendem Umfang ein System der kapitalgedeckten Altersversorgung notwendig. Dies hat auch die rot-grüne Regierung erkannt. Wie so oft gibt es dort aber eine große Diskrepanz zwischen dem, was erkannt wird, und dem, was umgesetzt wird.

(Beifall des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Das Ganze lief unter dem Namen Riester. Auch hier hat Herr Schröder wieder einmal nur halbe Sachen gemacht. Er hat zwar Herrn Riester entlassen, aber sein vermurkstes Rentensystem ist leider nicht abgeschafft worden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man ein kapitalgestütztes Alterssicherungssystem aufbaut – dies ist unbedingt notwendig –, dann müssen dies die Menschen auch annehmen. Das bedeutet als Erstes, dass es einfach sein muss, dass es klar und übersichtlich für diejenigen sein muss, die es in Anspruch nehmen sollen.Außerdem muss es eine große Wahlfreiheit lassen. Es ist z. B. ein Unding, dass es in der kapitalgedeckten Altersversorgung nicht möglich ist, dass jemand eine gleiche Förderung erhält, der sich dazu entscheidet, Wohneigentum zu erwerben,und damit,wie alle Untersuchungen zeigen, den bedeutendsten Aspekt unter dem Gesichtspunkt der Alterssicherung erlangen kann. Dies wird nicht gefördert. Die Förderung gilt aber für eine Vielzahl von sehr komplizierten Systemen. Dieses verunglückte RiesterSystem muss beseitigt werden und durch eine vernünftige private kapitalgedeckte Zusatzversorgung, die staatlicherseits gefördert wird, ersetzt werden.

Des Weiteren halte ich es für gut – da widerspreche ich ausdrücklich Herrn Dr. Spies –, dass es schon Bereiche in

unserer Gesellschaft gibt, die mit kapitalgedeckter Altersversorgung arbeiten. Die ständischen Versorgungswerke sind hier außerordentlich wichtig und wertvoll.Es ist eben nicht so, wie Sie das vereinfacht glauben, dass Sie ähnlich, wie Sie es bei der Krankenversicherung machen wollen, auch bei der Alterssicherung zu einer Einheitsversicherung kommen können; denn bei der Rentenversicherung haben wir im Gegensatz zur Krankenversicherung unterschiedliche Leistungsansprüche. Das heißt, während Sie bei der Krankenversicherung argumentieren, dass zur Bemessung des Beitragssatzes alle Einkünfte einbezogen werden müssen, am Ende aber die gleiche Leistung zu erbringen ist, haben wir bei der Alterssicherung einen Anspruch darauf, dass derjenige, der mehr einzahlt, nachher auch mehr bekommt.Das heißt,die Idee,alle Einkommen einzubeziehen,würde überhaupt keine Entlastung bedeuten. Denn diejenigen, die mehr einzahlen, haben dann natürlich später einen Anspruch darauf, mehr zu erhalten.

Inwieweit Sie das deckeln könnten, ist eine andere Frage. Aber dann könnten Sie es auch gleich Besteuerung nennen und könnten sagen:Wir erheben eine Steuer. – Dann aber stellt sich die Frage: Wenn wir diejenigen, die mehr leisten können, stärker besteuern wollen – was wir für richtig und notwenig erachten –, warum müssen wir dann ein zweites System einführen, bei dem wir dann auch wieder anfangen müssen, Einkünfte, Beitragssätze und Ähnliches mehr zu berechnen? Dadurch würden Sie eine immense zusätzliche Bürokratie aufbauen.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

In Anbetracht der Uhrzeit lasse ich keine Zwischenfrage mehr zu. – Es wäre also ein System, das überhaupt nicht zum Erfolg führen würde. Das Gegenteil wäre der Fall.

Wir sind der Meinung, dass die ständischen Versorgungssysteme unser gesamtes Alterssicherungssystem entlasten und zugleich bereichern.Wir meinen von daher auch, dass die Antwort, die die Landesregierung gegeben hat, richtig ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung ausdrücklich danken. Sie haben sich sehr viel Mühe gemacht. Aus dieser Antwort sollten die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Die Konsequenzen sollten aber nicht so aussehen, wie das von der SPD und den GRÜNEN hier vorgetragen wurde.

(Beifall bei der CDU)

Herr Klee hat zu Recht bemerkt, dass es sich hier um eine Punktlandung gehandelt hat.

Ich rufe Herrn Posch für die Fraktion der FDP auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Angesichts dieser Diskussion wäre ich fast geneigt, eine sozialpolitische und rentenpolitische Debatte

hier zu führen. Ich glaube aber, das ist nicht das Thema. Vielmehr geht es um die Fragen, wie die Situation bei unseren Versorgungswerken aussieht und ob sie sich als ein Baustein der sozialen Sicherungssysteme bewährt haben oder nicht.

Ich möchte zunächst einen herzlichen Dank an die Landesregierung für die Beantwortung dieser Großen Anfrage sagen. Im Grunde genommen wird in der Antwort unsere Erwartung bestätigt, die wir an diesen Teil der Alterungssicherungssysteme haben.

Herr Dr. Spies, Sie haben zu Recht auf einen Artikel der Hessischen Verfassung verwiesen, der den Auftrag formuliert,so etwas Ähnliches wie eine Bürgerversicherung einzuführen. Ich kann Ihnen dazu sagen: Das wird gerade in der Enquetekommission zur Reform der Hessischen Verfassung diskutiert. – Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass die FDP-Fraktion der Auffassung ist, dass diese Bestimmung aus der Hessischen Verfassung gestrichen werden soll, weil sie mit der Realität der sozialen Sicherungssysteme nichts zu tun hat.

(Beifall bei der FDP)

Vermutlich haben Sie die Große Anfrage gestellt, um eine Begründung dafür zu haben, warum man für die Bürgerversicherung sein muss. Ich sage Ihnen: Die Antwort liefert genau für das Gegenteil Argumente.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Die Antwort zeigt, dass es sinnvoll ist, dass es in diesem Land Versorgungswerke gibt. Über 50.000 Personen werden von diesen Versorgungswerken in sinnvoller Weise im Alter versorgt.

Heute wurde schon die Frage der Kapitaldeckung der Alterssicherung angesprochen. Das ist etwas, was wir Liberalen in der Vergangenheit immer wieder angemahnt haben, wenn es um die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme gegangen ist. Sie wissen, dass die Sozialpolitiker der FDP auf Bundes- und Landesebene immer wieder gesagt haben, dass das Umlagesystem kein in die Zukunft gerichtetes System ist.Wir brauchen da die Kapitaldeckung.

(Beifall bei der FDP)

Wer meint, den Eindruck erwecken zu können, die Kapitalmärkte könnten das nicht schaffen, dem muss man entgegenhalten, dass eine solche Position mit der Realität wenig gemein hat und dass er sich da nicht auskennt. Eine Kapitaldeckung ist möglich. Mittlerweile sind manche auf Bundesebene zu der Erkenntnis gelangt, dass die Kapitaldeckung zumindest ein Baustein sein sollte. Damit ist zumindest ein Meilenstein auf dem Weg des Erkenntnisprozesses erreicht. Nach unserer Auffassung reicht das allerdings nicht aus.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen möchte ich Folgendes noch einmal an dieser Stelle sagen: Wir haben sechs Versorgungswerke. Das letzte wurde in der letzten Legislaturperiode eingeführt.

Dass die Sozialdemokraten Versorgungswerke nicht befürworten, ist nicht neu.Wir haben die Diskussion mit Armin Clauss immer wieder darüber geführt. Er sprach sich leidenschaftlich gegen die Versorgungswerke aus.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Recht hat er gehabt!)

In der Antwort der Landesregierung kommt aber zum Ausdruck, dass die Versorgungswerke ihren Auftrag genau so erfüllen, wie wir uns das vorstellen.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte es noch einmal sagen: Die Kapitaldeckung ist das richtige Prinzip. – Die Kapitaldeckung hat dazu geführt, dass die Versorgungswerke im Gegensatz zu der gesetzlichen Rentenversicherung keiner Zuschüsse aus Steuermitteln bedürfen.Vielmehr können sie die Alterssicherung ihrer Mitglieder aus eigenen Mitteln bewerkstelligen.

Ich möchte noch einige wenige Sätze zum Schluss sagen. Wir sind immer der Auffassung gewesen, dass es die Pflicht geben muss, sich zu versichern, dass es aber keine Pflichtversicherung geben muss.

(Beifall bei der FDP)

Wir freuen uns über diese Diskussion. Sie wird mit Sicherheit im Wahlkampf des Jahres 2006 eine Rolle spielen. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden das zu einem zentralen Punkt in unserem Wahlkampf machen. Wir wollen eine Pflicht,sich zu versichern,aber keine gesetzliche Versicherung, in die jeder hineingesperrt wird. Möglicherweise wollen Sie mit einer Pflichtversicherung Ihrem Grundsatz frönen, mehr Gerechtigkeit herbeizuführen. Sie würden damit aber nicht bewirken, dass es zu mehr Gerechtigkeit kommt. Denn dieses Prinzip hat sich nicht bewährt.

Ich sage es noch einmal: Ich richte einen herzlichen Dank an die Landesregierung.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))