Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer heute behauptet, dass die Direktwahl als Instrument für die regionale Ebene die Gewähr des Fortschritts für regionale Zusammenarbeit garantiere, der ist nicht nur ziemlich dreist, sondern der ist durch 30 Jahre empirische Arbeit widerlegt.Wir sind nicht da, wo wir neu anfangen.
Das kann man bedauern. Das gehört wieder zur Frage des intellektuellen Diskurses. Man mag sogar über einzelne Personen über alle Parteigrenzen hinweg reden. Jedenfalls die beiden großen Parteien haben da ihre hinreichende Geschichte. Aber ignorieren darf man es nicht, wenn man über die Neugestaltung der Region redet.
Vor diesem Hintergrund ist die Hessische Landesregierung nicht bereit, notwendige Veränderungen erneut durch eine langjährige Modelldebatte in Zweifel zu ziehen.
Sowohl das Regionalkreismodell als auch das Stadtkreismodell, wie sie heute der Öffentlichkeit vorgestellt werden, würden ihren Sinn nur erfüllen, wenn wesentliche Finanzierungsaufgaben im Bereich der Krankenhausträgerschaft, der Schulträgerschaft, des Sozialhilfelastenausgleichs und natürlich auch der Ver- und Entsorgung, der kulturellen Arbeit und selbstverständlich des regionalen Standortmarketings auf diese Institution übergingen.
So wird es in den einzelnen Bereichen auch diskutiert. Meine sozialdemokratischen Kollegen im Main-TaunusKreis haben das noch einmal gespalten: einen Teil in den Regionalkreis und einen Teil in selbstständige Zweckverbände in GmbH-Lösungen. Das ist Regionalkreis- plus Ballungsraummodell.
Jeder muss wissen: Von den Summen der Verwaltungshaushalte der kommunalen Ebene im Rhein-Main-Gebiet würde von solchen Einrichtungen überregional zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Ausgaben kontrolliert – kontrolliert von eben jenem Parlament, mit der Sicherheit, dass der überwiegende Teil immer weit weg von den unmittelbaren örtlichen Bezügen arbeiten muss. Denn das Verbandsgebiet, wenn man es auch noch ernst nimmt, hat jedenfalls bei dem Regionalkreismodell eine Größenordnung, bei der wir an anderer Stelle nicht einmal über Länderneugliederungen diskutieren.
Die Verbände, die Zwangsverbände kontrollieren immer nur eine Aufgabe und werden sehr genau von den kommunalen Parlamenten kontrolliert. Herr Abgeordneter, sie haben nicht 30 bis 40 % des Geldes, sondern am Ende 2 bis 3 % des Geldes, und sie werden trotzdem regionale Zusammenarbeit an dieser Stelle leisten können. Das ist ein ziemlicher Unterschied.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es eben so ist, dass Modelldebatten uns schon so lange geprägt haben und dass wir immer wieder in die gleiche Situation gekommen sind, dass daraus keine Konsequenzen gezogen worden sind, dann muss klar sein: Die Landesregierung wird alle weiteren Gespräche in der Region auf der Basis des jetzt vom Staatsgerichtshof bestätigten Ballungsraumgesetzes führen. Wer über andere Modelle spricht, mag das wissenschaftlich und politisch interessiert tun. Es ist immer gut, wenn man über alles spricht. Man kann auch als Opposition entsprechende Programme schreiben.Aber Realität der hessischen Regierungspolitik wird
Damit steht fest, dass exakt diese strukturellen Voraussetzungen auch nach der Kommunalwahl des Jahres 2006 bestehen werden. Es wird keine neue Verschiebung von notwendigen Maßnahmen geben, und es wird deshalb auch kein direkt gewähltes regionales Parlament im Jahr 2006 geben. Jeder weiß dann auch, die nächste Wahlchance ist im Jahr 2011.Jeder Kommunalpolitiker in der Region und jeder Landespolitiker mag sich bitte überlegen, ob er verantworten kann, allein mit der vagen Hoffnung, dass sich einmal später, nach 2008, wieder eine andere politische Mehrheit in Hessen ergeben könnte, die notwendigen Entwicklungsschritte für die Region Rhein-Main vom Jahr 2004, wo wir jetzt sind und handeln könnten, auf frühestens das Jahr 2011 oder später zu verschieben. Niemand könnte das ernsthaft verantworten.
Alle müssen damit leben, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Parlament mit dieser Mehrheit und diese Regierung gewählt haben, um dies für eine gewisse Zeit im Voraus zu gestalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es mag sein, dass wir diese Debatte immer unter dem Gesichtspunkt führen, was man noch machen könnte. Es ist falsch, irgendjemanden in der Illusion zu lassen, weiteres Zuwarten würde ihm bessere Chancen verschaffen. Ich fordere deshalb alle auf, sich jetzt an den beginnenden Gesprächen über die Erfüllung des Ballungsraumgesetzes mit Leben zu beteiligen.
Dieser Appell hat mehrere Adressaten. Ich will deshalb ausdrücklich sagen: Ich wende mich zunächst an die Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen im Hessischen Landtag und an ihre politischen Freunde vor Ort. Ich respektiere ausdrücklich, dass Sie eine andere Organisationsvorstellung für den Raum haben. Das ist in einer politischen Debatte auch nichts Ungewöhnliches. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie für Ihren Vorschlag der beträchtlichen Anonymisierung kommunaler Entscheidungen, wie sie dem Konzept des Regionalkreises zugrunde liegt, keine Mehrheit bekommen würden. Aber es ist nicht meine Aufgabe, sondern es ist Ihre Aufgabe, dafür Werbung zu machen. Jetzt stehen Sie in der Mitverantwortung, ob die Schritte zur kommunalen Zusammenarbeit, die unter den politischen Mehrheiten, die die Bürgerinnen und Bürger Hessens geschaffen haben, möglich sind, von einer Mehrheit gewünscht werden, ob sie gemeinsam gegangen werden oder ob sie bekämpft und boykottiert werden.
Sie haben durchaus die Möglichkeit, mit uns gemeinsam über eine einheitliche Wirtschaftsförderung zu sprechen, darüber, wie man kulturelle Angebote im Rhein-MainGebiet organisiert, wie man den Regionalpark zum Laufen bringt, wie man überörtliche Freizeiteinrichtungen organisieren kann – um nur einige wichtige Beispiele zu nennen. Niemand hindert Sie daran, in einem späteren Jahrzehnt, in dem Sie sich wieder die politische Gestaltungsmehrheit erhoffen, das alles zu einem Regionalkreis zusammenzuführen.
Sie haben keinen Anlass, unter den politischen Mehrheiten in Hessen die jetzt möglichen Schritte zu torpedieren,
nur weil Sie glauben, Sie müssten in zehn Jahren ein anderes Konzept durchsetzen. Deshalb laden wir Sie ein, mit uns über die Dinge zu sprechen, die jetzt gemeinsam möglich sind.
Meine Damen und Herren, wir sagen zugleich:Wir wollen die unterschiedlichen Vorstellungen über diese Region und die Arbeit, die damit zusammenhängt, auch mit den Kommunalpolitikern diskutieren. Derjenige, der mit dem Hinweis auf unterschiedliche organisatorische Vorstellungen das Sachgespräch erschwert oder unmöglich macht, muss sehr deutlich erklären,ob es ihm wirklich um die Zukunft des Rhein-Main-Gebietes geht. Ich wende mich deshalb an die führenden Kommunalpolitiker der Region. Sie sitzen gemeinsam im Rat der Region. Sie haben dort einen gesetzlichen Auftrag. Der Rat der Region und seine einzelnen Mitglieder haben diesen Auftrag in den letzten vier Jahren missachtet.
Ich fordere Sie auf, ihrer Pflicht zu genügen. Die Pflicht besteht darin, Konzepte zu entwickeln, wie die vom Gesetzgeber vorgegebenen gemeinschaftlichen Aufgaben auch gemeinschaftlich angegangen werden können. Ich sage sehr klar und vielleicht für den einen oder anderen in der Kommunalpolitik auch sehr hart: Die nahezu albernen Rituale, dass immer der eine ablehnt, was der andere vorschlägt, und dass man mit schlafwandlerischer Sicherheit voraussagen kann, dass ein Vorschlag aus der Stadt den Widerstand aus dem Umland und dass ein Vorschlag aus dem Umland den Widerstand aus der Stadt nach sich zieht, müssen beendet werden, weil sie mit einer vernünftigen Zukunft der Region nichts zu tun haben.
Die Art der Verhandlungen des Rates der Region über die Fragen, wie die regionale Verantwortung für einen Zoo oder die regionale Verantwortung für ein großes Sportstadium, mögen aus der jeweiligen einzelfallbezogenen Betrachtung, wer wem was unterstellt oder welche Vermutungen hat, richtig sein. Aber die Unfähigkeit des Rates der Region, auf der Basis dieser Herausforderungen ein Konzept zu entwickeln, das in gegenseitigem Geben und Nehmen die Basis für gemeinsame Trägerschaften von regionalen Aufgaben sein könnte, ist nicht in Ordnung. Meine Damen und Herren, dass der Rat der Region oft nur fünf oder zehn Minuten tagt, anstatt sich in Klausur zurückzuziehen, um Lösungen für relativ banale Verwaltungsprobleme zu finden, ist inakzeptabel. Ich erlaube mir, dies auch öffentlich zu sagen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Demonstrati- ver Beifall der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg.Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin für die Diskussion, wer den Vorsitz führt und wer nach fünf Minuten gehen will und aus welcher Stadt er kommt. Das ist nicht Frankfurt, sondern das ist jemand anders. Die Person weiß auch sehr genau, wer gemeint ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schauen mit einer gewissen Bewunderung als Politiker alle zusammen auf einen europäischen Konvent für eine gemeinsame Verfassung Europas mit 25 Staaten, die es unter der Führung von Valéry Giscard d’Estaing geschafft haben,
elementarste Meinungsunterschiede nahe zusammenzuführen und dadurch einen Weg zu finden, die so sehr widerstrebenden Interessen in diesem gemeinsamen Europa in einer gemeinsamen Verfassung zu vereinen. Sie, Kollege Hahn,und ich als Mitglieder und andere erwarten in diesen Tagen von der Föderalismuskommission der Bundesrepublik Deutschland, dass 16 verfassungsrechtlich selbstständige Länder und die selbstbewussten Institutionen des Bundes zu einer gemeinsamen Aufteilung von Macht, Kompetenz und Geld kommen. Wir schauen zugleich dabei zu, dass Kommunalpolitiker einer Region, die sich tagtäglich sehen, die hinreichend die gemeinsamen Notwendigkeiten der Region kennen, ein generationsübergreifendes Spiel des Verhinderns und Boykottierens treiben, um anschließend jeweils mit dem Finger auf den anderen zu zeigen. Gerade jene verletzen die Interessen der gemeinsamen Region, die offensichtlich auf der Hand liegen. Jeder weiß, dass es unser wichtigstes Ziel ist, das Heft nicht aus den Händen zu geben, sondern selbstverantwortlich zu handeln.
Gestandene Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister, die hinzukamen, diskutieren nun seit zwei Jahren über die Frage, ob es gelingen kann, eine gemeinsame Dachgesellschaft für die bereits vorhandenen Regionalparks zu gründen, an denen wir uns als Land – nachdem wir unsere Bereitschaft erklärt haben, es zu machen – beteiligen können, ohne ein Schisma der Region zwischen der einen oder anderen Dachgesellschaft zu organisieren. Wenn ich den Rat der Region und seine Aufgabe im Gesetz sehe, dann stelle ich fest, dass dies nah an einer Amtspflichtverletzung ist. Das sage ich auch sehr deutlich.
Deshalb ist die Botschaft, die aus der Erklärung der Landesregierung hervorgeht, aber auch Konsequenz des Ballungsraumgesetzes ist: Die Zeit des Taktierens mit dem Ziel der Verhinderung von Ergebnissen ist vorbei. Das Ballungsraumgesetz ermöglicht der Landesregierung nunmehr,den Beteiligten verbindlich abzuverlangen,welche kommunale Zusammenarbeit in überschaubarer Zeit zu gestalten ist.
Ich unterrichte den Hessischen Landtag davon, dass das Kabinett ab jetzt in Stufen von den Möglichkeiten des § 6 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit im Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main Gebrauch machen wird.
Wir wollen aus Respekt vor der Selbstverwaltung auf der kommunalen Ebene niemanden überfordern. Deshalb sind wir bereit, die anstehenden Punkte nacheinander einer Diskussion zuzuführen. Aber wir lassen auch keinen Zweifel daran, welche Stufen und wann diese Stufen entwickelt werden.
Das hessische Kabinett wird noch vor der Sommerpause die Aufgabe des Standortmarketings und der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 unter Anwendung des § 6 Abs. 1 für dringlich erklären. Dieser Beschluss wird konkret beschreiben, welche Aufgaben in der Rhein-Main-Region über die kommunalen Grenzen hinaus wahrgenommen werden müssen. Wir werden dabei die vorhandenen Konzepte der Wirtschaftsinitiative Rhein-Main, der Industrie- und Handelskammern und der Vereinigung hessischer Unternehmerver
bände zu einer wichtigen Grundlage unserer Arbeit machen.Diese Institutionen wissen am ehesten,welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind, um die Region RheinMain rund um den Erdball, aber insbesondere in Europa mit der Bekanntheit und der Attraktivität zu versehen,die die Leistungskraft dieser Region erfordert.
Jeder, der, wo immer auf der Welt, über eine Ansiedlung von Produktion,Verkauf und Finanzierung auf dem europäischen Kontinent nachdenkt,muss die Attraktivität dieses zentralen strategischen Standortes Frankfurt/RheinMain kennen. Jeder, der auf der Welt und insbesondere in Europa Kontakt zu dieser Region aufnehmen will, muss zunächst eine einheitliche Adresse für diese Region kennen. Eine einheitliche Organisation muss sicherstellen, dass jeder, der Interesse an dieser Region hat, mit Interessierten aus der Region und Kompetenten in der Region zusammengebracht wird.
Jeder einzelne Platz dieser Region muss sich sicher sein können, dass jedes denkbare Angebot in der Region in einem fairen Wettbewerb Bestandteil der Präsentation des Gebiets Frankfurt und Rhein-Main auf der Welt ist.Dabei muss dann aber auch klar sein, dass sich alle, also sowohl die Stadt Frankfurt am Main als auch alle anderen kommunalen Gebietskörperschaften, verpflichten, diese einheitliche Institution zu nutzen, damit der wichtige Wirtschaftsstandort Frankfurt und Rhein-Main in Zukunft international und national so präsentiert werden kann, wie es die Menschen heute von anderen Wirtschaftsstandorten schon gewohnt sind. Bei uns gibt es einen Nachholbedarf. Mit den Vorgaben, die in dem Gesetz enthalten sind, soll das jetzt aufgeholt werden.
Mit dem Beschluss und der politischen Ankündigung der Landesregierung wird zunächst innerhalb der nächsten zwei Monate ein weiteres Konsultationsrecht der Gemeinden ausgelöst. Sollte der Rat der Region etwa einstimmig der Auffassung sein, dass die Lösung dieser Aufgabe nicht dringlich ist, kann die Region eine Verzögerung der Maßnahmen um weiter zwölf Monate erreichen. Ich gestehe aber offen, ich möchte gern sehen, ob tatsächlich eine Mehrheit des Rates der Region bereit ist, zu beschließen, dass eine Vereinheitlichung der Präsentation der Wirtschaft dieses Raums nicht dringlich sei.
2005 –, wird die Hessische Landesregierung die notwendigen Beschlüsse fassen, falls es bis dahin keine Einigung über eine freiwillige Zusammenarbeit bei der Wirtschaftsförderung gibt. Das bedingt nicht, schließt aber ausdrücklich ein, dass die Hessische Landesregierung dann das Recht hat, die Satzung eines Pflichtverbands gemäß der §§ 13 und 9 Abs. 2 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit zu erlassen.