Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Entschuldigen Sie bitte, es ist doch Ihre Kollegin ScheweGerigk, die dem Deutschen Bundestag in wirklich netter Naivität mitgeteilt hat, vieles würden erst die Gerichte klären.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das ist bodenlos. Was hat diese Frau für ein erbärmliches Verständnis von der Funktion des Gesetzgebers.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wenn jemand so etwas sagt, ist das die Bankrotterklärung des Gesetzgebers.

Sie riskieren mit diesem Gesetzentwurf nicht nur die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. Dieser Gesetzentwurf wird, wenn er Gesetz ist, volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.

(Norbert Schmitt (SPD): Das macht ein Laienschauspieler besser!)

Er wird ein weiterer rot-grüner Standortnachteil in unserem Land sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, kein Arbeitgeber wird sich freiwillig der Gefahr aussetzen, beinahe wegen jeder Personalmaßnahme in seinem Betrieb wegen Diskriminierung vor Gericht gezerrt zu werden. Er wird in der Folge einfach keine Arbeitsplätze mehr schaffen.Das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich weiß nicht, ob Sie die Realität nicht mitbekommen. Wir haben 4 Millionen, in Wirklichkeit sogar 6 Millionen Arbeitslose. Wir haben nur noch ein Drittel der Deutschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.Wir haben die Situation, dass wir wegen Ihrer brillanten Arbeitsmarktpolitik in den vergangenen zwei Jahren 1,1 Millionen dieser Arbeitsverhältnisse verloren haben.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir verlieren jeden Tag 1.200 Arbeitsplätze, und dann kommen Sie mit einem solchen Gesetzentwurf. Das ist unglaublich.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieser Gesetzentwurf richtet sich insbesondere gegen diejenigen, die mit ihren schmalen Schultern im besonderen Maße die Arbeitsplätze tragen, die die Ausbildungsplätze anbieten, gegen die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das ist die Realität, in der wir uns befinden.

(Norbert Schmitt (SPD): Ein bisschen engagierter könnte man das schon vortragen!)

Fakt ist – Herr Kollege Schmitt, dass Sie das nicht verstanden haben, ist für mich überhaupt kein Wunder –, dieses jämmerliche Gesetz ist ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm allerersten Ausmaßes.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach du liebe Zeit!)

Bei diesem Gesetz geht es nicht um Antidiskriminierung. Dieses Gesetz brauchen wir nicht, und deshalb werden wir es, wo wir ihm begegnen, auch durch diese Landesregierung und durch diesen Landtag, bekämpfen. – Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Ta- rek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war die Karikatur einer Volksrede!)

Vielen Dank.– Das Wort hat Herr Kollege Dr.Reuter von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer dann, wenn ein bundespolitisches Thema wie das Antidiskriminierungsgesetz Gegenstand der Debatte im Hessischen Landtag ist, gibt es eigentlich nur zwei Gründe. Entweder man hat keine landespolitischen Themen, oder man benutzt ein bundespolitisches Thema, um es zuzuspitzen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Um es gleich zu sagen: Dieser Versuch der Zuspitzung ist missglückt. Das Thema fällt Ihnen wieder auf die Füße.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Wenn sich der frisch gebackene CDU-Generalsekretär Volker Kauder bei diesem Thema derart disqualifiziert, dann zeigt dies, dass Sie eigentlich keine klaren Argumente haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu Ihrem famosen Generalsekretär und zitiere aus einer „dpa“-Meldung:

Kauder hatte am Vortag vor dem Bundesausschuss der CDU den rot-grünen Gesetzentwurf scharf kritisiert und gesagt, früher hätten die einen darauf verwiesen, es komme auf die „richtige Rasse“ an. Später in der DDR sei die „richtige Klasse“ propagiert worden, dann sei es um die richtige Hautfarbe gegangen. „Und jetzt erleben wir: Es muss einer die korrekte politische Einstellung haben.“ Wenn das nicht helfe, werde ein Antidiskriminierungsgesetz gemacht...

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Pfui! – Norbert Schmitt (SPD): Unglaublich! – Ta rek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der dritte Missgriff als Generalsekretär!)

Ich finde es eine unerträgliche Entgleisung, nämlich den Bogen von den Nürnberger Rassegesetzen zu diesem Gesetz zu spannen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Reuter, gestatten Sie Zwischenfragen?

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Was ist die Überprüfung der Weltanschauung? Was ist das?)

Ich sage dies mit allem Nachdruck am 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, wo unsäglich viele Menschen wegen dieses barbarischen Rassegesetzes ihr Leben lassen mussten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Worum geht es bei dem Gesetz? Die so genannte Antirassismusrichtlinie der EU, die so genannte arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und die EURichtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mann und Frau stehen schon seit langem zur Umsetzung in deutsches Recht an.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Mit dem in der letzten Woche in der ersten Lesung im Bundestag beratenen Entwurf ist beabsichtigt, dass Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verhindert werden sollen, wobei dieses Gesetz die Rechtsbereiche Arbeits-, Zivil-, Beamten- und Sozialrecht in einem einheitlichen Gesetz zusammenfassen will. Der CDU/FDP-Antrag sieht nun, wie sich aus Punkt 2 des Antrags ergibt, vor allem in der Umkehr der Beweislast eine Gefährdung der Privatautonomie.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr richtig!)

Aber genau diese Beweiserleichterung ist eine EU-Vorgabe, bei dem Kauf von Waren des täglichen Bedarfs ebenso für Kredite privater Versicherungen, für den Transport und die Beherbergung und die Vermietung öffentlich angebotenen Wohnraums.

(Reinhard Kahl (SPD): So ist das!)

Der Gesetzentwurf will den Einzelnen vor Benachteiligungen schützen, die an Eigenschaften oder Lebensformen anknüpfen. Während im Verhältnis zwischen Staat und Bürger der Schutz vor Benachteiligungen unmittelbar aus dem Grundgesetz ableitbar ist, so ist man sich einig, dass im Privatrecht die Wertentscheidung unserer Verfassung nur mittelbar über die Generalklausel zur Anwendung gelangt. Nun werden, wenn das Gesetz verabschiedet sein wird, die Diskriminierungsverbote ausformuliert und damit für jeden sichtbar Eingang in unser Privatrecht finden, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der CDU-Antrag beklagt, dass der Entwurf über die EUVorgaben hinausgeht.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Dem ist so. Konkret angesprochen, bedeutet dies: Sie von der CDU und der FDP wollen nicht, dass Menschen wegen der Merkmale Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und Geschlecht vor Diskriminierung im Privatrecht geschützt werden.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Genau diese Menschen hat der Gesetzentwurf aber in seinen Schutzbereich einbezogen.