Wir meinen, wenn das Land dies verordnet, so gilt das Konnexitätsprinzip: Dann müsste es auch die finanziellen Mittel dafür bereitstellen. Mittel aus dem IZBB-Programm sollten hierfür nicht in Anspruch genommen werden.
Leider muss ich zum Schluss kommen. Wie man sieht, ist Hessen, was den Ausbau von Ganztagsangeboten anbetrifft, sicherlich kein leuchtendes Vorbild für andere Bundesländer in Deutschland. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist heute eine spannende Zusammenstellung der Anträge. Fördern und Fordern ist das Kerngeschäft der Schule und des Unterrichts. Der gute Unterricht, der an hessischen Schulen gegeben wird, wird durch Betreuungsangebote abgerundet, durch Ganztagsangebote und Projekte in diesem Bereich. Qualität und verantwortungsbewusster Ressourceneinsatz verlangen ebenso eine verantwortungsbewusste Schulentwicklungsplanung. Qualität als ein gesichertes Ergebnis schulischen Förderns und Fordern muss extern überprüft werden. – Das ist meine Zusammenfügung der vier Anträge und Themenbereiche, die wir heute in verbundener Debatte auf dem Tisch liegen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was im Antrag über das so genannte Schulversagen geäußert wird, ist meines Erachtens himmelweit weg von der schulischen Realität und davon, wie wir Fördern und Fordern zu verstehen haben.
Es ist schon gesagt worden, dass auch das Fördern und Fordern sowie die Einschätzung der Leistungen etwas damit zu tun haben, wie Eltern – Väter und Mütter – ihre Kinder beraten und an Schulen anmelden. Auch dies ist ein Thema, das wir berücksichtigen müssen. Aber bitte lassen Sie uns das auch seriös diskutieren, damit wir nicht die Bildungseinrichtungen quasi noch beschimpfen – nicht nur die Schülerinnen und Schüler,die sitzen bleiben, sondern auch die Bildungseinrichtungen in Hessen, die davon Gebrauch machen und in dem Falle, dass Schülerinnen und Schüler dieser Jahrgangsstufe nicht mehr ausreichend gefördert werden können, immer mehr Lücken
aufreißen, als tatsächlich welche zu füllen und Fundamente zu bilden. Wir dürfen diesen Bildungseinrichtungen nicht vorwerfen, dass sie verantwortungslos handeln. Es ist verantwortungslos, ihnen das vorzuwerfen.
Meine Damen und Herren, wer die Wirklichkeit sieht, dass die Zahl der Wiederholungen in Hessen in den letzten Jahren entgegen dem, was Sie hier am Pult vortragen, um 0,2 Prozentpunkte gesunken ist, kann keinen Grund für Ihre Kritik finden,und wer weiß,dass die Zahl der Anmeldungen an den Gymnasien gestiegen ist, kann keine Angst vor der Einführung des G-8-Zweiges haben. Meine Damen und Herren, Sie müssen gelegentlich schlicht von den Realitäten und den Entwicklungen in unserem Land Kenntnis nehmen. Die Fakten sprechen dagegen, dass Kinder und Jugendliche verantwortungslos in großer Zahl dazu gebracht werden, ein Jahr zu wiederholen.
Hier sind Kosten geschätzt worden. Nach Adam Riese kann ich das alles rechnen: Zahl der Schülerinnen und Schüler, die eine Klasse wiederholen, multipliziert mit der durchschnittlichen Stundenzahl in einem Jahr, dividiert durch eine vernünftige Klassengröße und dividiert durch die Stundenzahl der Lehrerinnen und Lehrer. Genau dies haben Sie gemacht – dabei kommt eine total mechanische Zahl heraus –, und nun glauben Sie, ausrechnen zu können, was das Sitzenbleiben das Land Hessen und jedes andere Land kostet.
Eine solche Rechnung ist aber schlicht nicht seriös; das will ich ganz klar sagen. Es ist ausgesprochen fahrlässig, solche Zahlen in die Welt zu setzen.
Ich will in diesem Zusammenhang etwas anderes deutlich machen.Wir können über die Fragen von Nichtversetzungen und Wiederholungen heute nicht sprechen, ohne dass wir über die frühe Förderung von Kindern und Jugendlichen sprechen,
ohne dass wir über den Ansatz des Bildungs- und Erziehungsplanes sprechen,ohne dass wir über den verstärkten Unterricht und erhöhte Stundenzahlen in der Grundschule sprechen, ohne dass wir über die Diagnosefähigkeit von Lehrerinnen und Lehrern sprechen, die durch Fortbildung, durch Orientierungsarbeiten und durch die Forder- und Fördermöglichkeiten innerhalb der Grundschule ausgebaut worden ist, und ohne dass wir über die Möglichkeiten einer geeigneten Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Kindern in der Absicht sprechen, sie gemäß ihren Begabungen weitestmöglich zu entfalten,damit sie aus sich das herausholen können, was sie können und wozu sie in der Lage sind.
In den Debatten hier sagen Sie immer wieder, es gebe eine Diskrepanz, und diese sei ausgerechnet hier am Pult des Hessischen Landtags zu diskutieren. Dazu kann ich nur sagen: Schauen Sie sich die letzten PISA-Ergebnisse an, und schauen Sie sich die Ausgangsbilanz an, mit der wir hier angefangen haben. Dann werden Sie feststellen, dass Hessen mit Nordrhein-Westfalen das Land ist, in dem die Diskrepanz am allergrößten war. Das kann doch nichts mit verschärften Leistungsanforderungen zu tun haben; denn es sind die Leistungsanforderungen Ihres Schulsystems, die Sie in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaut haben.
Wir wissen,dass die Leistungen gerade dort besonders gut und die Schüler und Schülerinnen dort am engsten zusammen sind, wo über viele Jahre eine sehr präzise Bildungspolitik betrieben worden ist.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch einmal das Instrument der Querversetzungen anschauen, das in hessischen Schulen äußerst verantwortungsbewusst angewendet wird. Wir müssen uns das Instrument der frühen Förderung und das Instrument der SchuB-Klassen anschauen. Mit ihnen versuchen wir nicht nur, sondern erreichen wir auch, dass Kinder und Jugendliche gefördert werden, die schon fast preisgegeben waren und die das Schulversagen schon durch Schulabstinenz vorbereitet hatten. Solche Schülerinnen und Schüler fassen wir in SchuB-Klassen zusammen, fördern sie dort und bereiten sie auf einen Abschluss vor. Alle bisherigen Erfahrungen sprechen dafür, dass wir mit solchen Maßnahmen, die es vorher nicht gegeben hat, dafür sorgen, dass die Jugendlichen zu einem Abschluss und zu einer sozialen, beruflichen und persönlichen Existenz kommen. Das ist eine wirkliche Förderung in unserem Land.
Sie belieben, gern über die Ganztagsschule zu fabulieren. Ich sage Ihnen wie Herr Kollege Weinmeister auch: Wir haben mittlerweile nicht mehr 138, sondern 336 Schulen mit ganztägigen Angeboten und obendrein 1.075 Grundschulen mit einem Betreuungsangebot. Herr Dr. Reuter, Sie können reden, was Sie wollen;
Tatsache ist aber, dass die Schulen mit einer durch Geld und Stellen ermöglichten pädagogischen Mittagsbetreuung regelmäßig an jedem Schultag ein Angebot bis 14 Uhr und manche bis 15 bzw. 15.30 Uhr schaffen, und dies als Startphase. Dies wird in den Schulen geschätzt, und die Schulen wissen, mit den Mitteln und den Stellen sehr verantwortungsbewusst umzugehen und sie in ein gutes Konzept umzusetzen.
Hessische Schulen haben auch gute Konzepte. Sie durften lange Zeit – in den sechs Jahren, in denen es keine zusätzlichen Ganztagsangebote gegeben hat – nicht zur Geltung kommen. Jetzt gibt es sie wieder, und deswegen können heute gute schulische Ganztagskonzepte verwirklicht werden.
Deswegen wachsen auch die Stränge im Bereich der Kooperation mit anderen Verbänden.Wir haben mittlerweile eine Kooperationsvereinbarung mit dem Landessportbund abgeschlossen, wir haben eine Kooperation mit den hessischen Jugendverbänden abgeschlossen, und wir werden am heutigen Nachmittag eine Kooperationsvereinbarung mit den hessischen Musikschulverbänden verabschieden, weil es den gemeinsamen Willen gibt, an den Schulen ein Angebot zu schaffen und mit Angeboten nach außerhalb zu gehen, damit Jugendlichen ein Freizeitangebot unterbreitet wird, das sie vorher nicht in gleicher Form hatten.
Bei einem, was Sie mir heute zum wiederholten Mal gesagt haben,Herr Dr.Reuter,werde ich ungeduldig,weil es nicht der Wahrheit und nicht dem Stil einer seriösen Debatte entspricht. Sie wissen sehr genau, dass ich im Ausschuss, weil ich schon eine Vermutung hatte, extra dezidiert darauf hingewiesen habe, dass sich die 5,9 % der ab
geforderten Mittel auf die Gesamtsumme von 2003 bis 2008 beziehen.Sie aber werfen permanent die Zahlen von Frau Bulmahn, die sich auf die Jahre 2003 und 2004 beziehen, und die Gesamtsumme durcheinander. Was Sie da machen, ist unwahrhaftig.
Sie wissen sehr genau, dass von den Mitteln für 2003 und 2004 100 % bewilligt sind und dass wir auch in diesem Jahr schon etliches bewilligt haben. Sie wissen sehr genau, dass die Mittel in einigen Schulträgerbereichen sehr schnell abgerufen werden und dass es Schulträger gibt,die Mittel für Bauten beantragen und bewilligt bekommen, für die noch gar kein Baurecht besteht. Solche Mittel können seriöserweise nicht abgerufen werden. Schieben Sie das bitte nicht dem Land in die Schuhe.
Auf der anderen Seite reklamieren Sie immer wieder das Thema G 8. Dazu sage ich Ihnen: Hören Sie bei den Menschen, die Sie gelegentlich als Kronzeugen aufrufen, genau hin.Dann können Sie z.B.hören,dass die Vorsitzende des Landeselternbeirats bei aller Gegenwehr gegen die Umstellung bescheinigt, dass wir in Hessen im Gegensatz zu anderen Ländern G 8 professionell und gut eingeführt haben. Ich frage mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wieso Sie hinter diese Aussage zurückgehen.
Gleiches trifft für den Bereich der IZBB-Mittel zu.Das ist freigestellt. Kein Gymnasium muss sie beantragen, und kein Schulträger muss sie beantragen. Ich stelle allerdings fest, dass sich die Schulträger, die den Mund mit ihrer Kritik am weitesten aufreißen, dagegen verwahren und die Mittel keinem einzigen Gymnasium zukommen lassen wollen. Das ist der kleine Unterschied. Aber das hat der Schulträger und nicht die Landesregierung zu verantworten, die die Möglichkeit eröffnet hat, mit dem Geld auf vielfältige Weise sinnvoll umzugehen. Dass wir unsere Pflicht selbstverständlich erfüllen und sowohl für den G8-Zweig als auch für die Ganztagsschulangebote die personelle Ausstattung sicherstellen, ist unser Job und unsere Verantwortung als Land. Genau dieser Verantwortung kommen wir in beiden Bereichen nach. Wer da Misstrauen streut, irrt sich.
Aber dann hat der Schulträger die Aufgabe, die räumlichen Voraussetzungen zu stellen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie an dieser Stelle mit Konnexität argumentieren, wo eine neue Aufgabe weder dem Grunde nach noch in der Dimension ansteht – es sind nur maximal ein bis zwei Stunden pro Jahrgangsstufe hinzugekommen –, irren Sie sich in der Tat.
(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sieht man einmal wieder, wie Sie Ganztagsschulen verstehen! – Gegenruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zu einem dritten Bereich kommen, nämlich dem regionalen Schulentwicklungsplan.Hier handelt es sich eigentlich bereits seit 1997 – deswegen verstehe ich manche Kritik von der von mir aus linken Seite des Hauses nicht; damals haben wir nachweislich noch nicht regiert – um eine Pflicht der Schulträger.
Zum einen sind die Schulträger berufen, neue Schulentwicklungspläne in regelmäßigen Zyklen – alle fünf Jahre – zu schreiben, die nicht ich erfunden habe, sondern die
schon existiert haben, und zum anderen mögen sich die Schulträgerbereiche abstimmen. Wir stellen aber immer wieder fest, dass sich Schulträgerbereiche nur sehr formal abstimmen und nicht wirklich in eine Prüfung einsteigen, und wirken deshalb darauf hin, dass das anders wird. Insofern wird nicht, wie hier behauptet wird, das Recht der Schulträger eingeschränkt, sondern die Schulträger sollten zur Pflicht gerufen werden.
Das habe ich ja verstanden; ich gebe es im Moment wieder. Aber das Recht der Schulträger zur Schulentwicklungsplanung wird nicht eingeschränkt, denn die Pflicht dazu existiert schon seit langem. Diese Pflicht wird eingefordert. In den Kreisen muss eine vernünftige, zukunftsgerichtete Schulentwicklungsplanung vorliegen.
Dazu sage ich Ihnen: Genau von dem Beispiel, das Frau Hinz genannt hat, kann man ausgehen. Sie hat gesagt, es gibt vermehrt Klassen mit 30 Schülerinnen und Schülern, und vielleicht müssen einige sogar noch eine oder einen mehr in Kauf nehmen. Wenn es das in größerem Maße gibt – dagegen spricht auch kein Faktum –, ist notwendigerweise auf der anderen Seite die gleiche Zahl kleiner oder sehr kleiner Klassen zu konstatieren, damit es zu dem Durchschnitt an den hessischen Schulen kommt, der sich in den letzten Jahren so gut wie nicht verändert hat.
Wer über große Klassen jammert, möchte uns bitte zur gleichen Zeit dafür loben, dass wir über das Instrument der Richtwerte dafür sorgen, dass die Gerechtigkeit in den Schulen wieder stärker forciert werden kann, und dass wir zu neuen Entscheidungen kommen, die zu vernünftigen Klassengrößen führen können.