Protokoll der Sitzung vom 25.01.2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beobachten mit Sorge die wirtschaftliche Entwicklung im wirtschaftsstarken Bundesland Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Da helfen auch keine Jubelanträge der CDU, die die Probleme, die wir in diesem Bereich im Lande Hessen haben, schönreden wollen.

(Beifall bei der SPD)

Die Entwicklung der letzten Jahre in Hessen macht vor allem eines deutlich: Die Landesregierung hat keine erkennbare Strategie, wie die vorhandenen starken Potenziale, die Hessen nach wie vor hat, im Interesse der Menschen gefördert und ausgebaut werden können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der uns vorliegende CDUAntrag macht das eigentliche Problem in Hessen deutlich. Es gibt bei dieser Landesregierung kein erkennbares Konzept. Mit unserem Antrag fordern wir den Wirtschaftsminister auf, endlich ein Konzept vorzulegen, wie das Land Hessen im Bereich der Wirtschaft endlich wieder Spitze wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, der alte rhetorische Kniff, auf Berlin zu verweisen, zeugt von eitlem Selbstbewusstsein angesichts der eigenen Leistungen.Das nimmt in Hessen kein Mensch mehr ernst.

(Zurufe von der CDU)

Auch die Wirtschaftsfachleute sind nicht so blind, wie die Verfasser des vorliegenden CDU-Antrags glauben machen wollen. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt hat bei seiner Rede zum IHK-Neujahrsempfang ein großes Lob an die rot-grüne Bundesregierung ausgesprochen.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren,der Antrag der CDU-Fraktion ist nicht mehr als eine unzusammenhängende Aufzählung von willkürlich zusammengetragenen Daten und Behauptungen. In diesem Antrag spiegelt sich Ihr politisches Handeln wider. Es ist genauso unzusammenhängend und konzeptionslos.

(Beifall bei der SPD)

Die Behauptung in dem CDU-Antrag, Hessens Wirtschaft entwickle sich „überdurchschnittlich“,spottet jeder Realität. Ich verweise auf die Konjunkturprognose 2005. Schon die Übersicht über die Veränderungen beim Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr zeigt im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, dass Hessen in früheren Jahren wesentlich besser war. Ich zitiere aus der Konjunkturprognose: „Im Vergleich zu den hohen Zuwachsraten früherer Jahre fällt die Wirtschaftsdynamik eher bescheiden aus“. Das ist das Fazit der Konjunkturprognose 2005.

Meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung und die CDU-Fraktion mit solchen Zukunftsaussichten zufrieden sind – wir sind es nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die Basis der konjunkturellen Erholung ist allerdings noch recht schmal. Getragen wird sie allein vom Export.Anders als in früheren Jahren sind die Wachstumseffekte auch in Hessen noch nicht auf die Binnennachfrage übergesprungen, was insbesondere für den privaten Verbrauch gilt.

Hier könnte die Wirtschaftspolitik eines Landes durchaus aktiv werden, denn die überall beklagte geringe Binnennachfrage und der zurückhaltende private Konsum haben unmittelbar auch mit der Zahl der Erwerbstätigen zu tun.

Das Thema hessischer Arbeitsmarkt ist aber ein trauriges Kapitel in der Bilanz dieser Regierung. Auch im Dezember 2004 lag Hessen mit einer Arbeitslosenquote von 8,2 % erst an vierter Stelle – nach Rheinland-Pfalz – in der Länderstatistik. So viel zum Thema „überdurchschnittlich“. Das ist besonders schlimm für junge Leute bis 25 Jahre, da die Jugendarbeitslosigkeit in Hessen 8,5 % beträgt.

Meine Damen und Herren, wir können nicht wegdiskutieren, dass die Arbeitslosenquote in Hessen sowohl seit Monaten als auch im Jahresdurchschnitt gestiegen ist – im Jahre 2004 zum dritten Mal in Folge. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit dem Jahre 2001 um 50.000 gestiegen. Das ist ein Zuwachs von 1,6 Prozentpunkte.Im Jahre 2004 ist – erstmals nach zwei Jahren – die Zahl der Erwerbstätigen wieder gestiegen. Trotzdem liegt Hessen hier mit 0,2 % unter dem Bundesdurchschnitt. Das nennen Sie in Ihrem Antrag „überdurchschnittlich“, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion.

Der Arbeitsmarktbericht der Bundesanstalt für Arbeit, Regionaldirektion Hessen, konstatiert seit 2001 in der hessischen Wirtschaft einen Verlust von 100.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Hier ist verstärkt der Dienstleistungsbereich betroffen. Den Mut, sich gerade in diesem Bereich antizyklisch zu verhalten,hat diese Landesregierung aber nicht. Stattdessen setzte sie noch einen drauf: Sie verschärfte durch ihre so genannte Operation – wir nennen sie „düstere Zukunft“ – den Abbau von Arbeitsplätzen im sowieso schon gebeutelten Dienstleistungssektor.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat mit ihrem Antrag die Initiative ergriffen, damit Hessen endlich in eine Phase der aktiven Gestaltung der Wirtschaftspolitik eintritt.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen ein bedarfsgerechtes und zukunftsorientiertes wirtschaftspolitisches Konzept für Hessen. Mit der jetzigen Wirtschaftspolitik ist die Landesregierung weit davon entfernt, eine langfristige Strategie für Hessens Wirtschaft erkennen zu lassen.

(Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Hessen war früher besser. Daran müssen wir uns orientieren.

(Beifall bei der SPD)

Der Landesregierung fehlt ein Leitbild, ihr fehlen wirtschaftspolitische Ziele, eine Strategie und Umsetzungsideen. Hessen muss wieder das wirtschaftsstärkste Bundesland werden, denn Hessen hat das Potenzial dazu.

(Beifall bei der SPD)

Mit unserem Antrag zeigen wir auf, wo Handlungsbedarf besteht, und benennen konkret die Aufgaben. Im Jahre 2004 hat das produzierende Gewerbe in Hessen vom Aufschwung der Weltwirtschaft profitiert und wurde mit einem Anstieg seiner Wirtschaftsleistung um 3,3 % zu einem Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Für die Zukunft brauchen wir eine ausgewogene Balance von Dienstleistungs- und Produktionssektor. In für Hessen wichtigen Branchen – chemische Industrie, Elektroindustrie, Maschinen- und Kraftfahrzeugbau – mit Exportquoten bis zu 60 % gibt es neben einigen großen eine Vielfalt kleiner und mittlerer innovativer Unternehmen, die durch ihre Ausrichtung auf nationale und internationale Märkte verschärften Wettbewerbsbedingungen unterliegen. Diese Unternehmen mit den dort vorhandenen Arbeitsplätzen brauchen dringend unsere Unterstützung. Es gibt aber in Hessen keine erkennbare Industriepolitik, die hier in irgendeiner Form aktiv ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es sind nicht nur Sozialdemokraten, die in Hessen eine aktive Wirtschaftspolitik anmahnen. Die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern hat mit ihrer Limburger Erklärung vom Juni 2004 eindringlich darauf hingewiesen, dass von der Hessischen Landesregierung ein Bekenntnis zum Industriestandort Hessen erwartet wird. Es heißt weiter – ich zitiere –:

Das Land muss seine Hausaufgaben machen. Schuldzuweisungen an die Bundespolitik oder an Rahmensetzungen der EU sind aus der Sicht der Landesregierung vielleicht verständlich, schaffen aber nicht die notwendigen positiven Perspektiven.

Auch im Vergleich mit den übrigen Bundesländern droht Hessen zunehmend an wirtschaftlicher Dynamik zu verlieren.

(Beifall bei der SPD)

Nach einer aktuellen Studie von Ernst & Young, in der 500 internationale Unternehmen befragt wurden, sind die attraktivsten Wirtschaftsstandorte der Welt China, die USA und Deutschland. Dies ist deshalb so bemerkenswert, weil insbesondere die Konservativen und die Liberalen in diesem Land den Standort Deutschland schlechtreden.

Meine Damen und Herren, mit diesem Schlechtreden geht es Ihnen in Wirklichkeit nur darum, Arbeitnehmerrechte wie Mitbestimmung, Kündigungsschutz und die Höhe von Löhnen und Gehältern infrage zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Dagegen erfährt die Bundesregierung gerade im Ausland bei Investoren hohe Anerkennung dafür, dass sie endlich Reformen anpackt und umsetzt. Ein Ausbau der wirtschaftlichen Stärken würde Hessen wieder voranbringen – mit Mittelmaß geben wir uns nicht zufrieden – und zu weiterer Aufwertung national wie international führen.

Dieses Ziel ist jedoch nur mit einer Politik erreichbar, die sämtliche Vorteile des Standortes Hessens und speziell des Rhein-Main-Gebietes aufgreift und weiterentwickelt. Dazu gehört auch die Neugestaltung dieser Region. Denn wesentlich für das Abrutschen der Wirtschaftsentwicklung in Hessen ist die Entwicklung im Rhein-Main-Gebiet.

Deshalb braucht Hessen ein Wirtschaftsförderungsinstrument, das national wie international ein präzises Standortmarketing für Hessen betreibt. Beim Standortmarketing für Hessen dürfen die vielen bestehenden regionalen Initiativen und kommunalen Wirtschaftsförderer nicht allein gelassen werden.

Meine Damen und Herren, die Errichtung der HessenAgentur ist nicht die Lösung. Denn die Trennung von Beratungsdienstleistungen und monetärer Förderung hat nichts mit kundenorientierter Wirtschaftsförderung zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Der Wirtschaftsminister muss auch noch den Beweis antreten, dass tatsächlich durch Ausnutzen angeblicher Synergieeffekte mit der Hessen-Agentur Spareffekte erzielt werden. Meine Damen und Herren, wir sind sicher, das wird ihm nicht gelingen.

In Wirklichkeit geht es bei der Gründung der HessenAgentur doch um Folgendes: Hier wird eine Marketingagentur errichtet, um die bundespolitischen Ambitionen des Ministerpräsidenten zu unterstützen.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Reinhard Kahl (SPD): Das geht aber schief!)

Meine Damen und Herren, hier wird Imagepflege betrieben,und dazu kann ich Ihnen nur eines sagen:Machen Sie eine bessere Politik für Hessen, dann haben Sie eine solche Imagepflege nicht nötig.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Mittelstand gilt als unerschöpflicher Garant für Stabilität und Zuverlässigkeit auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Er ist Entwickler und Abnehmer innovativer Produkte und Dienstleistun