Herr Kahl, wenn Sie sagen, die Sachkosten seien gestiegen, muss ich Ihnen antworten: Die Sachkosten sind gestiegen, aber darin sind z. B. die IT-Infrastrukturkosten enthalten. Ich erinnere Sie daran, dass der Vertragsabschluss mit SAP noch unter der rot-grünen Regierung 1998 beschlossen worden ist.
Damals ist sogar gefragt worden, ob man den Vertrag in der Zeit zwischen Wahl und Regierungsübergang noch unterzeichnen dürfe.
Dieses Geld ist ebenfalls sinnvoll investiert. Wir haben 7.000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung, in der Kernverwaltung weniger. Sie können diese 7.000 Leute doch nicht dadurch ersetzen, dass Sie sagen: Die schaffen alle viel zu wenig, deswegen können wir sie raussetzen. – Das ist doch nicht wahr. Durch die Verbesserung der Infrastruktur und der Arbeitsbedingungen unserer Verwaltung war es überhaupt erst möglich, die Personalkosten an der Stelle zu reduzieren. Ich nenne Ihnen Beispiele:Alle Polizisten haben neue Laptops und Computer bekommen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzverwaltung haben allesamt neue Laptops und Computer sowie die entsprechende Infrastruktur bekommen – jeder Einzelne, und zwar revolvierend angelegt. Das ist Verwal
tungsmodernisierung. Die muss sein. Das müssen wir den Bürgerinnen und Bürger bieten. Deswegen lasse ich es nicht zu,dass hier so getan wird,als sei Geld verschleudert worden. Wir haben an diesem Punkt vernünftig und ausgesprochen erfolgreich gewirtschaftet.
Jetzt kommen Sie mit der Forderung nach einem Kassensturz. Ich habe es Ihnen mehrfach gesagt. Der Verwaltungshaushalt bzw. der Teil des Haushalts, der die Ausgabenseite betrifft, läuft völlig normal. Ich muss keinen Nachtragshaushalt machen,wenn der Haushalt völlig normal läuft.Wir liegen sehr gut im Korridor.Ich war sogar in der Lage, für die Dinge, die vom Parlament erbeten worden sind, eine Gegenfinanzierung zu erbringen. Was ist also das Problem? Zu der Frage, wie die Steuerentwicklung zum Jahresende sein wird, muss ich sagen: Ich bin kein Hellseher; wenn ich Hellseher wäre, würde ich mein Geld anders verdienen.
Ich kann Ihnen aber sagen,wie der Stand Ende August ist. Den habe ich Ihnen mehrmals gesagt, und ich sage ihn Ihnen heute wieder. Wir wollen in diesem Jahr ein Defizit von 547 Millionen c anstreben. Das wäre ein bedeutender Schritt in Richtung Null-Verschuldung im Jahr 2011. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir eine Chance haben, das zu erreichen.
Positiv ist, dass die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer, der Zinsabschlag- und der Umsatzsteuer bis Ende August um 550 Millionen c gestiegen sind. Negativ ist, dass die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer statt 1,5 Milliarden c im vorigen Jahr bis Ende August dieses Jahres nur 137 Millionen c betrugen. Wir haben also 1,36 Milliarden c weniger eingenommen. Sie sagen: Der Finanzminister kann nichts, er hat 1,36 Milliarden c weniger an Körperschaftsteuer eingenommen. – Sie müssen einfach einmal die Begrenztheit der Tragfähigkeit Ihrer Argumentation an der Stelle sehen,wenn Sie sich klarmachen,dass der Banken- und Wirtschaftsstandort Frankfurt bzw. Hessen aufgrund der Volatilität der Märkte in vollem Umfang an der internationalen Entwicklung teilnimmt. Ich sage dazu gleich noch etwas, denn manche Punkte, die Herr van Ooyen angesprochen hat, teile ich. Ich handle nicht nach dem Motto „Die LINKEN haben das gesagt, also kann man es nicht mehr ansprechen“. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, dass man auf die eine oder andere Sache durchaus den Finger legen muss.
Bei der Körperschaftsteuer kommen wir, nach Verrechnung in jede Richtung, derzeit saldiert auf ein Minus von 200 Millionen c. Bei der Verrechnung muss man aber sehen, dass möglicherweise weitere Einbrüche bei der Körperschaftsteuer höhere Belastungen mit sich bringen.
Die Einnahmen aus nicht veranlagten Steuern vom Ertrag, also aus Ausschüttungen, Dividenden der Unternehmen,sind um 480 Millionen c zurückgegangen.Das heißt, wir haben, wenn wir diese beiden Positionen zusammennehmen, insgesamt um ungefähr 700 Millionen c geringere Steuereinnahmen.
Somit haben wir derzeit ein Minus von 150 Millionen c, und wir haben 1,4 % weniger Steuern eingenommen als im vorigen Jahr bis Ende August. Wir sind das einzige Bundesland, das weniger Steuern eingenommen hat. Im Vergleich dazu hat Bayern ein Steuerplus zwischen 10 und 15 %. Wir haben weniger Steuern eingenommen und
dementsprechend etwa 300 Millionen c weniger in den LFA gezahlt, sodass wir im Moment 170 Millionen c im Plus sind. Wir müssen aber, um den Ansatz zu erreichen, zum Jahresende ein Plus von 550 Millionen c haben. Das wird knapp. Das kann ich jetzt schon sagen. Das hängt natürlich in erheblichem Umfang von den September-Steuereinnahmen ab. Die laufen im Moment einigermaßen, kann man sagen, und es hängt natürlich auch vom steuerstarken Monat Dezember ab, wo man überhaupt nichts mehr steuern kann.
Warum ist das so? Der erste Grund ist, dass die internationale Bankenkrise auch bei uns ankommt, und zwar im Moment noch nicht einmal durch geringere Körperschaftsteuerzahlungen oder durch eine entsprechende Anpassung der Höhe der Vorauszahlungen. Die sind erstaunlicherweise relativ hoch.Wir hatten einen Rückgang von 40 % auf 20 bis 25 % erwartet, aber die Zahlungen liegen im Moment höher. Es wird aber im Moment von den großen Unternehmen, nicht nur den Banken, alles hereingeholt,was man an Guthaben beim Fiskus hat,während man sonst die Dinge gelegentlich ein bisschen gestreckt hat, um eine gleichmäßige Bilanzierung betreiben zu können. Es liegt auf der Hand, warum das so ist. Die Banken sind natürlich jederzeit über Eigenkapital froh, weil sie damit ein Geschäft machen können.Die ganze Sache ist aus deren Sicht hochgradig logisch.
Wir werden deshalb bis zum Jahresende auch noch einige Erstattungen haben. Sie werden verstehen, dass ich an der Stelle nicht darüber reden kann, weil dies das Steuergeheimnis berührt.Aber in toto muss man davon ausgehen, dass dort noch Erstattungen in beachtlicher Höhe zu erwarten sind. Die haben wir allerdings in unseren Überlegungen zum Jahresende mit eingerechnet.
Der zweite Punkt betrifft die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag. Ich habe gesagt, dass die Zinsschranke an der Stelle wahrscheinlich eine beachtliche Rolle spielen wird. Die Zinsschranke zwingt nämlich dazu, Eigenkapital aufzubauen, damit man keine Probleme bekommt.An dieser Stelle verkürze ich jetzt das Motiv für die Steuerrechtsänderung.
Das ist offenkundig gut gelungen. Es wird versucht, Kapital aufzubauen, um nicht unter die 30-prozentige Zinsschranke zu fallen. Das heißt, dass die Ausschüttungen an der Stelle offensichtlich niedriger sind.
Zudem haben wir in Wiesbaden einen sehr großen Steuerzahler verloren – das ist kein Steuergeheimnis –: Ein großes Unternehmen ist weggegangen.Viele Firmen kaufen im Moment eigene Aktien zurück, sodass die Ausschüttungen auch aus diesem Grund zurückgehen. Von daher ist also alles erklärbar.Aber es ist ärgerlich, dass es so kommt.
Nur, es gibt etwas, was einen an dieser Stelle stören muss. Ich sage Ihnen von diesem Pult aus: Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich in Frankfurt vor Hedgefondsmanagern gesprochen. Ich habe gesagt: Seien Sie bitte vorsichtig; die Gier wird Sie noch umbringen. – Das stand sogar in der Zeitung. Mancher ist gekommen und hat erklärt: Das kannst du doch nicht sagen.
Meine Damen und Herren, an der Stelle müssen wir aber feststellen, dass wir alle darüber reden müssen, dass diejenigen, die gelegentlich nicht nur den Politikern, sondern auch anderen gegenüber total überheblich aufgetreten sind und nicht genug bekommen konnten, jetzt dastehen und einen Teil der vorhandenen Probleme auf uns abla
Ein weiterer Punkt gehört dazu. Diese Menschen desavouieren die erfolgreiche marktwirtschaftliche Ordnung, und sie sorgen mit ihrem Verhalten gerade dafür, dass der Staat auf das, was passiert, in einer Weise reagiert, dass eine gute geschäftliche Entwicklung später wahrscheinlich nicht mehr in dem Maß möglich ist, wie sie es eigentlich sein müsste. Wir reagieren also aus unserer Situation heraus, indem wir sie – ja, wie soll ich es sagen? – so an die Kandare nehmen, dass die Dynamik und die Entwicklung an dem Punkt zum Teil nicht mehr möglich sind. An der Stelle müssen wir übrigens sehr aufpassen.
Man muss wirklich darüber reden; denn es kann nicht sein, dass so etwas passiert. Dass wir ein massives Interesse daran haben, Banken, Versicherungen und Gelddienstleister in Frankfurt zu halten und dass wir sie mit allen Kräften unterstützen, ist eine ganz andere Sache.
Aber eine der Schwierigkeiten besteht tatsächlich darin, dass man feststellen muss, dass dem Buchgeld keine Leistung entgegenstand.Das Geld ist nur etwas wert,wenn ein anderer bereit ist, dafür eine Leistung zu erbringen.Wenn ich immer mehr Nullen an die Zahlen hänge, ist irgendwann keiner mehr da, der dafür eine Leistung erbringt, und dann gibt es ein Problem.So einfach ist die Sache,und so grob ist an der Stelle das missachtet worden, was passiert.
Zu den IFRS. Ich sage seit zwei Jahren, dass die IFRS große Probleme haben. Muss das sein? Ist es richtig, dass sich die Wirtschaftsprüfer dieser Welt in London treffen und erklären, es müsste alles anders gemacht werden? Dann übernehmen erst Amerika und anschließend die EU diese Regelung, und das gute alte deutsche HGB wird aus den Bilanzen geworfen. Es wird gesagt, es werde alles transparenter und besser.
Ich halte einmal fest: Wer heute die „FAZ“ gelesen hat, der wird gesehen haben, dass dort etwas über eine Untersuchung der Universität Bochum steht. Das, was sie festgestellt haben, ist trivial, aber wichtig. Die IFRS tragen nämlich im Moment durch die Art der Buchung dazu bei, dass die Entwicklung immer weiter ins Negative, sozusagen spiralförmig nach unten getrieben wird. Denjenigen, der das vor ein oder zwei Jahren gesagt hat,hat man als einen Ewiggestrigen betrachtet,der keine Ahnung hat – erst recht, wenn er aus der Politik kam.
Danke, Herr Präsident. – Wissen Sie, wenn Sie das den kleinen Leuten erklären wollen, die jeden Morgen um 5 Uhr aufstehen, arbeiten gehen, mit ihrem Geld gerade so auskommen und auch noch am Wochenende schaffen und machen, damit es klappt, haben Sie ein Problem.
Ich möchte, ehrlich gesagt, auch nicht, dass DIE LINKE etwas daraus macht; denn die Ansätze, die sie bringen, sind völlig falsch.
Aber ich will nicht, dass unsere solidarische Gesellschaft auseinanderfällt,weil die Leute auf der einen Seite das sehen, was ich beschrieben habe, und auf der anderen Seite sehen müssen,wie sie herumkommen.Ich denke,es ist des Schweißes der Edlen wert – „Nachhaltigkeit“ ist an der Stelle ein mutiger Begriff –, darüber zu reden, wie nachhaltig eine Gesellschaft zu organisieren ist.
Nur, eines müssen wir auch sehen: Über das meiste, worüber wir in dem Zusammenhang reden, hat weder der Hessische Landtag noch der Deutsche Bundestag zu entscheiden.Aber wir haben möglicherweise darüber zu entscheiden, wenn wir vernünftig und in solidarischer Weise darüber reden, wie man diese Punkte voranbringen kann, und wenn wir tatsächlich versuchen, sie an der einen oder anderen Stelle zu thematisieren und zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Lösungen zu kommen. Hier ist nicht der Ort, um darüber zu reden. Aber ich denke, das muss sein.
Wir haben Risiken bei der Steuerentwicklung. Ich habe Ihnen gesagt, dass es um 550 Millionen c geht. Ein Guthaben in Höhe von 170 Millionen c haben wir im Moment.Über Leo III verhandeln wir.Ich meine,wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir müssen sehen, ob wir das hinbekommen.
Beihilfe und Versorgung sind ein Problem. Die Kosten für die Beihilfe steigen enorm.An der Stelle kann man nichts machen. Das muss man eben bezahlen, Punkt, aus.
Insgesamt gesehen, bin ich jedoch optimistisch und glaube, dass wir noch eine ordentliche Chance haben, den Haushalt so zu fahren, wie wir es bei der Aufstellung tatsächlich wollten.
Was das Jahr 2009 betrifft, so ist die Sache relativ einfach. Wir haben gesagt, die Verschuldung soll 500 Millionen c betragen. Es sollen Mehreinnahmen in Höhe von 500 Millionen c hinzukommen. 250 Millionen c Minderausgaben werden einkalkuliert. Die Mehreinnahmen waren klar. Dieser Plan ist Mitte 2007 gemacht worden. Damals hatten wir im dritten Jahr hintereinander mehr Steuereinnahmen zum Jahresende. Es war auch klar, dass aufgrund der allgemeinen Entwicklung Frankfurt, das Rhein-MainGebiet und Hessen in steuerlicher Hinsicht sehr begünstigt würden, sodass wir schon, ohne es zu etatisieren, erwartet haben, dass wir dort mehr Steuereinnahmen haben würden.
Meine Damen und Herren, ich muss sagen, das zerrinnt wie Wasser im Wüstensand. Diese 500 Millionen c Mehreinnahmen sind realistisch nicht mehr einzuplanen. Der November-Steuerschätzung sehe ich mit großer Sorge entgegen. Die letzte Steuerschätzung fand nämlich auf der Basis eines Wirtschaftswachstums von 1,2 % statt,und wenn wir es im nächsten Jahr mit 0,6 oder sogar nur 0,5 %
Für die Minderausgaben in Höhe von 250 Millionen c sorgen wir, sodass wir mit den 170 Millionen c aus dem Jahr 2008 für die Lohnerhöhungen, für die 650 Referendare und für die fehlenden Studienbeiträge, die wir 2008 gedeckt haben und 2009 – als Dauerlast sozusagen – decken müssen, im Haushaltsaufstellungsverfahren, ohne dass wir sonst irgendetwas machen, bei einer Summe von ca. 1,2 Milliarden c sind. Die enge hessische Verfassungsgrenze liegt bei 937 Millionen c.
Sie sehen also, wir haben noch etwas zu tun. Ich bin dabei, mit den Kolleginnen und Kollegen darüber zu sprechen, und werde die Chefgespräche in Kürze abgeschlossen haben. Ich gehe davon aus,