Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident wollte, dass man sich nach den

Regeln der Mathematik, des wirtschaftlichen Wachstums und der Arbeitsplätze mit dem Thema auseinander setzt. Herr Ministerpräsident, das tun wir gerne.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und der Energieversorgung!)

Erstes Stichwort: Arbeitsplatz und Biblis. Herr Kollege Hahn, ein Blick zu den abgeschalteten Reaktoren könnte Ihnen deutlich machen, dass es nicht darum geht, dass im Jahre 2008 von einem Tag auf den anderen hier 700 Leute ihre Arbeit verlieren.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Aber diese Arbeit!)

Wenn Sie sich ein bisschen mit der Sache beschäftigen würden, würden Sie wissen, dass wir mindestens noch für 20 Jahre, weil diese Technik so gefährlich ist, genau diese Personenzahl beim Abbau nach der Abschaltung beschäftigen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist eine tolle Logik!)

Zweitens stelle ich fest, dass im Jahre 2005 allein in der Bundesrepublik Deutschland 160.000 Menschen direkt im Bereich erneuerbare Energien beschäftigt waren.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist die Chance!)

Das sind mehr als bei Atomenergie und Steinkohle zusammen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen: Kommen Sie bitte nicht mit Arbeitsplatzargumenten.

(Zurufe von der CDU)

Wenn das Argument Subvention kommt, stelle ich fest, dass die Ölrechnung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2005 um 40 % höher war als im Jahre 2004. Dieses Geld wird entweder an Gasprom,an Russland,an die Vereinigten Arabischen Emirate, an Norwegen oder Großbritannien überwiesen, und bei den erneuerbaren Energien bleibt es hier. So viel zur Frage der Mathematik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident,weiterhin ist es sehr auffällig,dass Sie immer nur über die Frage der Energiegewinnung reden, aber nicht über die Frage der Energieeinsparung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen: Unsere günstigste, beste und im Land vorhandene Energieressource ist die Energieeinsparung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das fängt beim Standby-Betrieb, d. h. beim roten Lämpchen am Fernseher, an und hört bei der Wärmedämmung von Altbauten auf.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Auch das sorgt für Arbeitsplätze hier im Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich finde es sehr spannend, wenn Sie immer darüber reden, was Sie hier als umweltpolitischer Sprecher angefangen haben, dass Sie damals noch die Auffassung hatten, den Klimawandel gebe es nicht.

(Widerspruch des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Entschuldigung, Herr Lippold war der Vorsitzende der Enquetekommission, als erstmals darüber geredet wurde. Jetzt,wenn es Ihnen in den Kram passt,kommt auf einmal die CO2-Debatte. Das fällt mir auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident,deswegen ist – da wird es wirklich für alle Menschen in diesem Land sehr interessant – sehr spannend, dass Sie hier erstmals unwiderruflich und unmissverständlich gesagt haben, dass Sie dafür sind, dass von Grundremmingen auf Biblis Strommengen übertragen werden. Das heißt – das müssen alle wissen, die mit der Sache vielleicht nicht so vertraut sind –, dass Sie gerade gesagt haben, dass aus Ihrer Sicht von einem Atomkraftwerk, das z. B. gegen Flugzeugabstürze gesichert ist, Strommengen auf ein Atomkraftwerk übertragen werden sollen, das gegen Flugzeugabstürze nicht gesichert ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann doch nicht wahr sein. Sie machen sich hier zum Büttel von RWE, und Sie beweisen, dass Ihnen Profit vor Sicherheit geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Reiner Zynismus!)

Herr Koch, wo gibt es in der Welt ein Endlager? Sagen Sie es uns.

(Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Wann haben die GRÜNEN das verhindert? Herr Dr. Lennert, hören Sie doch auf. Sagen Sie uns:Wo, weltweit?

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident,wo sollen denn die neuen Atomkraftwerke gebaut werden? Sagen Sie es uns. Nennen Sie uns den Standort in Hessen oder in einem anderen Teil Deutschlands. Ich glaube, alle sind gespannt darauf, das zu hören.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deshalb sage ich Ihnen: Wenn hier irgendwelche Leute Ideologen sind, dann sind es diejenigen, die noch immer nicht begriffen haben, dass die Atomkraft von gestern ist. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Grumbach, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es ganz spannend, mitzuerleben, wie der Euphemismus wieder in die deutsche Sprache Einzug hält. Wenn es um die Endlagerung geht, wird von 10.000 Jahren gesprochen. Wir sprechen aber über 500.000 Jahre. Das will ich einfach einmal sagen, weil das die Art und Weise ist, wie darüber geredet wird. Es wird gesagt, dass es völlig unproblematisch sei, ein Kernkraftwerk wie Gundremmingen kürzer und eines wie Biblis A länger zu betreiben.

Es redet keiner darüber, dass man nach der Debatte darüber, wie Kraftwerke ausgestaltet worden sind – von Gundremmingen bis zu den Konvoikraftwerken –, trotz der Einwände all derer, die die Sicherheitsvorkehrungen kritisiert haben, angefangen hat, neue Kraftwerke zu bauen. Das ist blanker Euphemismus.

(Beifall bei der SPD)

Das Netteste ist aber die Frage nach der Versorgungssicherheit. Es wird darüber geredet, wie schrecklich es sei, dass uns Gas und Öl entzogen werden. Hat irgendeiner von denen, die darüber reden, einmal gefragt, woher das Uran kommt?

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Ja!)

Dann werden Sie feststellen, dass zwei Drittel der Uranproduktion genau aus der Ecke kommen, die Sie, wie Sie gerade gesagt haben, fürchten. Genau das ist Ihre Blindheit.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin für den wissenschaftlichen Fortschritt, und ich bin auch sehr dafür,dass jeder seine kleinen Experimente machen darf.

(Zuruf von der CDU: Davon merkt man nichts!)

Ich habe mich im Zuge meines Studiums der Germanistik sehr lange mit esoterischen Schriften des Mittelalters beschäftigt.