Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Letztendlich ist in der Abstimmung über das Gesamtgesetz die eben vorgetragene Beschlussempfehlung mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der FDP gefasst worden.

Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Kollegin Sorge, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 15 Minuten je Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Privatisierungsverfahren ist insbesondere in den letzten Tagen von Hektik und Chaos gekennzeichnet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Zeit ist viel zu knapp, und in der Hektik nimmt das Vorgehen der Landesregierung immer absurdere Züge an. Zunächst haben wir nach der zweiten Lesung die Änderungsanträge der CDU auf dem Tisch gehabt. Diese regeln aber bei weitem nicht alles so, wie es der Wissenschaftsrat in der Anhörung als Minimalanforderung formuliert hat.

Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach heute ein Gesetz beschließen, das sogar Ihren eigenen Anforderungen, dass nämlich der Wissenschaftsrat ein positives Votum dazu abgeben soll, nicht genügt. Der Wissenschaftsrat hat nach wie vor noch Änderungswünsche und hat wohl –

glaubt man einer Pressemitteilung der FDP – dafür gesorgt, dass die endgültige Verkaufsentscheidung nun doch in den Januar geschoben wurde.Absurderweise liegt aber auch dieser neue Termin noch vor der Entscheidung des Wissenschaftsrates.

(Frank Gotthardt (CDU): Dann wird die Presseerklärung falsch sein!)

Nein,die Termine des Wissenschaftsrats sind festgelegt – so ein bescheuerter Zwischenruf –, die liegen Ende Januar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie den Terminkalender des Wissenschaftsrates nicht kennen, müssten Sie vielleicht einmal nachschlagen.

(Frank Gotthardt (CDU): Dann wird die Presseerklärung falsch sein!)

Nein. Das liegt nicht an der Presseerklärung, Herr Gotthardt.– Zudem haben wir in der Gesetzesberatung,wenn wir das Gesetz heute in der dritten Lesung verabschieden, keine Änderungsmöglichkeit mehr. Allein diese Tatsache widerspricht schon den Wissenschaftsratsanforderungen, die explizit die Möglichkeit einer Gesetzesmodifizierung nach dem Bekanntwerden der Verträge und dann nach dem Votum des Wissenschaftsrates gefordert hat. Für ein gründliches Verfahren wäre es nach der jetzt erfolgten Gesetzesänderung notwendig gewesen, eine weitere Anhörungsrunde der Experten anzuhängen, um zu sehen, ob die Änderungen den Anforderungen auch genügen. An einer ordentlichen Beratung haben Sie aber ganz offensichtlich gar kein Interesse. Das hat schon allein das Hickhack um die Vertraulichkeit der Verträge gezeigt. Herr Corts redete in diesem Verfahren immer wieder von Vertrauen. Er hätte schon alles im Griff, sagte er.Wir müssten ihn doch einfach nur einmal machen lassen.

(Minister Udo Corts: Ja!)

Nein. Meine Damen und Herren, nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis: Es ist Aufgabe der Abgeordneten, die Regierung zu kontrollieren. Die Regierung hat Auskunftspflichten gegenüber den Abgeordneten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Nicola Beer (FDP) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Abgesehen davon, dass wir hier nur unsere Arbeit tun, verhalten Sie sich doch in vielen Punkten verdächtig und alles andere als kooperativ. Noch bis vorgestern wollten Sie die Verträge – es handelt sich um mindestens einen dicken Aktenordner mit viel Kleingedrucktem – am kommenden Montag im Kabinett beschließen. Wir hätten dann bis zum Haushaltsausschuss am nächsten Morgen um 8 Uhr keine 24 Stunden Zeit gehabt, diese Verträge zu prüfen.Dass Sie hier einen Rückzieher gemacht haben,ist wirklich alles andere als großzügig. Das ist das Mindeste gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Denzin (FDP))

Als nächster Punkt kommt hinzu, dass Sie hier versuchen, psychischen Druck auf alle Beteiligten aufzubauen. Sie sagen, es gebe eben nur dieses einmalige Zeitfenster. Sie nähren die Mär, dass eine Privatisierung nur jetzt und keine Sekunde später möglich sei. Das ist wirklicher Unfug. Es gibt hier einzig und allein die Eitelkeit des Ministerpräsidenten, wegen dem das Verfahren so holterdiepolter durchgezogen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe zu, dass es sich um ein sehr mutiges Projekt handelt. Aber gerade das bedeutet doch nur, es muss umso gründlicher gemacht sein.Auch wenn die ganze Republik wartet, was in Hessen geschieht, dann wartet sie halt eben ein wenig länger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade weil Hessen eine Vorreiterrolle spielen will, muss dieses komplizierte und auch riskante Verfahren ordentlich und mit Bedacht durchgeführt werden.Meine Damen und Herren, so, wie Sie das machen, ist es aber verantwortungslos.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Informationen, die in den letzten Tagen der Presse zu entnehmen gewesen sind, lassen mich hellhörig werden.Es wird immer deutlicher,dass sich hier eine konkrete Gefahr herauskristallisiert, dass zukünftig nach der Übernahme der Kliniken die Interessen von Medizinkonzernen den Ton angeben. Dass sich dies schon im Vorfeld so stark herauskristallisiert, steigert unsere Befürchtung, dass die Gefahr für die Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Leere wirklich groß ist.

Beispielsweise ist einer der Bieter, Helios, jüngst von einem Gesundheitskonzern, Fresenius, übernommen worden, der Produkte im medizinischen Bereich herstellt. Von dem Betrieb Asklepios haben wir erst letzte Woche gelesen, dass er gemeinsam mit der Firma B. Braun, Melsungen, die Klinikübernahme plant. Auch diese stellt medizinische Produkte her.

Hier soll augenscheinlich eine Produktionskette von der Herstellung bis zur Anwendung geschaffen werden, sodass in den Kliniken nur noch die Produkte eines Herstellers zur Anwendung kommen sollen. So kann man sich zwar einen Absatzmarkt sichern, hat aber quasi als Nebenprodukt gleichzeitig ein Universitätsklinikum zur Erforschung neuer, wirtschaftlich lukrativer Produkte an der Hand. Nicht nur die Forschung, sondern auch die Gesundheitsversorgung sind betroffen. Meine Damen und Herren, es darf nicht sein, dass zukünftig das teurere Produkt bei den Kassen abgerechnet wird, weil es aus dem Konzern kommt, dem die Klinik gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch viel weniger darf es sein, dass die Patienten das schlechtere Produkt bekommen, weil das bessere Produkt von einem Konkurrenzunternehmen hergestellt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das würden die nie machen!)

Eine Privatisierung von Universitätskliniken birgt doch ganz deutlich die Gefahr, dass im Interesse des schnellen wirtschaftlichen Erfolges weniger lukrative Forschungsfelder vernachlässigt oder sogar zurückgedrängt werden.

Der nächste Punkt, der uns hellhörig werden lässt, kam gestern in Form einer „dpa“-Meldung auf den Tisch. Angeblich gab es Änderungen in den Ausschreibungsunterlagen,die explizit auf den Bieter Helios zugeschnitten sein sollen. Das Gerücht besagt, für Helios und seine außerhalb Hessen liegenden Reha-Einrichtungen sei die Bedingung, nur mit hessischen Rehaeinrichtungen zu arbeiten, geändert worden. Das wurde zwar vom Ministerium umgehend dementiert.Dennoch bleiben Fragen offen,die

ich Sie, Herr Corts, dringend auffordere, hier heute vor dem Plenum noch einmal klarzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Corts, gab es eine Bestimmung, nach der Universitätskliniken nur an hessische Reha-Kliniken verweisen dürfen? Wir genau lautet diese Bestimmung? Gibt es diese Bestimmung immer noch? Ist diese Bestimmung Teil des Ausschreibungsverfahrens gewesen? Ihre Aussage, dass das kein Kriterium in dem Bieterverfahren gewesen sei, reicht hier meiner Ansicht nach nicht aus. Klären Sie das bitte hier noch deutlich auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zu dem nächsten Punkt.Auch dadurch wurde unser Misstrauen geschürt. Es gibt eine ganzseitige Anzeige der Helios Kliniken GmbH im „Hessen Kurier“, der Zeitung der CDU Hessens. Dies erfolgte in Form eines Interviews.Auch wenn Sie auf eine Kleine Anfrage geantwortet haben, dass das keine Auswirkung auf das Bieterverfahren habe, so ist es doch wirklich nicht weit hergeholt, das mit dem Schwarzgeldskandal der CDU zu assoziieren. Sie haben das Geld für die Zeitung der CDU eingesteckt. Der Anstand hätte aber geboten, diese Anzeige nicht während des laufenden Bieterverfahrens anzunehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will hier aber nicht einseitig argumentieren. Auch um Asklepios gibt es Gerüchte. Bei der Teilprivatisierung der Landeskliniken in Hamburg hat Asklepios den Zuschlag bekommen. Es hat dort im Bieterverfahren einige Ungereimtheiten gegeben, die dazu geführt haben, dass in Hamburg ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. Bis heute ist das nicht aufgeklärt.

Dabei war auffällig, dass die CDU mit dem Klinikbetreiber Asklepios eng verwoben ist. Der Hamburger Finanzsenator Peiner, der auch Bundesschatzmeister der CDU ist, ist mit dem Mehrheitseigner Broermann gut bekannt. In Hessen kursieren schon seit längerem Gerüchte, die besagen, Roland Koch sei mit dem Geschäftsführer von Asklepios ganz dicke.Die Spendenaffäre ist wirklich noch zu kurz her. Da wird man hellhörig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Das ist unglaublich!)

Die hier schon oft genannten Risiken der Privatisierung bestehen nach wie vor. Als Beispiel will ich die Hochschulbauförderung ansprechen. Nach wie vor ist unklar, ob ein privatisiertes Klinikum Anspruch auf eine Förderung nach dem Hochschulbauförderungsgesetz hat. Dass es einen solchen Anspruch hat, ist sogar sehr unwahrscheinlich. Wenn kein Anspruch bestehen würde, dann würden nicht nur für die Zukunft Mittel verloren gehen. Vielmehr könnte die Verpflichtung auf das Land zukommen, Mittel zurückzuzahlen. Allein hier trägt das Land also ein finanzielles Risiko in Höhe von 300 bis 400 Millionen c.

Das muss vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geprüft werden. Für diese Prüfung braucht das Bundesministerium für Bildung und Forschung logischerweise den endgültig mit dem privaten Betreiber geschlossenen Vertrag. Bei dieser Prüfung muss die abschließende Stellungnahme des Wissenschaftsrats einbezogen werden, die erst Mitte bis Ende Januar 2006 vorliegen wird.

Um förderfähig zu sein, ist es dringend erforderlich, dass sich das privat geführte Universitätsklinikum an den Erfordernissen von Forschung und Lehre ausrichtet. Da beißt sich aber die Katze in den Schwanz. Die hierfür notwendigen Änderungen hat der Vertreter des Wissenschaftsrats in der Anhörung benannt. Diese Änderungen müssen zu einem Großteil in das Gesetz aufgenommen werden. Das in die Verträge aufzunehmen reicht rechtlich nicht aus. Die Änderungen, die die CDU-Fraktion vorsieht, genügen dieser Anforderung nicht. So viel ist aus dem Wissenschaftsrat auch schon durchgesickert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Stellung, die die Dekane erhalten.Der Wissenschaftsrat hat deutlich gemacht, dass das der für ihn entscheidende Punkt ist. Unserer Information nach soll es trotz der engen Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Wissenschaftsrat noch zu keiner Einigung gekommen sein.

Eine wesentliche Forderung des Wissenschaftsrats betrifft die Rolle der Dekanin oder des Dekans – je nachdem, wie es dort ist – bei der Geschäftsführung. Hier ist es außerordentlich wichtig, dass die Dekane Stimmrecht haben. Denn sie sollen Garant dafür sein, dass die Interessen der Universität wahrgenommen werden. Ein Vetorecht oder etwas Ähnliches wäre aber für den privaten Betreiber wiederum problematisch. Denn das würde bedeuten, dass die Hochschulen bzw. das Land Einfluss auf die Geschäftsentscheidungen des privat geführten Unternehmens hätten.

Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung fordert eine Regelung im Gesetz, die sicherstellt, dass der Dekan im Leitungsgremium mit Stimme und dem Recht vertreten ist, Anträge zu stellen. Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion sieht aber lediglich vor, dass der Dekan einen Sitz in diesem Gremium und das Recht hat,Anträge zu stellen. Das reicht nicht aus. In diesem Punkt muss der Gesetzentwurf auf jeden Fall noch geändert werden.

Das Ministerium für Bildung und Forschung hat darüber hinaus sogar gefordert, dass Beschlüsse des Leitungsgremiums, die die Belange von Forschung und Lehre betreffen, nur mit Zustimmung des Dekans getroffen werden können. Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion sieht zwar jetzt das Recht vor, die Ständige Kommission für Forschung und Lehre und die Schlichtungskommission anrufen zu können. Dies ist aber keineswegs das, was gefordert wurde, nämlich dass die Zustimmung des Dekans erforderlich ist oder dass er sich an der Abstimmung beteiligen kann. Das ist doch der wichtigste Punkt. In den Bereichen, die Forschung und Lehre betreffen, muss die Universität den Ton angeben. Da darf der Klinikbetrieb nicht alles bestimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die CDU-Fraktion hat sich in ihrem Änderungsantrag auch hier auf die Rechtsaufsicht des Ministeriums zurückgezogen. Das reicht aber nicht aus. In der Anhörung wurde sehr deutlich gesagt, dass die Rechtsaufsicht nur bei rechtswidrigen Handlungen greift, dass man sich aber sehr viele Eingriffe in Forschung und Lehre vorstellen kann, die weit unter der Grenze liegen, ab der es rechtswidrig würde. Laut Bundesverfassungsgericht liegt aber schon bei einer Gefährdung der Freiheit der Forschung und der Lehre ein Eingriff in das Grundrecht vor. Das wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht gere