Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Erstens. Der Nichtraucherschutz bleibt ein ganz wichtiges Anliegen der Hessischen Landesregierung. Es geht gerade darum, dass Jugendliche erst gar nicht anfangen sollen, zu rauchen, sondern dort ist ein ganz anderer Vorbildcharakter vorhanden. Das wissen wir aus vielen Studien.

Auf der anderen Seite muss man aber auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes im Auge haben. Herr Kollege Bartelt hat es gerade angesprochen: Drei Minister auf Bundesebene haben sich damit beschäftigt. Ursprünglich hatten die Länder von der Ministerpräsidentenkonferenz den Auftrag, einheitliche Nichtraucherschutzgesetze zu erlassen, da sich der Bund außerstande gesehen hat, eine bundeseinheitliche Regelung über das Arbeitsschutzrecht zu treffen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Die Ministerpräsidentenkonferenz kann den Ländern keine Aufträge erteilen!)

Ich bedauere es nach wie vor, dass der Bund dort keine einheitliche Regelung getroffen hat.

Der zweite Schritt ist dann gewesen, dass sich die Gesundheitsminister länderübergreifend auf Eckpunkte ver

ständigt haben. Ich bin sehr froh, dass wir uns im Hessischen Landtag sehr eng an diese Eckpunkte gehalten und sie mit einer breiten Mehrheit umgesetzt haben. Feststellen müssen wir aber heute, dass es in anderen Bundesländern einige durchaus weiter gehende Ausnahmen gibt.Ich glaube, dass man es völlig ohne Schaum vor dem Mund diskutieren kann, aber ernst nehmen sollte, dass wir es nicht geschafft haben,einen Flickenteppich zu vermeiden. Denn Fakt ist: Das Saarland hat eine komplette Ausnahmeregelung geschaffen. Nordrhein-Westfalen und Thüringen haben das Thema Gaststätten erst einmal ausgespart und wollen erst später eine Regelung dazu in Kraft setzen. Bayern und Hamburg haben Raucherklubs zugelassen, was auf gut Deutsch nichts anderes als eine Eckkneipenregelung ist, weil sich jeder zum Raucherklub machen kann. In Rheinland-Pfalz, in Sachsen und in Schleswig-Holstein gibt es vorläufige Entscheidungen von Gerichten.

Insofern denke ich, dass wir uns gemeinsam genau anschauen sollten, was gerade in den nächsten Wochen ansteht, nämlich die anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht. Dort sind immerhin 27 Verfahren anhängig, die sich gegen die Verbote in Hamburg, in Hessen, in Rheinland-Pfalz, in Mecklenburg-Vorpommern, in Niedersachsen, in Bayern, in Baden-Württemberg und in Berlin richten. Am 11. Juni verhandelt das Bundesverfassungsgericht. Ich glaube, wir alle, alle Fraktionen gemeinsam, sind sehr gut beraten, auch diese Anhörung beim Bundesverfassungsgericht am 11. Juni in unsere Überlegungen bei der Ausschussberatung einzubeziehen, da ich davon ausgehe, dass nicht nur die hessischen Gerichte, bei denen die Verfahren anhängig sind, sondern eben auch das Bundesverfassungsgericht uns wichtige Hinweise geben, wie bei uns im Land verfahren werden kann.

Auf der einen Seite gab es eine große Einigkeit über den Nichtraucherschutz. Auf der anderen Seite war es auch das Ziel, Flickenteppiche vermeiden. Denn wir reden nicht davon, dass Menschen zwischen Wiesbaden und München wechseln, sondern zwischen Mainz und Wiesbaden ist nur die Rheinbrücke.

(Beifall der Abg. Petra Müller-Klepper (CDU) und Florian Rentsch (FDP))

Ich sehe aber auch durchaus, dass das vorläufige Entscheidungen sind. Vor dem Bundesverfassungsgericht wird das baden-württembergische Gesetz als erstes verhandelt. Dieses Gesetz hat sich, wie unseres, sehr eng an die gemeinsam verabredeten Eckpunkte gehalten. Insofern werden sich aus der Entscheidung wichtige Hinweise für den gesamten Nichtraucherschutz ergeben.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in den Beratungen gemeinsam weiter abwägen müssen, und zwar dass wir den Nichtraucherschutz nicht aushöhlen wollen auf der einen Seite, dass wir die Wirte, insbesondere von kleinen Eckkneipen, in Hessen nicht anders behandeln wollen als in anderen Bundesländern. Das gehört aus meiner Sicht der Ehrlichkeit halber dazu. Es war das Ziel auch der Gesundheitsminister der Länder, einheitliche Regelungen zu finden.

Ich glaube, dass gerade die große Akzeptanz der bisher bestehenden Regelung gezeigt hat,dass es Sinn macht,bei einer solchen Umstellung, wie wir sie hier vorgenommen haben, die sehr viel für den Gesundheitsschutz bringt, gemeinsam zu beraten und eine breite Mehrheit für solche gesetzlichen Regelungen zu finden.Deswegen müssen wir im Ausschuss schauen, dass wir, wenn wir die Ergebnisse

der Verhandlung vom 11. Juni haben, Räume finden, über die Eckkneipen miteinander zu sprechen. Genauso müssen wir auf der anderen Seite über die Innovationsklausel reden und gleichzeitig schauen: Findet man dort auch Lösungsansätze,um Möglichkeiten zu schaffen,dass sie nicht gegenüber anderen Ländern benachteiligt sind?

Wenn man das alles zusammennimmt, bin ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass wir eine Lösung finden, die ganz klar den Nichtraucherschutz an erster Stelle sieht, die an zweiter Stelle aber auch ganz klar macht:Wir wollen keinen bundesweiten Flickenteppich. Wir wollen einheitliche Regelungen der Länder.Wenn sich viele Länder nicht an diese gemeinsamen Verabredungen gehalten haben, dann darf dies nicht zum Nachteil der kleinen hessischen Kneipen sein.

Zu den Fragen, ob sie die dann Raucherklubs nennen, wie das im Moment die Bayern und die Hamburger machen, ob es verwaltungsgerichtliche Entscheidungen gibt, dazu meine ich, dass wir gemeinsam die Ausschussberatungen abwarten sollten und die Überlegungen einbeziehen sollten.Wir sollten das dort mit Ruhe und Gelassenheit unter dem Gesichtspunkt gemeinsam verhandeln, dass auf der einen Seite der Nichtraucherschutz steht und damit auch die Prävention gerade für Kinder und Jugendliche weiter groß geschrieben wird, wir auf der anderen Seite aber keine hessischen Sonderwege gehen, sondern gemeinsam mit den anderen Bundesländern nach Lösungen suchen. Das ist das, was die Landesregierung dort vertritt. Ich bin davon überzeugt,wenn wir vernünftig gemeinsam in diese Ausschussberatungen gehen, haben wir auch die Chance, wie bei dem ersten Gesetz zu einer gemeinsamen breiten Mehrheit in diesem Landtag zu kommen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herzlichen Dank,Frau Staatsministerin Lautenschläger.– Dann schaue ich noch einmal in die Runde.Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Damit ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutze vor den Gefahren des Passivrauchens erfolgt.

(Frank Gotthardt (CDU): Die LINKE ist sprachlos!)

Es ist vereinbart, den Gesetzentwurf an den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann wird so verfahren.

Ich rufe dann Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) – Drucks. 17/133 –

Das Wort zur Begründung hat Herr Abg. Greilich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Anpassung des HSOG vorgelegt, also des hessischen Polizeigesetzes. Das ist ein Thema, das wir in der Tat in aller Ruhe und Sachlichkeit bereden sollten, aber auch in aller

Dringlichkeit. Die Gestaltung von Polizeirecht – darum geht es hier – ist die Kunst, die Balance zwischen der Gewährleistung von Sicherheit für unsere Bürger einerseits und der Sicherung der Freiheitsrechte andererseits herzustellen. Ich will dabei von vornherein klarstellen, damit keine Missverständnisse aufkommen: Uns als FDP ist sehr bewusst, dass es Freiheit ohne ausreichende Sicherheit letztlich nicht geben kann und dass sich die Fragestellungen im Polizeirecht insoweit in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert haben.Wir müssen ein ausreichendes Maß an Sicherheit für unsere Bürger gewährleisten, damit ein Leben in Freiheit überhaupt möglich ist. Insofern sehen wir auch großen Handlungsbedarf bei der Anpassung des hessischen Polizeirechts.

(Beifall bei der FDP)

Ich will auch sagen, woher dieser Handlungsbedarf rührt. Er rührt daher, dass wir in den letzten Jahren eine Gesetzgebung in Hessen gehabt haben, die an vier wesentlichen Stellen zur Verfassungswidrigkeit der hessischen polizeirechtlichen Regelungen führt, mit der Folge, dass wir nicht in ausreichendem Maß tätig sein können. Also ist es ein Gebot der Stunde und die Aufgabe des Parlaments,das Polizeirecht dem Verfassungsrecht anzupassen.

In unserem Gesetzentwurf geht es um vier Punkte. Das Erste ist die akustische Wohnraumüberwachung, der sogenannte Lauschangriff, das Zweite die Telekommunikationsüberwachung, das Dritte die automatische Kennzeichenerfassung und das Vierte die Rasterfahndung. Über allem, was wir in unserem Gesetzentwurf vorschlagen, steht das Postulat des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung z. B. für die akustische Wohnraumüberwachung, die Telekommunikationsüberwachung sicherzustellen ist.

(Beifall bei der FDP)

Das erste Thema, die akustische Wohnraumüberwachung, erfordert im hessischen Gesetz zwei Änderungen, die wir Ihnen hiermit vorschlagen. Ich will die Vorschläge nicht im Einzelnen zitieren – das können Sie nachlesen –, Ihnen aber sagen, um was es in der Sache geht. Das Erste ist die klare Abgrenzung des Lauschangriffes, also eine Einschränkung dahin gehend, dass er nicht den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen darf und dass dann, wenn dieser Kernbereich berührt wird, ein entsprechender Lauschangriff sofort abzubrechen ist. Die dabei bereits gewonnenen Informationen unterliegen dadurch einem Verwertungsverbot.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist die Notwendigkeit einer Ausnahme von jeglicher Art der Wohnraumüberwachung für Berufsgruppen, die als Geheimnisträger anerkannt sind. Ich nenne Pfarrer, Ärzte, Juristen und Journalisten. Ich habe es schon einmal gesagt, das Beichtgeheimnis, das Anwaltsgeheimnis, das Arztgeheimnis sind unantastbar, und das muss auch im HSOG so stehen.

Bei der Telekommunikation geht es um die gleichen Stichworte. Es geht zum einen um die Eingrenzung, den Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung, der der Telekommunikationsüberwachung entzogen werden muss. Zum anderen geht es um den Schutz der Geheimnisträger, die entsprechend auszunehmen sind.

Ein dritter Bereich ist das, was zu einem spezifischen Regelungsfall in Hessen geführt hat, nämlich die automatisierte Kennzeichenerfassung. Wir wollen Ihnen hier eine

verfassungsgemäße Regelung vorschlagen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die hessische Regelung als rechtswidrig bezeichnet hat. Die Formulierung, die wir Ihnen vorschlagen, orientiert sich an der aktuellen brandenburgischen Regelung, die vom Verfassungsgericht ausdrücklich als verfassungskonform bewertet worden ist.

Wir kombinieren in dieser Vorschrift einerseits eine relativ enge Eingrenzung der Eingriffsvoraussetzungen mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und geben auf der anderen Seite einen weit gefassten Verwendungszweck. Die erfassten Daten dürfen ausschließlich für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Straftatenverhütung verwendet werden.

(Beifall bei der FDP)

Was wir grundsätzlich ablehnen, ist die Kennzeichenerfassung zur Erstellung von Bewegungsprofilen. Die wird durch unsere Formulierung genauso ausgeschlossen wie die Einrichtung von Dauerkontrollstellen.

Der vierte Bereich, für den Regelungsbedarf besteht, ist, die Ermächtigungsgrundlage für eine Rasterfahndung auf eine verfassungsgemäße Grundlage zu stellen. Wir haben derzeit eine Regelung, die zwar noch nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist, die es aber ohne Frage ist, wie jeder Rechtsexperte, der sich damit befasst hat, bestätigt. Sie kollidiert mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 1. April 2006, wonach eine Rasterfahndung nicht möglich ist, wenn eine allgemeine Gefahrenlage vorliegt, die nicht näher definiert wird, sondern nur dann, wenn eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter besteht. Heute haben wir diese Einschränkung in der gesetzlichen Regelung nicht. Ich habe im Vorfeld der Debatte schon gehört, in Hessen habe man eine verfassungsgemäße Praxis der Anwendung des Gesetzes.

(Günter Rudolph (SPD): Interessanter Aspekt!)

Es tut mir leid, ich habe irgendwann auch einmal Jura studiert und dabei gelernt, dass eine Regelung, die verfassungswidrig ist, nichtig ist. Wenn die Regelung nichtig ist, taugt sie nicht als Ermächtigungsgrundlage. Wenn ich keine Ermächtigungsgrundlage habe, dann ist die Rasterfahndung schlichtweg rechtswidrig.

(Beifall bei der FDP)

Insofern besteht in diesem Bereich auch dringender Handlungsbedarf. Wir müssen, wenn wir die Möglichkeiten im verfassungsmäßig zulässigen Rahmen nutzen wollen, auch eine vernünftige Regelung finden.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen aufgeführt, welche vier Regelungen der Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des HSOG vorsieht. Ihnen wird vielleicht aufgefallen sein, dass ein fünfter Punkt, der in der Öffentlichkeit eine erhebliche Rolle spielt, in diesem Gesetzentwurf nicht auftaucht, mit gutem Grund. Hierbei handelt es sich um die Onlinedurchsuchung. Genau deshalb taucht er auch nicht auf.Wir als FDP sind der Auffassung – das wollen wir in dieser Debatte auch klarstellen –, dass es eine Onlinedurchsuchung nicht geben darf, dass es sie insbesondere auch in Hessen nicht geben darf. Deswegen ist eine entsprechende Regelung im hessischen Polizeirecht nicht vorgesehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich nehme an, dass Sie alle die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Punkt zur Kenntnis genommen haben. Wenn Sie ein Gesetz machen wollen,

das sich an den extrem engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert, dann würden Sie ein Gesetz machen, das letztlich in seiner Anwendung wirkungslos bliebe. Es ergäbe sich also kein praktischer Fall, in dem dieses Gesetz Wirkung zeigen könnte.

Wenn dies aber so ist, braucht man erst gar kein Gesetz zu machen, das dann ohnehin wirkungslos wäre, oder aber man nähme in Kauf, wenn eine gesetzliche Grundlage da wäre, hätte man die Möglichkeit, sich über die Grenzen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit hinwegzusetzen. Dies wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei der FDP)

Für alles das, was ich gesagt habe, gilt: Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse, wir wollen kein allgemeines Heimatschutzministerium, wir wollen keinen Generalverdacht gegenüber unseren Bürgern, deswegen wird es keine Homeland Security mit uns geben.Was wir aber auf der anderen Seite wollen, ist, Sicherheitslücken zu schließen, die heute in unserem Sicherheitssystem bestehen. Deswegen brauchen wir verfassungsgemäße Regelungen. Wir brauchen sie bald, wir brauchen sie nicht erst in einigen Monaten oder Jahren, wenn sich Berlin mit seiner unseligen schwarz-roten Mehrheit einmal dazu durchgerungen haben sollte, ein BKA-Gesetz zu verabschieden.

(Beifall bei der FDP)