Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Meine Damen und Herren, aber das war nicht der Anlass meiner Bitte um eine Kurzintervention, sondern ich frage Herrn van Ooyen hier noch einmal in aller Öffentlichkeit, coram publico, vor dem Hessischen Landtag: Sind Sie für den Verfassungsschutz, oder bleiben Sie bei Ihrer Meinung, ebenso wie der Meinung des Herrn Schaus, dass der Verfassungsschutz abgeschafft gehört?

Sie haben hierzu kein einziges Wort verloren. Ich möchte, dass wir klar und deutlich von Ihnen hören, welche Stellung Sie beziehen, und dass Sie nicht wie ein Wolf im Schafspelz hier herumtanzen und versuchen, noch mehr Ratten zu fangen. Das kann nicht der Weg sein, den wir hier gehen wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweitens fordere ich Sie auf, hier coram publico zu erklären:Wollen Sie dieses System abschaffen, wie man es häufig aus dem Munde Ihrer Kolleginnen und Kollegen hört, und identifizieren Sie sich mit der Äußerung Ihrer Fraktionskollegin, dass man dieser Gesellschaft das Genick brechen müsse? Ich werde Ihnen gerne die Fundstelle und das Zitat aus der entsprechenden Zeitschrift vorlegen.

Ich bitte Sie um klare Stellungnahme, damit wir endlich wissen, wes Geistes Kind die Kommunisten und Linksradikalen in diesem Hause sind.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wagner. – Herr Kollege van Ooyen hat Gelegenheit zur Antwort.

Nur ganz kurz und sehr deutlich: Wir sind für die Verfassung. Und in dieser Verfassung ist der Kapitalismus nicht festgeschrieben. Ich habe das sehr deutlich gesagt.

(Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie den Verfassungsschutz abschaffen oder nicht? Eine einfache Frage, die man beantworten kann!)

Herr Boddenberg, nein. Wir werden diese Frage heute leider nicht beantworten,weil wir das für Klamauk halten.

(Zurufe von der CDU:Ah!)

Dass Sie uns das unterstellen, zeigt eher die Angst davor, dass wir mit unseren sechs Kandidaten, die jetzt hier Abgeordnete sind, in der Lage wären, Ihren Verfassungsschutz abzuschaffen. Das ist ja Ihre politische Linie, und das ist politische Orientierung.

(Michael Boddenberg (CDU): Wieso „unser“ Verfassungsschutz?)

Herr Kollege van Ooyen, entschuldigen Sie ganz kurz. Wenn Sie jetzt fertig waren, ist es hinfällig. Ich wollte eigentlich dafür sorgen, dass Sie auch die Gelegenheit haben, hier im Parlament gehört zu werden.

Noch einmal sehr deutlich: Wir sind für diese Verfassung, aber nicht für eine Orientierung, die Sie als politisch-ideologische Orientierung damit hinterlegen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Nächster Redner ist Herr Kollege Rudolph für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Wagner, es ist natürlich ein zulässiger, aber allzu durchsichtiger Versuch von Ihnen und der CDU,hier eine Debatte über die Abschaffung des Verfassungsschutzes zu initiieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Eine unangenehme Diskussion!)

Nein. Wir haben auch keine Angst, unangenehme Debatten zu führen, weil die SPD klar positioniert ist.

(Beifall bei der SPD)

Zunächst einmal brauchen wir von Ihnen keine Nachhilfe zu dem Thema Geschichtsbewältigung und Vergangenheit. Ich bin stolz, Mitglied einer Partei zu sein, die am 23.03.1933 als einzige der damals noch anwesenden – andere waren schon verhaftet – gegen dieses sogenannte Ermächtigungsgesetz gestimmt hat.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen bin ich stolz, Mitglied einer solchen Partei zu sein. Deswegen müssen Sie uns zum Thema „Erhaltung der Demokratie und von Grundrechten“ nichts sagen – um das einmal relativ deutlich zu machen.

(Zurufe von der CDU)

Da sind wir mehr als unverdächtig.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ja, ja. Sozialdemokraten haben im Laufe ihrer mehr als 140-jährigen Geschichte leidvoll erlebt, was es heißt, verfolgt zu werden – Kaiserreich, Nazidiktatur,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): DDR!)

aber auch nach 1946 in der ehemaligen DDR. Deswegen ersparen Sie sich die Krokodilstränen in unsere Richtung. Von Kurt Schumacher müssen Sie nichts zitieren. Das ist ein Sozialdemokrat, der im Dritten Reich gelitten und sich für die Demokratie eingesetzt hat. Herr Irmer, deswegen eines relativ deutlich:

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Darüber, was der Herr Irmer teilweise im „Wetzlar-Kurier“ schreibt, können wir auch reden, ob das der Erhaltung der Demokratie dient.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Michael Bodden- berg (CDU): Nicht ablenken!)

Herr Irmer, Sie sind bekannt, und Sie sind entlarvt. Deswegen setzen wir uns auch mit Ihnen politisch auseinander.Wir setzen uns mit solchen Leuten politisch auseinander.

(Zurufe von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der hessische Verfassungsschutz hat seine Aufgaben so wahrzunehmen, wie es in dem Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 19. Dezember 1990 festgelegt ist. Danach hat es „rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen“.

Das ist die Rechtslage in Hessen. Da gibt es aus Sicht der sozialdemokratischen Fraktion nichts zu diskutieren und zu rütteln.Wir sagen klar und eindeutig – das steht in unserem Antrag, und das haben Sie auch, denke ich, zur Kenntnis genommen –: Der hessische Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen Grundordnung und der Sicherheit der Bevölkerung. Aufgrund seiner demokratischen Legitimation und der Kontrolle durch das Parlament – in diesem Falle durch die parlamentarische Kontrollkommission – leistet er einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Demokratie in unserem Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war und dies ist die Position der SPD. Nun hat die Fraktion DIE LINKE angeblich die Abschaffung des hessischen Verfassungsschutzes gefordert und unter anderem damit begründet, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet werde.

Nun will ich nicht verhehlen – das diskutieren wir dann in einem Gremium, das nicht öffentlich tagt, das ist klar, das haben Sie früher gemacht, ob die jeweilige Aufgabenstellung des Amtes für Verfassungsschutz tatsächlich auch so ist, wie sie ist und dargestellt wird-: Es ist sicherlich keine einfache Entscheidung, eine Partei zu beobachten, die nicht verboten ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich bin sehr dafür, sich mit einer Partei auseinanderzusetzen – weil das natürlich auch zulasten meiner eigenen Fraktion geht –,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die überholt Sie demnächst!)

die bei Wahlen über die 5-%-Hürde kommt, bei Umfragen bei 10, 12 % liegt, die gelegentlich mit allzu einfachen Antworten Wählerstimmen akquiriert.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Gelegentlich?)

Aber eines ist auch klar – das wollen Sie hören, und das können wir Ihnen jederzeit bekräftigen –: Die hessische SPD wird diese Forderung der LINKEN in gar keiner Weise übernehmen. Wir lehnen sie ab. Der Verfassungsschutz hat eine wichtige Funktion.Das haben wir auch aus der Geschichte gelernt: Die Demokratie muss wehrhaft sein.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, man muss nicht jede Einschätzung teilen.Aber die Gesellschaft hat sich verändert. Es gibt neue Herausforderungen. Nehmen wir den internationalen, den extremistischen Terrorismus. Da muss sich der Rechtsstaat wehren dürfen. Daran ist möglicherweise die Weimarer Republik kaputtgegangen, weil es die Feinde der Demokratie vielleicht auch zu einfach hatten und weil sich die demokratischen Kräfte nicht einig wa

ren. Deswegen muss der demokratische Rechtsstaat auf neue Herausforderungen reagieren und sich wappnen.

Die Debatte, die Sie heute führen, ist zulässig. Sie wollen hier natürlich dokumentieren, es gebe in der SPD eine Auffassung, der Position der LINKEN nachzulaufen. Das ist völlig absurd. Wir hatten sozialdemokratische Innenminister. Sie haben Herrn Fromm als Staatssekretär genannt. Die hatten die politische Verantwortung für den Verfassungsschutz. Ich glaube, wir müssen uns an dieser Stelle nichts vorwerfen.

Deswegen in Richtung der LINKEN: Die Forderung, die Sie erheben, ist mit der SPD nicht zu machen. Sie ist nach unserer Auffassung in gar keiner Weise sachlich gerechtfertigt. Auch die Demokratie hat das Recht, sich zu wehren.

Herr Wagner,deswegen sind Sie natürlich eingeladen,den drei Punkten unseres Dringlichen Entschließungsantrags zuzustimmen. Denn das ist eine klare Positionierung, ein klares Bekenntnis zu einer demokratisch legitimierten Einrichtung des Rechtsstaats.