Protokoll der Sitzung vom 11.11.2008

Wir machen heute nichts anderes – wir beschließen keine Bürgschaft für Opel –,

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist richtig! So ist es!)

als die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Landesregierung dann in der Lage ist, wem auch immer eine Bürgschaft zu geben. Das kann den kleinen Zulieferbetrieb, den kleinen Handwerksbetrieb oder ein Großunternehmen betreffen, das durch die Krise unverschuldet in Not geraten ist und es durch diese Bürgschaft aus eigener Kraft schafft, wieder konkurrenzfähig und überlebensfähig zu werden. Mithilfe der Landesregierung und der Bürgschaft kommt es durch diese Krise hindurch. Das gilt für die Kleinen wie für die Großen.

(Beifall bei der CDU)

Dabei ist es doch selbstverständlich, dass wir einer Garantie nur zustimmen werden, wenn sichergestellt ist, dass das Geld auch in Deutschland bleibt und nicht, wie es einige vermutet haben, aufgrund der speziellen Konzernstruktur von General Motors am Ende nach Amerika fließt. Es muss die Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Das ist eine Grundbedingung, die wir selbstverständlich an eine solche Bürgschaft knüpfen werden. Nur wenn das gewährleistet ist, wird es auch eine Bürgschaft geben.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich muss damit eine Arbeitsplatzgarantie verbunden sein. Denn die Arbeitsplatzgarantie, die uns von General Motors oder Opel gegeben werden muss, ist die grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass wir im Landtag einer Bürgschaft zustimmen werden.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist völlig richtig!)

Ich komme jetzt zu folgendem Punkt: Wir haben in den Vorgesprächen mit der Landesregierung, die uns bei der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs unterstützt hat – es handelt sich um einen Gesetzentwurf, den die Fraktionen eingebracht haben –,vereinbart,dass der Landtag bei großen Bürgschaften ab 25 Millionen c beteiligt wird. Das gilt auch für die Phase, nachdem sich der Landtag aufgelöst hat. Dementsprechend muss dann in dieser Phase der Hauptausschuss agieren.

Sollte also eine große Bürgschaft notwendig werden,dann würde dieses Haus über den Hauptausschuss eingebunden sein. Das ist übrigens sonst normalerweise nicht üblich. Denn das normale Tagesgeschäft macht die Landesregierung aufgrund der Ermächtigung durch das Haushaltsgesetz selbst.

In den Gesprächen der finanzpolitischen Sprecher wurde auch vereinbart, dass das natürlich nur so lange gilt, bis der neue Landtag zusammengetreten ist und es wieder einen Haushaltsausschuss gibt. Denn dann sollte man doch die Kompetenz des Haushaltsausschusses nutzen – so selbstbewusst sind wir – und dort über die Bürgschaften reden.

Das Gesetz soll endgültig auslaufen,wenn der neue Landtag einen Haushalt beschlossen hat. Wie groß dann der Bürgschaftsrahmen sein wird, das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Denn es ist zu Irritationen über die Größenordnung des Bürgschaftsrahmens gekommen.

Ich sagte es bereits: Aktuell haben wir dafür 300 Millionen c im Haushalt vorgesehen. Wir wollen heute einen Gesetzentwurf verabschieden, der als Gesetz ab heute bis zur Annahme eines neuen Haushalts gilt.Auf diesen Zeitraum befristet soll es einen Bürgschaftsrahmen in Höhe von 500 Millionen c geben. Dazu kann man noch das ver

wenden, was aus diesem Jahr übrig ist. Es ist aber nicht so, dass wir jetzt wegen eines Einzelfalls den Bürgschaftsrahmen von 500 Millionen c beschließen werden.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Allein schon aus ordnungspolitischen Gründen müssen wir bei Bürgschaften sehr sorgfältig prüfen, ob ein Unternehmen am Ende tatsächlich auch gewährleisten kann,zu überleben.Möglicherweise geht so etwas auch in Form von Sicherheiten. Das würde dazu führen, dass Anteile an dem Unternehmen als Sicherheit zur Verfügung gestellt werden. Eines sollten wir uns aber gut überlegen: Das ist die Frage der Verstaatlichung.

Abschließend möchte ich Ihnen dazu Folgendes sagen: Schauen Sie sich doch einfach einmal die letzten 60 Jahre der deutschen Geschichte an. Schauen Sie sich doch einmal an, ob nach 40 Jahren deutscher Geschichte der Trabbi oder der Opel überlebt hat. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei Ab- geordneten der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege Milde, danke sehr. – Für die SPD-Fraktion darf ich nun Herrn Schäfer-Gümbel das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Besondere Zeiten erfordern besondere Antworten. Ich glaube, wir haben es heute bei dem Dringlichen Gesetzentwurf, der gemeinsamen von den Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE eingebracht wurde, für ein Gesetz zur Übernahme von Garantien und Bürgschaften zur Stabilisierung von Unternehmen mit einem solchen besonderen Ereignis zu tun.

Es gibt zwei Situationen, die zu diesem Gesetzentwurf führten.

Erstens. Dazu werden wir heute noch ausführlicher zu reden haben. Ich meine die anstehende Auflösung des Hessischen Landtags und die Frage, wie handlungsfähig danach die geschäftsführende Landesregierung sein wird, wenn sie mit konkreten Krisen von Unternehmen umzugehen hat.

Ich sage Ihnen gleich zu Beginn: Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hat heute in ihrer Fraktionssitzung einmütig beschlossen, diesen Gesetzentwurf nicht nur mit einzubringen, sondern ihn auch mitzutragen und offensiv mit zu vertreten. Denn es geht um die Frage der Verantwortung für das, was in den nächsten Wochen ansteht.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte jetzt auf die zweite besondere Situation zu sprechen kommen. Dabei möchte ich einen kleinen Akzent anders setzen, als es Herr Kollege Milde eben getan hat. Der Gesetzentwurf ist natürlich aus Anlass der Debatte um Opel entstanden. Es handelt sich aber nicht um ein Opel-Gesetz. Das will ich ausdrücklich sagen. Aber natürlich geschah dies aus Anlass der Sorge hinsichtlich der Fragen, ob der Konzernzentrale in den Vereinigten Staaten die Insolvenz droht – ja oder nein – und welche Konsequenzen das für Opel, aber nicht nur für Opel, sondern vor allem auch für die ganzen Zulieferer hat.

Wir reden dabei in der Bundesrepublik insgesamt über immerhin etwa 75.000 bis 80.000 Arbeitsplätze. Die Politik kann nicht zusehen,wenn es um so viele Menschen,um so viele Betriebe, um so viele Strukturen mit den entsprechenden Familien dahinter geht.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben, nachdem wir in der vergangenen Woche – am Donnerstag im Rahmen von Telefongesprächen – erstmals damit konfrontiert wurden, ausdrücklich unsere Zustimmung zu einem solchen Weg signalisiert. Ich habe eben gesagt: Es ist Ausdruck auch unserer Verantwortung für das, was in den nächsten Wochen und Monaten zu passieren hat. – Wir haben letzte Woche ausdrücklich signalisiert, dass wir uns das als einen gemeinsamen Weg vorstellen.

Gemeinsam heißt eben auch, dass wir gemeinsam die Verantwortung für die Entstehung des Gesetzes – ich will mich ausdrücklich beim Finanzministerium für die Vorarbeiten bedanken –,aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit haben, weil wir erst gar nicht den Eindruck erwecken dürfen, dass dieses Thema jetzt sozusagen ein Spielball in einem anstehenden Landtagswahlkampf ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen will ich hier klar sagen: Herr Koch, wir waren über Ihre Pressearbeit am vergangenen Donnerstag schon sehr irritiert. Wir waren sehr irritiert über den Antrag der FDP – nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Methode.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Wir sind auch ausdrücklich irritiert über den Änderungsantrag der LINKEN.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wortmeldung des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, bemühen Sie sich jetzt nicht.Wir haben nur zehn Minuten. Sie können anschließend direkt auf mich antworten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Schade! Waren Sie gestern in Rüsselsheim?)

Ja, natürlich war ich gestern auf Einladung der Betriebsräte in Rüsselsheim, nachdem hier sozusagen jeder meint, sich dazu zu äußern. Ich sage das deswegen, weil am letzten Freitag ein Problem entstanden ist, auf das ich jetzt im Wesentlichen eingehen will, weil die Debatte in den letzten drei Tagen leider eine Schieflage erlitten hat, die ein paar Probleme verschärfen könnte. Seit Freitag letzter Woche ist zu bedenken – das hat sehr viel mit Wortwahl zu tun –,dass es sich im konkreten Fall um eine Frage von Sanierung handeln könnte.

Sie alle wissen, dass Sanierungsbürgschaften sofort europarechtlich ganz andere Konsequenzen auslösen, wo wir sozusagen politisch viel „Spaß“ mit den Fragen hätten: Was heißt das für die Beschäftigtensicherung? Was heißt das für die Standortsicherung? Was heißt das für die Sicherung von Investitionen mit allen Sanierungsplänen, die hintendran kommen?

Deswegen haben wir mit den Betriebsräten sehr präzise unsere Sprachregelung definiert, die sich an den realen Problemen orientiert.Was ist das reale Problem bei Opel? – Das reale Problem bei Opel ist, dass Opel nicht eigen

ständig am Kreditmarkt agieren kann. Das hat etwas mit der Konzernstruktur und der Frage zu tun, wie viele Verbindlichkeiten Opel innerhalb des Konzerns gegenüber der Zentrale hat und was passiert, wenn die Konzernzentrale in die Insolvenz geht, also ein Verfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code in den USA eröffnet wird, und dies automatisch dazu führt, dass bestimmte Forderungen, die die Adam Opel AG gegenüber der Konzernzentrale hat, landestechnisch anders verbucht werden müssen, mit allen Konsequenzen.

Genau für diese Situation – nämlich um die Frage der Vorsorge, wie wir die Zukunftsinvestition eines ansonsten gut aufgestellten Unternehmens bekommen, die Adam Opel AG hat ja nach vielen,vielen Krisen ihre Hausaufgaben in den letzten Jahren gemacht – haben wir gesagt: Das ist ein richtiger Weg. Das, was die Frage der Europatauglichkeit angeht, ist eine völlig andere Thematik. Ich sage das deswegen auch so klar, weil, was Herr Milde zu Recht angesprochen hat, nicht jeder kommen und glauben kann, dass der Staat einspringt, wenn es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schwierig wird, und das sozusagen ein Generalweg für alle ist.

Genau darum geht es nicht. Das ist der entscheidende Punkt. Ich weiß, dass das in der öffentlichen Debatte außerordentlich schwierig zu transportieren ist. Aber ich glaube, wir sind alle gut beraten, genau diesen Unterschied sehr deutlich zu machen, weil ansonsten Türen geöffnet werden, die wir nicht öffnen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das auch vor dem Hintergrund der eben sehr polemisch angesprochenen Variante der Verstaatlichung. Herr Milde, mich hat die gestrige Botschaft auch sehr verwundert; denn um Verstaatlichung kann es ganz sicherlich nicht gehen, wobei wir zur Frage, ob sozusagen der Trabi in der DDR überlebt oder GM in den USA, einmal abwarten, wie das Ende des Jahres aussieht.

(Zustimmung bei der SPD – Zurufe des Abg. Flo- rian Rentsch (FDP) und von der CDU)

Beim Trabi wissen wir es; das ist empirisch belegt. Herr Milde, der entscheidende Punkt ist ein völlig anderer.Wir haben überhaupt kein Interesse daran und können auch gar keines haben, über Verstaatlichungsvarianten nachzudenken. Worüber wir aber sehr wohl ein Interesse haben nachzudenken, ist, dass, wenn öffentliche Mittel für Bürgschaften verwendet werden,anschließend auch die öffentliche Hand – Parlament und Regierungen – Einfluss und Einsicht in das bekommen, was in den Konzernen stattfindet, die wir abgesichert haben, einschließlich der Zulieferer, die dahinter sind. Genau darum geht es.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der Punkt, warum wir hier über verschiedene Kriterien geredet haben. Ich will ausdrücklich sagen: Wir stimmen dieser Ausweitung, diesem Gesetz zu, weil es um Standortsicherung gehen muss. Es muss um Beschäftigtensicherung gehen, und es geht um Investitionssicherung. Es muss natürlich sichergestellt werden und wird keine ganz einfache Aufgabe sein, dass kein Geld der hessischen oder der bundesdeutschen Steuerzahler – weil die Priorität, dass der Bund Vorgaben machen muss, klar ist – in die Konzernzentrale in den USA abfließt.

Genau unter diesen Voraussetzungen, das haben wir gesagt, werden wir diesen Weg im Wissen mitgehen, dass es

keine Lex Opel ist, die wir hier heute beschließen – keine Lex Opel, sondern es geht um die Ausweitung des Bürgschaftsrahmens, im Übrigen eines Bürgschaftsrahmens, der im Vergleich aller Bundesländer sehr gering ist. Er ist deutlich niedriger als bei vielen anderen Bundesländern. Man wird sicherlich irgendwann sehr grundsätzlich darüber zu reden haben, ob wir vielleicht zukünftig eine Schippe drauflegen müssen.

Lassen Sie mich abschließend zu den Anträgen etwas sagen.Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.Wir werden den Änderungsantrag der LINKEN ablehnen – nicht, weil das alles falsch ist, was darin steht, sondern weil die Fragen, die aufgeworfen sind, Gegenstand interfraktioneller Gespräche waren und im Einzelfall geprüft werden müssen. Sie müssen im konkreten Einzelfall geprüft werden. Dann gibt es die Situation, dass wir ab einer bestimmten Größe das Notparlament einsetzen, danach den Haushaltsausschuss. Das ist ganz sicherlich auch ein Ergebnis der besonderen Situation, in der wir uns befinden.