Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die hierzu eingerichtete Personalvermittlungsstelle – oder,wie viele Mitarbeiter leider,traurigerweise,zu Recht feststellen müssen: Mobbingbörse – wird zu Recht von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als ein Instrument der Stigmatisierung und der Demotivierung angesehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich wie Herr Lennert hier hinstellt und das Gegenteil behauptet, nimmt die Welt nicht so wahr, wie sie ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Selten haben wir – ich glaube, das gilt auch für die GRÜNEN und die FDP – eine so vernichtende Reaktion von den Beschäftigten der Landesverwaltung wahrgenommen wie in den letzten Wochen. Sie haben gesagt: Wie diese Landesregierung mit uns umspringt, ist ein unglaublicher Vorgang. – Man kann mit Mitarbeiterinnen und Mitarbei

tern – das sind auch Menschen – nicht so umgehen, wie es diese Landesregierung getan hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir haben im Haushaltsausschuss nachgefragt, aber nicht die richtigen Antworten gekriegt. Nach wie vor gibt es nach unserer Auffassung für die Einführung personalbezogener Stellenvermerke im Landeshaushalt noch keine ausreichende rechtliche Grundlage.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Diese Tatsache bleibt bestehen. Aber bei dieser Landesregierung ist das wohl eher eine Petitesse.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wenn man Herrn Lennert eben zugehört hat,stellt man sich die Frage,wer eigentlich seit 1999 in Hessen regiert.Seit 1999 – zugegebenermaßen zu unserem großen Bedauern – tragen Sie die Verantwortung. Sie haben in diesen Jahren zugelassen, dass die Personalkosten stark angestiegen sind. Sie haben eine falsche Personalpolitik betrieben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das haben Sie zu verantworten. Das sind die Fakten. Das sind die Realitäten. Schauen Sie sich die Entwicklung der Quote an. Die Personalkostenquote beträgt mittlerweile fast 50 %.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Meine Damen und Herren, zu Suchan. Ich habe den Eindruck, dass der eine oder andere, der Suchan zitiert, das Papier nie gelesen hat.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zu der Geschichte kann ich Ihnen sagen, dass in der Tat 1997 Jochen Suchan als der damalige Chef der Staatskanzlei dieses Papier auf den Weg gebracht hat. Das hat nicht nur in der SPD-Fraktion „Freude“ hervorgerufen.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Das ist wahr! Das kann ich bestätigen!)

Warum? – Jochen Suchan hat etwas ganz Einfaches gemacht. Er hat hochgerechnet, was insbesondere mit den Versorgungslasten bis zum Jahr 2020 passiert, wenn wir nicht gegensteuern. Das Ergebnis ist eine absurde Vorstellung. Dafür trägt die Politik in Gänze die Verantwortung. Wir werden es mit steigenden Kosten zu tun haben, die unseren Gestaltungsspielraum weiter einschränken werden. Es ist absurd: Im Haushalt 2004 müssen wir 1,6 Milliarden c für die Zahlung von Versorgungsleistungen an Pensionsempfänger ausgeben – 1,6 Milliarden c bei einem Landeshaushalt von 21 Milliarden c.Die Tendenz ist in den nächsten Jahren steigend. Der Anteil der Personalkosten beim Land ist mit 50 % zu hoch. Das Land hat, wie fast alle Länder und der Bund, keine Vorsorge durch Rückstellungen getroffen.

Das ist der falsche Weg. Deshalb muss an dieser Stelle eine andere Politik her.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, deshalb fordern wir Sie auf, zu sagen – Sie haben erneut einen Anlauf unternommen; wir wer

den Sie beim Wort nehmen –, ob Sie mit Rückstellungen operieren, also für jeden neu eingestellten Beamten eine Versorgungsrücklage von etwa 28 % zu bilden. Wir können die Kosten für neu eingestellte Beamte nicht weiterhin der nächsten Generation aufbürden.Das ist unredlich. So kann man mit den Folgekosten nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, an der Stelle haben Sie unsere volle Unterstützung. Wir werden sehen, ob aus Ihren vollmundigen Ankündigungen wirklich eine Gesetzesinitiative wird.

Herr Kollege Lennert, es ist schon dreist, was Sie hier gesagt haben. Sie haben in den Zeiten hoher Steuereinnahmen – in den Jahren 1999 und 2000: 1,6 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen – das Geld mit vollen Händen ausgegeben.

(Beifall bei der SPD)

Nach dem 2. Februar 2003, als die Ernte des unverdienten Wahlerfolgs eingefahren war,galt das in dieser Form nicht mehr. Auf einmal haben Sie festgestellt: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und müssen jetzt sparen.

Traurig ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der hessischen Verwaltungen – damit auch die Bürger – die schmerzhaften Folgen Ihrer falschen Ausgabenpolitik ausbaden müssen. Diesen Weg kritisieren wir deutlich.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Clemens Reif (CDU))

Ach, Herr Reif, Sie sind auch noch da. Das freut mich, denn Sie sind ja von Ihren Aufgaben entbunden, was sicherlich für alle Beteiligten nicht schlecht ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Roland Koch hat am 2. September in seiner bekanntermaßen martialischen Art verkündet, dass in den nächsten Jahren knapp 10.000 Stellen gestrichen werden müssen. Was bleibt denn vier Monate nach Einrichtung der Personalvermittlungsstelle übrig? Zunächst einmal: Ihr groß angekündigtes Vorhaben, fast 10.000 Stellen zu streichen, können Sie gar nicht umsetzen, weil das in der Realität nicht durchführbar ist.

Sie haben einen Abbau von 10 % einkalkuliert. Davon entfallen 1.000 Stellen auf den Forstbereich. Sie wussten doch ganz genau, dass die Forstreform kommt. Warum schreiben Sie dann diesen konzentrierten Unsinn in die gesetzlichen Vorlagen? Zwischen September und Dezember wussten Sie bereits, dass die Forstreform kommt.

(Beifall bei der SPD)

Ich weise auf die Art und Weise hin, wie Sie gerade im Forstbereich mit den sehr qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen. Ich rede gar nicht davon, dass Sie die Hektargrößen der Forstämter drastisch erhöhen, verbunden mit einem hohen Anforderungsprofil an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich spreche auch nicht davon,dass Sie den Wald offensichtlich nur als einen Wirtschaftsfaktor betrachten. Man schlägt dort lediglich Holz, um Einnahmen zu akquirieren.

Vielmehr rede ich davon, wie Sie mit qualifizierten Waldfacharbeitern und Forstwirten umgehen. Wo sollen die denn eingesetzt werden? Trifft es zu, was Justizminister Wagner gesagt hat, nämlich dass sie in den Gefängnissen eingesetzt werden sollen? Ist das der richtige Ansatz, wie

man mit qualifizierten Mitarbeitern umgeht? Nein, so kann man in der Landesverwaltung nicht mit qualifizierten Leuten umgehen.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Wachpolizei!)

Zur Wachpolizei, genau. Man nimmt Placebopolizisten, wenn man für richtige Polizisten nicht mehr zahlen will. Das ist der falsche Ansatz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Landesregierung hat sich mit dieser Art der Personalbewirtschaftung und der Personalpolitik daher auch in ein rechtlich bedenkliches Fahrwasser manövriert. Die abschließende Überprüfung der personalwirtschaftlichen Maßnahmen im Einzelfall wird nach unserer festen Überzeugung – das sagen auch die Gewerkschaften und die Personalräte – eine Fülle von Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Es gibt nämlich viele Hinweise beispielsweise darauf, dass Mitglieder von Personalräten, Schwerbehindertenvertreter oder Frauenbeauftragte an die Personalvermittlungsstelle gemeldet wurden.

Auch sind offensichtlich viele Dienststellenleiter überfordert, wenn sie mit ihren Mitarbeitern konstruktive Gespräche führen sollen. Sie haben bekanntlich einen originellen Leitfaden herausgegeben. Aber selbst den können die Leute nicht umsetzen, weil sie nicht über die erforderlichen Führungsqualifikationen verfügen. Ich halte es für einen Skandal, wenn Abteilungsleiter in Ministerien im Vorbeigehen zu einem Mitarbeiter sagen: Herr Kollege, Sie sind an die PVS gemeldet. – Es ist unmenschlich, wie man hier mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das haben wir genauso kritisiert!)

Dann müssen Sie diese Abteilungsleiter an die PVS melden und die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Aber vielleicht sind sie ja treue Mitglieder einer bestimmten Partei, die derzeit die Verantwortung trägt. Dann sieht man das möglicherweise etwas lockerer.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sich im Intranet auf den Seiten der Landesregierung umschauen, finden Sie eine Übersicht der Stellenangebote, Stand: 12.05.2004, 10.30 Uhr, also gestern. Das können Sie objektiv nicht bestreiten.

Eben haben wir von Dr. Lennert gehört, das alles sei kein Problem, die Mitarbeiter könnten vermittelt werden. In der Tat – man höre und staune – werden in der PVS 56 Stellen angeboten. Das heißt, pro 110 an die PVS gemeldete Mitarbeiter gibt es ein Angebot.

(Norbert Schmitt (SPD): Saubere Leistung!)

Die Quote liegt also bei 1 : 110. Das kann ganz toll werden. Davon entfallen etwa 15 Stellen auf Nordhessen, 34 auf das Rhein-Main-Gebiet und sieben auf Südhessen.

Der Kollege Frömmrich hat zu Recht darauf hingewiesen, welche Mitarbeiter von diesen Meldungen an die PVS eigentlich betroffen sind. Es handelt sich überdurchschnittlich häufig um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des einfachen und des mittleren Dienstes, obwohl ihr Anteil viel geringer ist als etwa der der Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Nach wie vor trifft zu: Sie opfern Indianer, um die Häuptlinge zu retten.Auch das ist ein falscher Ansatz in der Personalpolitik.