Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Thema Nanotechnologie tun wir uns in diesem Hause groteskerweise etwas schwer, obwohl sich im Grunde alle Fraktionen darin einig sind, dass sie die Nanotechnologie fördern wollen und dass dazu eine verstärkte Zusammenarbeit sowie eine Vernetzung der Grundlagen, der Anwendungsforschung und auch der Anwendungsorientierung notwendig sind. Aber es gibt unterschiedliche Auffassungen dazu, wie das im Einzelnen geschehen soll.
Die Landesregierung hat zur Gründung eines Nanonetzwerks beigetragen, und die FDP hat sich auf ein Kompetenzzentrum versteift. Jetzt streiten wir aber nur noch um „Nanonuancen“.Wir sind uns darin einig, dass wir die Nanotechnologie fördern müssen und wollen. Wir stimmen auch in der Auffassung überein, dass das die Zukunftstechnologie ist.
Große Chancen für die Nanotechnologie sehen wir dort, wo es um Gesundheit,Informationstechnologien,Umwelt und Energietechnologien geht. Mit der Nanotechnologie, die diese und andere Bereiche revolutionieren kann, können die Wertschöpfungsketten ganzer Industriesparten verbessert werden. Dies gilt auch für neue Energiespartechnologien und technologische Verbesserungen bei den erneuerbaren Energien.
Die Nanotechnologie kann über neue Forschungsergebnisse und Produktentwicklungen zur Erschließung neuer, preiswerter Energiequellen beitragen und so z. B. dabei helfen, biotechnologische Verfahren zur Produktion von
Der Stand der Erforschung, Entwicklung und Anwendung der Nanotechnologie wurde erstmals in einer umfassenden bundesweiten Studie systematisch erfasst, die das Büro für Technikfolgenabschätzung im Auftrag des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung für den Deutschen Bundestag erstellt hat. Diese Studie wurde im Jahr 2003 vorgelegt.
Neben den umfangreichen Chancen werden hier auch die Risiken der Nanotechnologieanwendung aufgezeigt. Dabei wird auf viele noch unerforschte Auswirkungen einer unkontrollierten Freisetzung von Nanopartikeln auf die Ökosysteme und auf die Gesundheit hingewiesen.Hier ist eine umfassende wissenschaftliche Begleitung erforderlich. Außerdem werden in der Studie Empfehlungen zu der Ausrichtung der zukünftigen Forschungsförderung und zu der Notwendigkeit einer nanotechnologiespezifischen Regulierung abgegeben.
Deutschland hat,weltweit gesehen,eine starke Stellung in der Nanotechnologie. Bei den Patentanmeldungen beispielsweise liegt Deutschland hinter den USA auf Platz zwei.
Apropos Patente: Kürzlich sagte der EU-Berater für Patentfragen, Erich Hödl, in einem Interview in der „Zeit“, dass die Universitäten ihre Einnahmen durch eine konsequentere Vermarktung ihrer Patente erheblich steigern könnten:
Wenn Unternehmen dafür zahlen, dass sie Erfindungen und Ideen von Professoren nutzen, kann sich das Budget einer Hochschule um bis zu 5 % erhöhen. Vielen Wissenschaftlern fehlt hier das Bewusstsein,in ihrem Wissen ein wertvolles und damit handelbares Gut zu haben.
Beispiele aus den USA zeigen, dass die Vermarktung der Patente genauso ein Teil der Hochschulfinanzierung ist wie staatliche Zuweisungen, Forschungsgelder der Wirtschaft oder Schenkungen.
Aus all diesen Gründen fordern wir ein umfassendes Konzept mit einer planvollen Schwerpunktsetzung. Das von der Landesregierung geforderte Nanonetzwerk ist ein erster Schritt. Eigentlich kommt es aber auf eine Gesamtplanung an.
Wir wenden uns explizit nicht gegen die Einrichtung eines Innovationszentrums für Nanotechnologie in Hessen, sondern wir sprechen uns nur gegen eine Festlegung aus. Wir fordern ein mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmtes Konzept, in dem die Schwerpunkte für die wissenschaftliche Forschung in den nächsten Jahren gesetzt werden. Die Landesregierung sollte sich dabei an dem von der Bundesregierung vorgelegten Rahmenkonzept „Nanotechnologie erobert Märkte – deutsche Zukunftsoffensive für Nanotechnologie“ orientieren.
Deshalb appellieren wir an die Landesregierung, zu prüfen, ob ein Nanonetzwerk nicht zu wenig sein könnte, und endlich ein umfassendes Konzept zur Förderung der Nanotechnologie vorzulegen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie wir wissen, ist Hessen nicht nur ein Dienstleistungsstandort, sondern nach wie vor auch ein bedeutender Industrie- und Technologiestandort. Dabei sind die hessischen Unternehmen gerade in den Zukunftstechnologien,wie der Bio- und der Umwelttechnologie sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie, hervorragend aufgestellt.
Dies gilt langsam auch für die sich bereits in der Anwendung befindende Nanotechnologie,bei der es sich um eine innovative Querschnittstechnologie handelt. Die Nanotechnologie eröffnet der hessischen Wirtschaft nicht nur große Chancen, sondern stellt die Unternehmen auch vor große Herausforderungen im weltweiten Wettbewerb.
Der Begriff „Nanotechnologie“– das ist heute schon oft angesprochen worden – bezeichnet zunächst lediglich eine Größenordnung im Bereich von einem millionstel Millimetern.Das muss man sich manchmal vor Augen halten.
Vor das geistige Auge halten, habe ich gemeint. – Als Querschnittstechnologie beschäftigt sie sich in verschiedenen Anwendungsgebieten mit der Erzeugung, Erforschung und Nutzung extrem kleiner Strukturen: in der Physik, in der Chemie, in der Biologie sowie in einer Reihe von Ingenieurswissenschaften. Daraus kann man die wichtige Erkenntnis ziehen, dass es nicht eine Nanotechnologie gibt, sondern eine Vielzahl nanotechnologischer Forschungsgebiete und Anwendungen, z. B. in der Biotechnologie, in der optischen Technologie – gerade in Hessen –, im Maschinenbau, in den Materialwissenschaften und in der Oberflächentechnologie.
Aufgrund ihrer breiten Einsetzbarkeit in vielen Branchen und Bereichen werden die wirtschaftlichen Potenziale der Nanotechnologie sehr hoch eingeschätzt. Für diese Nanoprodukte wird in den nächsten zehn Jahren ein weltweiter Markt in der Größenordnung von bis zu 1.000 Milliarden c – man kann das auch in Billionen ausdrücken – prognostiziert.
Eine im Februar 2004 von meinem Haus in Verbindung mit dem Wissenschaftsministerium durchgeführte Bestandsaufnahme zu den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potenzialen dieser Technologie belegt, dass die hessische Forschung im Vergleich auf internationaler Ebene durchaus konkurrenzfähig ist und dass die wirtschaftlichen Chancen der Nanotechnologie in Hessen bedeutend sind.
Wegen dieser kaum zu überschätzenden Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft setzen wir uns für diese Technologie nachdrücklich ein. Zur Sicherung und zum Aufbau der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandards in Hessen müssen wir die vorhandenen Stärken leistungsfähiger Hochschulen und Forschungseinrichtungen fördern, sie – das wurde eben deutlich – effektiv mit den Stärken heim
ischer Unternehmen vernetzen und die sich so ergebenden Potenziale konsequent ausbauen und nutzen. Wir bleiben also nicht, wie das manchmal hier gesagt worden ist, bei einem Netzwerk der Wissenschaft stehen, sondern es gilt auch, die Wissenschaft mit der wirtschaftlichen Anwendung zu verbinden.
In einer ersten Bestandsaufnahme der hessischen Wirtschaft konnten in dieser Studie 200 Unternehmen in den Sparten Nanotechnologie, Materialtechnologie, optische Technologie und Mikrosystemtechnologie identifiziert werden.Darunter waren 33 Nanotechnologieanbieter.Ich betonte das deshalb, weil wir in der Wirtschaft zwischen Anbietern und Anwendern unterscheiden müssen. Als vorgelagerte Erstphase kommt die Forschung hinzu.
Diese Anbieter sind vorwiegend im Rhein-Main-Gebiet zuhause. Die Hessische Landesregierung wird in Abstimmung mit den Industrie- und Handelskammern in einer zweiten Stufe – die bereits gezündet ist – die wirtschaftlichen Potenziale analysieren. Dabei werden ca. 5.000 hessische Unternehmen, die in relevanten Bereichen tätig sind, befragt. Die dortigen Potenziale werden näher untersucht und transparent gemacht.Diese Studie werden wir dann vorstellen.
(Demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg.Frank Got- thardt (CDU): Sie haben „Bravo“ gerufen! Ich bitte, diese Zwischenrufe zu Protokoll zu nehmen!)
Herr Kollege Kaufmann, die hessischen Unternehmen lehnen, genauso wie die Hochschulen, ein Nanozentrum ab. Sie sagen in ihrer Stellungnahme:
Abgeleitet aus der Analyse der in Hessen vorhandenen Kompetenz sollten nunmehr die Optionen für die weitere Entwicklung eines hessenweit vernetzten Schwerpunkts „Nanonetzwerk Hessen“ erarbeitet werden. Die Idee einer lokalen Konzentration im Sinne eines Nanozentrums wird den Aktivitäten und Kompetenzen in keiner Weise gerecht.
So die Hochschulen. – Ich muss Ihnen sagen: Die Aussagen, die Sie in Ihrer Rede gemacht haben, wecken bei mir Zweifel an dem FDP-Profil. Sie sprechen mir zu viel von Planung und Zentrum, aber zu wenig von Wettbewerb. Auch darauf kommt es in diesem Zusammenhang an.
Meine Damen und Herren, das Nanonetzwerk soll insbesondere dazu dienen, die Aktivitäten in Forschung und Lehre inhaltlich abzustimmen. Die Umsetzung dieser Ziele wird durch eine gemeinsame Koordinierungsstelle unterstützt, die, wie Sie wissen, an der Universität Kassel eingerichtet ist. Das Investitionsbudget der Universität Kassel wurde durch das Wissenschaftsministerium bereits in einer Größenordnung von 1,2 Millionen c unterstützt. Davon können Sie sich vor Ort überzeugen.
Im Zusammenhang mit dem seitens einiger mittelhessischer Akteure geforderten Nanotechnologie-Zentrum haben sich Vertreter meines Hauses und ich selbst über Möglichkeiten der Nanotechnologie-Förderung in Mittelhessen kundig gemacht und viele Gespräche hierzu geführt. Wir haben mit unseren Gesprächspartner Einvernehmen darüber erzielt, dass die Überlegungen hinsichtlich der Nanotechnologie in Mittelhessen noch der Kon
kretisierung bedürfen. Die mittelhessischen Akteure wollen dazu – das haben sie zugesagt – stimmige Konzepte entwickeln und dann wieder auf uns zukommen.
(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wozu gibt es eigentlich ein Ministerium? – Michael Siebel (SPD): Studienbeauftragungsagentur!)
Am 08.07., also noch nicht einmal vor einer Woche, haben wir dann eine erste Studie vorgelegt bekommen, die wir derzeit prüfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hessische Landesregierung wird nicht ein einzelnes Innovationszentrum Nanotechnologie fördern, wie im Antrag der FDPFraktion gefordert, weil dies nach Ansicht derer, die es wissen müssen, nämlich Hochschulen und Wirtschaft, nicht ideal wäre. Aufgrund des Querschnittscharakters der Nanotechnologie über viele Bereiche unterschiedlichster Wissenschaften, die an einer Reihe hessischer Hochschulen vertreten sind, wäre ein solches Zentrum, wie Sie es wollen, nicht zielführend.Aus gutem Grunde setzen die hessischen Hochschulen deshalb auf einen Verbund. Das ist auch unsere Auffassung. Dies wird auch im Antrag der CDU-Fraktion gefordert.
Aus einer Vielzahl international konkurrenzfähiger Forschungsergebnisse in der hessischen Nanoforschung müssen vermehrt erfolgreiche Geschäftskonzepte entstehen – von der Invention zur Innovation, wie es Schumpeter schon einmal ausgedrückt hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt daher, die vorhandenen regionalen Nanotechnologie-Schwerpunkte an den hessischen Hochschulen weiter zu stärken. Zusätzlich müssen die Kontakte der Wissenschaft zu der Wirtschaft intensiviert und verstärkt vernetzt werden.Hierzu werden wir das Nanonetzwerk Hessen der hessischen Hochschulen wirtschafts- und technologiepolitisch flankieren, ergänzen und abrunden. Hierzu werden wir vorhandene Strukturen effektiv nutzen und bestehende Förderinstrumente noch gezielter auf den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft konzentrieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen hat sich bisher nach innen wie nach außen – das ist eben auch in Bezug auf die Versäumnisse der Vergangenheit deutlich geworden –
noch nicht deutlich genug als Nanotechnologie-Standort profiliert. In einem gemeinsamen Auftritt des Standorts und seiner Potenziale will ich daher zur Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds alle wirtschafts- und technologiepolitischen Aktivitäten gebündelt wissen. Aufgaben dieses Standortmarketings sind insbesondere die Herstellung von Markttransparenz, die Organisation des Informationsaustausches und der Informationsvermittlung sowie die Förderung der Netzwerkbildung.
Um es zeitlich abzukürzen, will ich Ihnen folgende Schwerpunkte nennen: informationsgerechte Technologietransferpolitik, der Aufbau einer wirtschaftsnahen Technologieinfrastruktur, die Förderung modellhafter Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Dazu werden in einer nächsten Phase bereits im Laufe des Jahres 2004 sehr konkret einzelne Punkte abgearbeitet werden.
Als ersten Punkt nenne ich das Informationsforum Hessen-Nanotec, das in diesem Herbst veranstaltet wird. Ich nenne den ersten hessischen Innovationspreis, der in diesem Jahr ausgelobt wird. Ich nenne eine umfassende Bro
schüre zu Nanotechnologie und materialbasierten Technologien. Wir werden einen Beauftragten für Nanomaterialtechnologie berufen. Das ist übrigens ein Unternehmer in Hessen – derer gibt es viele –, der die Nanotechnologie bereits anwendet. Die letzte Mission zum Mars hat ein solches Teil eines hessischen Unternehmens mitgeführt.