Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

Das bedeutet allerdings, dass wir auf die Probleme dieser mittelständischen Unternehmen Rücksicht nehmen müssen.Das war der Grund,warum wir – Herr Dr.Lübcke,Sie haben es angesprochen – einen Begleitantrag eingebracht haben und damit gebeten haben, die Richtlinien und den Erlass entsprechend den Wünschen der Omnibusunternehmen zu gestalten.

Frau Kollegin Pfaff, natürlich ist es richtig, dass sich die mittelständischen Busunternehmen gemeldet haben. Es gibt mehrere Organisationen. Sie wissen, dass ich im Ausschuss auch gesagt habe, es wäre vielleicht besser gewesen,diese Diskussion vorher aufzunehmen und den Erlass parallel zum Gesetzgebungsvorgang zu ändern. Es ist uns in der Ausschusssitzung zugesagt worden, dass dies geschieht.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Sie haben diesen Erlassentwurf den Beteiligten jetzt zur Verfügung gestellt, damit sie dazu Stellung nehmen können.Damit ist ein wichtiges Petitum der FDP erfüllt,nämlich dass parallel zu dem Gesetzgebungsvorgang den Wünschen und Bedenken der mittelständischen Busunternehmer Rechnung getragen wird.

Beides zusammen führt dazu, dass die FDP-Fraktion diesem Vorhaben der Landesregierung zustimmen kann. Herr Minister, ich glaube, wir sind mit diesem Gesetzentwurf auf einem guten Weg, im Hinblick auf die Daseinsvorsorge – es handelt sich nach wie vor um Daseinsvor

sorge – mit marktwirtschaftlichen Mechanismen dafür zu sorgen, dass der öffentliche Personennahverkehr nicht nur in der Fläche, sondern auch in den Ballungsgebieten die Aufgabe wahrnimmt, die er wahrzunehmen hat, nämlich die übrigen Verkehrsträger zu entlasten und demjenigen ein gutes Angebot zu machen, der dringend darauf angewiesen ist.

Herr Kollege Posch, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank. Ich folge dem Hinweis sofort. – Die FDPFraktion stimmt diesem Gesetzentwurf zu. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Wagner das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf eine Chance für den ÖPNV in Hessen verpasst wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, es wurde die Chance verpasst, nach dem bundesweit beispielgebenden ÖPNV-Gesetz, das wir in der Legislaturperiode ab 1995 unter rot-grüner Verantwortung auf den Weg gebracht haben, bei der Novellierung einen ebenso beispielgebenden Gesetzentwurf vorzulegen und zu verabschieden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das begründen. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist in einigen Punkten ein Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage. In der momentanen Rechtslage haben wir klare Zielbestimmungen für den ÖPNV in Hessen.Wir haben die klare Aussage,dass der ÖPNV Vorrang vor dem Individualverkehr hat. Wir haben die klare Aussage, dass der ÖPNV befähigt werden soll, einen Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme in unserem Land und zur Senkung der Schadstoffemissionen zu leisten.

All diese Zielbestimmungen hat die CDU herausgestrichen. Das wurde absichtlich gemacht. Dahinter steht eine Zielsetzung. Diese Zielsetzung sieht so aus, dass der ÖPNV in Hessen nicht mehr den Stellenwert haben soll, den er unter rot-grüner Verantwortung noch hatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Bereich gibt es also einen Rückschritt. In einem anderen Bereich ist dieser Gesetzentwurf schlicht und ergreifend nicht auf der Höhe der Zeit.Dabei geht es um die Fahrgastrechte.

Herr Kollege Lübcke,

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Hier bin ich!)

es gibt einen Unterschied. Während Sie sich im Zusammenhang mit dem ÖPNV immer nur mit den Verbün

den beschäftigen,geht es uns GRÜNEN um die Leute,für die wir den ÖPNV eigentlich organisieren, nämlich um die Fahrgäste. Wir wollen, dass die Fahrgäste gegenüber den Verbünden verlässliche Rechte haben und sich auf die Leistungen der Verbünde verlassen können. Wir wollen, dass sie,wenn einmal etwas nicht klappt,diese Rechte einfordern können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie vertreten einen etatistischen Ansatz,indem Sie nur die Verbünde betrachten, nicht aber die Menschen, um die es geht, für die wir den ÖPNV eigentlich organisieren.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das, was wir im Hinblick auf die Fahrgastrechte vorgeschlagen haben, hat mit einer Überregulierung überhaupt nichts zu tun. Wir haben vorgeschlagen, dass die Verkehrsverbünde zum Fahrplanwechsel 2006/2007 eine Kundencharta vorlegen. Das ist also ein Handlungsauftrag an die Verbünde. Wo es dort eine Überregulierung gibt,müssen Sie mir erst einmal erklären.Sie wollen keine Fahrgastrechte. Seien Sie doch so ehrlich, das hier zu sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei dem Thema Wettbewerb haben wir große Zweifel, ob das, was in der Neufassung des Erlasses vorgesehen ist, ausreicht, um tatsächlich faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und Lohndumping zu verhindern. Sie, die Sie diesen Weg so gehen, müssen das jetzt verantworten. Wir werden überprüfen, ob das ausreicht.

Unser Vorschlag wäre gewesen, in den Gesetzentwurf die Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung einzufügen und in der Verordnung die Punkte zu regeln, die man hätte regeln müssen. Meine Damen und Herren von der CDU, dazu hatten Sie leider nicht den Mut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie heute, in der dritten Lesung, sagen, eine solche Rechtsverordnung wäre der richtige Weg gewesen, muss ich Sie fragen:Warum haben Sie unserem Änderungsantrag, in dem genau das vorgesehen war, nicht zugestimmt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hildegard Pfaff (SPD): Wir haben einen eigenen Antrag!)

Es ist bedauerlich, dass sich auch die SPD von dem, was einmal gemeinsam als richtig erkannt wurde, nämlich dass der ÖPNV Vorrang vor dem Schienenverkehr haben muss, verabschiedet hat. Frau Kollegin Pfaff hat in einer Ausschusssitzung ausdrücklich festgestellt, dass dies kein Ziel der SPD mehr ist. Wir bedauern das ausdrücklich. Leider passt es aber in das Bild.

(Hildegard Pfaff (SPD): Wir brauchen die Gleichstellung aller Verkehrsträger! Ideologische Betrachtungsweisen helfen uns nicht!)

Wenn wir uns die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD auf der Bundesebene anschauen, stellen wir fest,dass auch die SPD die Hand dazu gereicht hat,die Regionalisierungsmittel ab 2007 abzusenken. Das wird gravierende Auswirkungen auf den ÖPNV in Hessen haben. Da passt es ins Bild, wie sich die SPD-Landtagsfraktion bei der Novellierung des ÖPNV-Gesetzes verhalten hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Es bleibt festzuhalten, dass der Gesetzentwurf für ein ÖPNV-Gesetz einige gute Elemente enthält, aber nicht das gebracht hat, was bei einer solchen Novellierung eigentlich notwendig gewesen wäre. Somit passt er leider in das Bild der autofixierten Politik dieser Landesregierung. Ich erinnere nur daran, dass Sie bei den GVFG-Mitteln massiv zulasten des ÖPNV umgeschichtet haben und dass unter rot-grüner Verantwortung sehr viel mehr Mittel für den ÖPNV dorthin geflossen sind.

Wir werden es auf keinen Fall schaffen, die Verkehrsprobleme in unserem Land zu lösen, wenn wir immer nur auf Autos fixiert sind und die Chancen, die ein solches ÖPNV-Gesetz für einen modernen Bus- und Bahnverkehr in Hessen geboten hätten, nicht ergreifen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Riehl das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das neue ÖPNV-Gesetz eröffnet dem ÖPNV und den Kunden alle Möglichkeiten für die Zukunft. Es schafft neue Optionen und sorgt dafür, dass die sehr erfolgreiche ÖPNV-Politik dieser Landesregierung, die sich, was die Akzeptanz betrifft, in konkreten Zahlen niederschlägt, weiterentwickelt wird.

Das gilt auch für den finanziellen Einsatz. Davon werden wir nicht ablassen; wir werden das mit der gleichen Intensität wie bisher fortführen. Zusätzlich werden wir bei dem Einsatz der Mittel darauf sehen,noch effizienter als bisher vorzugehen, Leistungen zu steigern, Angebote zu verbessern und die Qualität zu erhöhen.

Der Gesetzentwurf hat einen zweiten wichtigen Kernpunkt. Er schreibt das fest, was die gemeinsame, erfolgreiche ÖPNV-Politik dieses Landes bisher ausmachte, nämlich dass die Verantwortung vor allem auf die kommunalen Träger übertragen wird, sowohl lokal als auch, was die Verbünde betrifft,regional.Dies hat sich bewährt,und das Land steht fest und wie vereinbart zu der finanziellen Partnerschaft.

Das ist der Kernbestand dieses Gesetzentwurfs. Dieser Kernbestand wird dadurch ergänzt, dass auch die Frage, wie die Qualität gewährleistet werden kann, in die ummittelbare Verantwortung der Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten bezüglich ihrer Bürgerinnen und Bürger fällt.

Herr Wagner, es nutzt nichts, wenn man großartige programmatische Sätze in einen Gesetzentwurf schreibt, die man dann ohnehin nicht einklagen kann. Ich stehe vielmehr dafür, dass wir die Verantwortung dekonzentrieren und diejenigen, die dafür verantwortlich sind, mit den entsprechenden Mitteln versehen, damit die zur Steigerung der Akzeptanz notwendigen Investitionen in Qualität und Ausstattung getätigt werden können.

Die Diskussion über den Gesetzentwurf hat eine Schieflage bekommen. Herr Posch hat das deutlich gemacht. Der Grundanker der Diskussion ist die in dem Gesetzentwurf enthaltene Formulierung des Besteller-Ersteller

Prinzips, also der Art und Weise, wie wir das hier durchgeführt haben.

Die Länder haben unterschiedliche Herangehensweisen. Die einen nennen es „Genehmigungswettbewerb“; wir sprechen von einem „Ausschreibungswettbewerb“, weil eine Ausschreibung der einzige Weg ist, dem Leistungsfähigsten den Vortritt zu lassen und denjenigen, die bei der Effizienzgewinnung eher zurückstehen, keine Schutzräume mehr einzuräumen, wie Sie das vielleicht wollen, Frau Pfaff.

Wir haben es mithilfe dieses Prinzips erreicht, dass gerade die mittelständischen Betriebe die großen Sieger in diesem Wettbewerb sind. Sie haben als Erste Konzessionen erhalten.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Die mittelständischen Betriebe haben sich zu Recht über eine Politik beklagt, wonach ihnen die kommunalen Betriebe mithilfe einer internen Quersubventionierung aus Steuergeldern Wettbewerbsvorteile abkaufen. Das darf nicht geschehen.

(Beifall bei der CDU)