Protokoll der Sitzung vom 22.09.2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Innenminister, Sie haben hier in der Debatte – ich komme zurück auf 2004 – auch aus einem Auskunftsersuchen von Evelin Schönhut-Keil an den damaligen Innenminister Gerhard Bökel zitiert. Wir haben das noch einmal nachgelesen. Herr Innenminister, wir haben festgestellt, Sie haben genau den entscheidenden Satz im Zitat weggelassen.

(Günter Rudolph (SPD):Was?)

Sie haben damals nach dem Motto zitiert: Da seht ihr einmal, das wart ihr ja schon. – Der erste Punkt ist, die Gemeinden haben bei der Einnahmebeschaffung die Grundsätze nach der Gemeindeordnung zu beachten. Dann heißt es: Soziale Erwägungen lassen jedoch eine Reduzierung dieser Entgelte in kostenrechnenden Einrichtungen zu. Sie haben weiter zitiert:

Bei der Gestaltung des Spielraums, den die Kommunen bei der Gebührenfestsetzung für solche Einrichtungen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung besitzen, muss auch die jeweilige haushaltswirtschaftliche Situation berücksichtigt werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Pass einmal auf, mein Lieber. Ihr habt euch alle auf die Schenkel geklopft und habt gesagt: Ihr regt euch zu Unrecht auf, schaut euch einmal an, der Bökel hat dasselbe gesagt. – Wir haben uns das Auskunftsersuchen einmal herausgesucht. Zwischen diesen beiden Zitaten, die der Innenminister im Landtag vorgetragen hat, steht in ein und demselben Absatz noch etwas anderes. Das hat er weggelassen. Das ist genau der Unterschied.

(Günter Rudolph (SPD):Was?)

Soziale Erwägungen lassen jedenfalls eine Reduzierung der an sich gebotenen kostendeckenden Gegenleistung zu.

Dann formuliert Gerhard Bökel in Abstimmung mit der damaligen Familienministerin, die ihren Namen noch verdient hat,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

einen weiteren Satz. Darin steht:

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wer war das, Iris Blaul?)

Beispielsweise dienen Kindertageseinrichtungen der Entwicklung der Kinder zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten. Die Charakterisierung dieser Förderung als eine Aufgabe der Bildung und Erziehung rechtfertigt bei der Finanzierung der Einrichtung ein Abweichen vom Grundsatz des Vorranges der speziellen Entgelte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Innenminister, Sie haben also 2004 unvollständig zitiert. Sie haben heute kein einziges Wort zu dem gesagt, um was es eigentlich geht. Ich sage Ihnen noch einmal: Dieser Erlass ist bei Ihnen parteipolitisch entstanden,weil Sie Bertram Hilgen den Sieg in Kassel nicht gegönnt haben. Er hat aber Auswirkung auch auf 425 andere Kommunen, was nicht in Ihrem eigenen Interesse sein kann. Wir haben keine Familienministerin mehr, die diesen Namen verdient. Deswegen sage ich zumindest denen in der CDU-Fraktion, die kommunalpolitische Verantwortung tragen: Dieser Erlass gehört in die Tonne. Er wird früher oder später auch in der Tonne landen – je früher, desto besser.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Herr Milde, Sie haben als nächster Redner für die CDU-Fraktion das Wort. Ihnen stehen sieben Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich 1991 unverhofft in das Stadtparlament in Griesheim nachrückte, stand als Erstes die Erhöhung der Kindergartengebühren auf unserer Tagesordnung. – Tarek, ich weiß nicht, ob du damals noch Betroffener warst. Es dürfte aber zumindest so ungefähr diese Zeit gewesen sein.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rhein- gau) (CDU),Norbert Schmitt (SPD) und Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich war damals ein junger Stadtverordneter und habe vehement gegen diese Gebührenerhöhung gekämpft. In dem Stadtparlament hatte die SPD die Mehrheit. Das ist leider heute noch so.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es war eine Bürgermeisterin der SPD, unter der die Gebühren angehoben wurden. Ich habe damals gegen die Gebührenerhöhung gekämpft und sogar gefragt: Warum behandeln wir Kindergartenkinder eigentlich anders als Schulkinder?

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist eine gute Frage!)

Für die einen muss gezahlt werden, für die anderen nicht. Aber eigentlich haben doch beide Institutionen einen Bildungsauftrag. Genau diese Diskussion holt uns doch heute wieder ein.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja!)

Inzwischen diskutieren wir doch alle darüber. Insofern geht es in der Tat um die Frage, wann der Übergang erfolgt, über den wir hier gemeinschaftlich diskutieren. Wann wird der Staat in der Lage sein, den Eltern das bisschen abzunehmen, was sie noch an Kindergartengebühren bezahlen?

Ich will Ihnen eines ganz klar sagen:Zwischen dem Erlass, der für Sie als Mitglieder der Opposition vielleicht missinterpretierbar ist,

(Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

und dem, was Minister Bökel damals über seinen Erlass sagte, erkenne ich überhaupt keinen Unterschied.

(Beifall des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Vielleicht sind noch ein paar Fragen offen. Aber grundsätzlich sagen beide Erlasse ganz klar aus:Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wird darüber entschieden, wo aus welchen Gründen welche Kindergartengebühren erhoben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der einzige Unterschied besteht doch darin, dass in einer Zeit, in der die Kommunen klamm sind – das sind übrigens auch Land und Bund –, sich dieser Erlass mit der Frage beschäftigt:Wie wird das eigentlich finanziert,wenn eine Kommune kein Geld hat, aber trotzdem auf das Erheben von Kindergartengebühren verzichten will?

Frau Schulz-Asche hat das angesprochen.Herr Hilgen hat genau das vorgehabt. Ich muss schon sagen: Es ist eine Sauerei, was dort geschehen ist. Dort ist ein Oberbürgermeisterkandidat mit der Aussage angetreten: Ich werde dafür sorgen, dass die Kindergärten kostenfrei besucht werden können. – Nach der Wahl guckte er sich das noch einmal an. Er hat aber auch schon vor der Wahl gewusst, wie pleite die Stadt ist.Jetzt sagt er:Das kann ich mir nicht leisten. Land, komm zur Hilfe und bezahle mir das. – Das ist genau das, was Sie gesagt haben. Sie haben gesagt: Das Land muss uns helfen, das Wahlversprechen des Herrn Hilgen zu bezahlen. – So weit sollte es kommen. Das kann nun wirklich nicht wahr sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Ich denke, das ist auch Ihr Ansatz!)

Hier tut sich doch immer wieder eine Frage auf. Ich sage das jetzt auch als ehemaliger familienpolitischer Sprecher und Vater von vier Kindern.Ich dachte,ich bin da jetzt außen vor.Aber jetzt habe ich ein Enkelkind,das bald in den Kindergarten kommt.

(Gerhard Bökel (SPD): Was, Sie haben schon ein Enkelkind?)

Ich beschäftige mich mit dieser Frage also wieder intensiver.

Es ist also zu fragen:Wie geht es da weiter? – Dazu will ich einmal sagen: Die Frage, ob wir Kinderland Nummer eins sind, hat doch wirklich nichts damit zu tun, ob Gebühren erhoben werden. Das hat doch wirklich nichts mit Geld zu tun. Das hat etwas mit den Angeboten zu tun.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das hat aber auch etwas mit Geld zu tun!)

Das Angebot muss aber auch finanziert werden. Deshalb ist es doch vernünftig, dass man Regeln aufstellt, die sich damit beschäftigen, wie man damit umgeht.

Ich will Ihnen dazu auch noch Folgendes sagen: Herr Bouffier hat in mehreren Interviews mit der Presse und auch zu anderer Gelegenheit eindeutig gesagt, dass er keine Kommune in Hessen zwingen wird, die Kindergartengebühren zu erhöhen. Das ist doch die wichtige Kernaussage, die auch in Ihre Köpfe hineingehen müsste.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich weiß nicht, ob es richtig ist, da Prioritäten festzulegen. Jedenfalls sollten wir festhalten, dass die Kindergartengebühren in den kommunalen Haushalten in der Tat eine Größenordnung ausmachen, die dazu führt, dass man sich Gedanken darüber machen muss, wie man das finanziert, wenn man auf die Gebühren verzichten will.Es kann doch nicht sein, dass es einige Kommunen gibt, die zwar kein Geld haben, aber aus rein parteitaktischen Gründen versuchen, auf die Erhebung der Kindergartengebühren zu verzichten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das dann fehlende Geld z. B. im Verwaltungshaushalt eingespart werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sich darüber Gedanken zu machen, ist der Sinn dieses Erlasses. Ich sage voraus, dass wir in den nächsten Jahren dahin kommen werden, dass eine Verbindung zwischen dem Angebot an Kinderbetreuungsplätzen und der Frage hergestellt wird:Wie schnell schafft es der Staat, diese Angebote kostenlos zur Verfügung zu stellen? Diese Diskussion wird geführt werden. Das ist überhaupt keine Frage. Das kann auch Teil eines Prozesses sein. Aber es ist vollkommen falsch, diese Frage heute an diesem Erlass festzumachen, der von Ihnen bewusst missinterpretiert wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Milde, danke schön. – Herr Bökel, Sie haben als Nächster das Wort. Ihnen stehen zwei Minuten und dreizehn Sekunden Redezeit zur Verfügung.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt kann er noch einmal sagen, was Herr Al-Wazir schon gesagt hat!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nein, das brauche ich nicht zu wiederholen.Ich hätte das nicht mehr wörtlich zitieren, sondern nur den Inhalt wiedergeben können.Aber es war in der Tat eine qualitativ andere Formulierung, mit der wir den Kommunen das damals vorgeben haben.