Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Michael Boddenberg (CDU): Dazu brauchen wir Sie aber nicht!)

Herr Boddenberg, es ist nur die spannende Frage: Hat am Ende des Jahres 2004 die Mutter, der Vater, die oder der für ihr oder sein unter drei Jahre altes Kind einen Betreuungsplatz sucht, eine bessere Situation als im Januar oder nicht? Ich kann Ihnen sagen:Es hat sich in diesem Bereich fast nichts Messbares verändert.

Deswegen sagen wir Ihnen: Glückwunsch, wenn Sie gemerkt haben, was notwendig ist. – Aber wenn man am Samstag auf dem Parteitag so einen Beschluss fasst und am Mittwoch die Gegenfinanzierungsanträge der GRÜNEN ablehnt, die genau diesen Bereich verbessern sollten, dann darf man sich nicht wundern, wenn einem das Leute als Heuchelei auslegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehen Sie, wir haben Ihnen Modelle vorgelegt, die für 6.000 neue Betreuungsplätze reichen. Sie sagen Nein und fördern stattdessen lieber Rennbahnen, bauen Weinkeller und kaufen Schlösser. Machen Sie nur weiter so. Sie werden am Ende als CDU den Preis dafür bezahlen. Das Problem ist, dass die Bürgerinnen und Bürger Hessens so lange, bis Sie diesen Preis zahlen, das weiter erdulden müssen,was Sie hier veranstalten,meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Volker Hoff (CDU): So ein Läusert!)

Ich kann mich noch gut an die hehren Worte vom Sicherheitsland Hessen erinnern, die der Innenminister im Munde führte. Das Erste, was dann passierte, war, dass Sie fast 1.000 Stellen bei der Polizei gestrichen haben. Sie ersetzen das durch freiwillige Polizeihelfer allerorten. Die Quittung ist die Steigerung der Kriminalitätsrate um 11 % in zwei Jahren. – Herr Hoff, ich glaube, dass Sie sich auch Gedanken machen müssten, ob Sie weiterhin einen Umweltminister vor sich hin dilettieren lassen, wie Wilhelm Dietzel das im Jahr 2004 unter Beweis gestellt hat. Ich erinnere an die Besetzung der Leiterstelle im Nationalpark Kellerwald. Ich erinnere – um den gestrigen Tag zu nehmen – an die Unfähigkeit, nur eine kleine Geschichte wie die Dachmarke Rhön hinzubekommen. Meine Damen und Herren, das können wir uns auf die Dauer nicht mehr leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Volker Hoff (CDU): So ein Läusert!)

Ich nenne einen wichtigen Punkt für unser Land und auch für die Zukunft unseres Landes. Ich glaube, wenn Sie sich allein das anschauen, was Ihr Ministerpräsident jetzt im Planungsrecht vorgeschlagen hat, dass wir und auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes es Ihnen nicht mehr durchgehen lassen.Wenn Sie beispielsweise im Verwaltungsverfahren aus guten Gründen, weil Sie einfach schlampig gearbeitet haben, von Gerichten und Regierungspräsidien gesagt bekommen, dass man so nicht arbeiten kann, aber gleichzeitig die Schuldigen immer irgendwo anders suchen, wird das auf die Dauer nicht funktionieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte Ihnen einen einzigen Punkt zum Planungsrecht nennen. Wenn man in einem Parlament mit Mehrheit beschließt, die Nordwestbahn zu bauen, dann kann man das einhundertmal beschließen oder verkünden, wie das der Ministerpräsident vor vier Jahren gemacht hat.

Dadurch verschwindet das Chemiewerk Ticona noch lange nicht, Herr Boddenberg.

(Zuruf von der CDU)

Das zeigt deutlich, dass es sinnvoller ist, ordentlich zu arbeiten, anstatt solche Forderungen in die Welt zu setzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir glauben auch – das soll mein letzter Punkt sein –,dass es für das Ansehen Hessens auf die Dauer nicht mehr tragbar ist,wenn die hier mit absoluter Mehrheit regierende CDU-Fraktion auf den Sachverstand von unabhängigen Fachleuten nicht mehr zu hören glaubt, sondern immer erklärt: Mehrheit ist Wahrheit. – Das ist der Sache nicht angemessen. Das ist auch der demokratischen Kultur in diesem Lande nicht angemessen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. Ich glaube – das soll mein letzter Punkt sein –, dass sich dieser Ministerpräsident und diese CDU-Fraktion irgendwann einmal erklären müssen, wie sie z. B. mit den Äußerungen ihres Kollegen Irmer umgehen,

(Zurufe von der CDU)

ob man weiter die Reihen schließt und dem Ansehen dieses Parlaments und diesem Land großen Schaden zufügt oder irgendwann einmal sagt, was auf keinen Fall mehr an Beleidigungen und Unverschämtheiten geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Das Jahr 2004 war kein gutes Jahr für Hessen.

Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Wir sind noch der Hoffnung, weil Sie bis 2008 die Mehrheit haben, dass sich auch die absolute Mehrheit der Union ihrer Verantwortung für dieses Land endlich bewusst wird und die Probleme dieses Landes löst, und nicht nur Sprechblasen von Herrn Metz weiter vorbetet. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Al-Wazir, vielen Dank. – Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Es lohnt sich nicht!)

Ich sage es noch einmal: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Frau Kollegin Wagner, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Dem Entschließungsantrag der GRÜNEN über eine Generalkritik an der Landesregierung werden wir Liberale nicht folgen. Wir haben andere Gründe, warum wir an der von der CDU mit absoluter Mehrheit geführten Regierung Kritik üben.

(Rüdiger Hermanns (CDU): Das kann doch gar nicht sein!)

Verehrter Herr Kollege, die Kritik werden Sie gleich hören. – Als „Wächterin der Mitte“ loben wir, was wir gemeinsam begonnen haben. Wir loben, was von Ihnen sinnvoll fortgesetzt wird, was aus der Zeit unserer gemeinsamen Regierungsarbeit stammt. Deshalb sage ich für die FDP: Das Jahr 2004 war kein verlorenes Jahr für das Land Hessen, wie die Mitglieder der SPD und der GRÜNEN den Bürgern weismachen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hätte aber durchaus besser sein können.

(Beifall bei der FDP)

Die Politik hätte nämlich mehr Liberalität, Solidität und freiheitliche Ansätze aufweisen können.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Sie wollten doch nicht!)

Verehrter Herr Kollege,darauf komme ich noch zu sprechen.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rhein- gau) und Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Ich will zunächst die positiven Ereignisse nennen,die es in den letzten Wochen gegeben hat.Wir haben das gerade in den letzten Tagen diskutiert.Es geht dabei um das Gesetz, mit dem der Technischen Universität Darmstadt Autonomie gewährt wird,das durch die FDP-Fraktion und die anderen Fraktionen verbessert wurde. Da waren Sie lernfähig. Da waren Sie kooperativ.

Das betrifft auch die Grundsatzentscheidung, die heute zur Weiterentwicklung der Universitätsklinika verkündet wurde. Das betrifft die Fortführung der Planung um den Bau zur Erweiterung des Frankfurter Flughafens. Das ist der Einsatz der Mitglieder der CDU und dieser Landesregierung für den Bau der ICE-Trasse in Südhessen. Lassen Sie mich das als Kulturpolitikerin sagen: Das betrifft auch die Investitionen in Höhe von Millionen Euro, die die Landesregierung für die Kunstsammlung in Kassel unter Einbeziehung des Bergparks Wilhelmshöhe und zur Unterstützung der Bewerbung der Stadt Kassel um die Kulturhauptstadt tätigen will. Das ist alles in Ordnung. Das ist prima.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Das liegt an der guten Botschafterin!)

Verehrter Herr Jung, vielleicht ist das so. Das betrifft aber nicht immer die Botschaft, die Sie meinen. In diesem Fall stimmt das also.

Ich glaube, auch die konsequente Umsetzung des Ballungsraumgesetzes ist gut, die Ministerpräsident Koch bezogen auf die kulturelle Kooperation des Rhein-MainGebietes angekündigt hat. Meiner Meinung nach ist diese Kooperation wirklich unzureichend. Die Region könnte

von dem Potenzial her,das sie hat,wesentlich mehr Stärke zeigen, als sie es im Augenblick tut.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich aber auch aus der Sicht der FDP die kritischen Punkte benennen, die es in der Bilanz der Politik der seit Frühjahr 2003 mit absoluter Mehrheit regierenden CDU gibt.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Wagner, ich dachte, Sie seien schon fertig!)

Der Stil hat sich verändert. Vertreter betroffener Gruppen dieses Landes, Vertreter von Institutionen und Mitglieder des Parlaments haben das Recht und die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass diese Regierung nicht besonders kommunikativ ist und dass sie keinen Preis für gute Kommunikation und Transparenz gegenüber dem Parlament bekommen wird. Ich habe das jetzt in freundlichem Stil gesagt.

(Beifall bei der FDP)

Im Klartext heißt das: Nicht alle Regierungsmitglieder, aber zu viele rügen bei den kleinsten kritischen Anmerkungen diejenigen,die das getan haben,in Telefonanrufen oder Pressemitteilungen. Warum machen Sie das eigentlich? Meine Damen und Herren, Sie haben doch die absolute Mehrheit. Dann brauchen Sie doch gar nicht so ängstlich zu sein. Das ist doch ein wunder Punkt. Sie erklären als direkt gewählte Abgeordnete gegenüber den Vertretern der Institutionen wie kleine ausführende Stammesfürsten, wie die Regierungspolitik aussieht. Abgeordnete zu sein heißt aber nicht, einfach nur das auszuführen, was die Regierung will.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Tarek Al-Wazir und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Abgeordneter zu sein bedeutet,Mut für eigene Initiativen zu haben. Das heißt aber nicht, irgendwelchen kommunalen Würdenträgern hinterherzulaufen.