Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

Speziell adressiert an das UKGM lassen sich die Empfehlungen wie folgt skizzieren. Die Beteiligung auf allen Feldern als gleichberechtigte Partner und die auf der Strategie der Fachbereiche aufbauenden komplementären Schwerpunkte in der Krankenversorgung sind umzusetzen. Es muss eine Personalplanung gewährleistet sein, die Forschung und Lehre vertragsgemäß ermöglicht. Und es muss eine Entwicklung eines universitätsspezifischen Benchmarkings geben. Es geht auch um die Initiierung und Finanzierung zusätzlicher Forschungs- und Lehraktivitäten sowie transparenter betriebswirtschaftlicher Ziele und Ergebnisse. Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diesen Prozess soll der Mediator steuern.

Ich will zum Schluss darauf hinweisen, dass die Universitätskliniken in Deutschland immer mehr Patienten mit immer schwereren Erkrankungen behandeln und für klinische Innovation und Lehre zuständig sind und dass in diesem Bereich das Universitätsklinikum Marburg-Gießen als drittgrößter Standort bundesweit enorme Bedeutung hat. Wir werden dafür sorgen, dass die Zukunft der universitären Medizin in Hessen die elementare Bedeutung behält, die sie jetzt hat. Wir werden auch dafür sorgen, dass Gießen und Marburg darauf achten, dass Forschung und Lehre und Krankenversorgung in optimaler Weise geschehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erwarte – darauf werde ich drängen – auch von der Konzernleitung einen kooperativen Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit der Universität und mit dem gesamten Personal. Da ist viel Porzellan zerschlagen worden. Aber ich glaube, wenn wir auf dem Weg mit einem Mediator und einer Vereinbarung, in der sich alle dazu bekennen, vertrauensvoll weiterarbeiten,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wie soll das gehen?)

werden wir die Unsicherheiten insbesondere für die Bürger, die in den vergangenen Tagen entstanden sind, beheben können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke, Frau Staatsministerin. – Ich darf Herrn Dr. Spies für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin, wenn ich eben gehört habe, dass Sie die Privatisierung von Gießen und Marburg als Erfolgsgeschichte darstellen, dann frage ich mich: Wovon träumen Sie nachts?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wenn ich als Nächstes von Ihnen höre, dass Sie nach sechs Jahren auf die Umsetzung des Kooperationsvertrags

drängen wollen, dann frage ich Sie: Was haben Sie denn sechs Jahre lang getan, Frau Staatsministerin?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Von Ihnen träumt die bestimmt nicht! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Albträume!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Zitat einer Krankenschwester vom letzten Samstag beginnen. Sie sagte:

Die Menschen übertragen uns doch ihr ganzes Leben. Sie kommen zu uns und geben uns die ganze Verantwortung. Und wir wollen die ja gerne tragen. Aber wir schaffen es einfach nicht mehr.

Meine Damen und Herren, Menschen dem auszusetzen – Beschäftigte wie Patienten –, ist unanständig, und zwar zutiefst unanständig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wer so mit Menschen umgeht, mit Beschäftigten wie mit Patienten, ist zur Führung von Krankenhäusern nicht geeignet. Wenn an dieser Stelle Vertrauen gebildet werden soll, dann wäre es vor allem auch an der Zeit, über die Spitze der Rhön-Klinikum AG nachzudenken, die dafür offenkundig nicht geeignet ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Frau Kühne-Hörmann, ich würde gerne weiter auf Sie eingehen. Man hat nur das Gefühl, das bringt nicht so viel. Sie erfahren sogar von der Absage der Partikeltherapie aus der Zeitung.

Nein, meine Damen und Herren, verantwortlich für diese Vorgänge ist nur einer. Und der sitzt hier neben mir. Das ist der Ministerpräsident. Herr Bouffier, Sie ganz persönlich haben nach der Ankündigung der Fusion durch Roland Koch die Privatisierung betrieben. Der war ja lange zurückhaltend. Sie wollten die Privatisierung. Deshalb sind auch Sie ganz persönlich in der Pflicht gegenüber den Beschäftigten, den Patienten, Forschung und Lehre und der Region – Herr Ministerpräsident, Sie ganz persönlich.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Stattdessen versuchen Sie es wieder einmal mit Hinhaltetaktik in der Hoffnung, es werde keiner merken. Sie versuchen, der Verpflichtung auszuweichen, und das konnte man letzte Woche sehr genau sehen: Donnerstags gab es für die Beschäftigten Herrn Wintermeyer, montags für die Bosse Herrn Bouffier. Da wissen wir, wo bei Ihnen die Prioritäten liegen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU): So ein Quatsch! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Völlig neben der Sache!)

Da sich die Rhön-Klinikum AG den Kaufpreis letztendlich wieder aus dem Betrieb zurückholt, war doch jedem klar: Von den 640 Millionen €Wert des Klinikums wurden 367 Millionen € als Krankenhausförderung erlassen, die in die Standorte investiert wurden. Anschließend wird zulasten von Patienten, Beschäftigten, Forschung und Lehre doppelt abgerechnet. Nur so funktioniert Krankenhausprivatisierung, auch in Mittelhessen. Genau das hätte jeder vorher wissen können, wenn er es hätte wissen wollen. Aber Sie wollten nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SDP)

Jetzt droht tatsächlich – das hätte jeder von Anfang an sehen können – ein die Qualität und die Patientensicherheit gefährdender Personalabbau. Das sage nicht nur ich, das sagen nicht nur zahlreiche Untersuchungen, sondern inzwischen sagt sogar die lokale CDU, dass das gefährlich wird.

(Günter Rudolph (SPD): Was?)

Wenn man den Mitarbeitern aus vielen Gesprächen glauben darf, dann gibt es gar keine Reserven, keine Sicherheitsmargen, nichts mehr. Wenn man die Presseberichte hört, die zahlreichen Zuschriften und Briefe liest, all die Veröffentlichungen über Hygienezustände, über den Umgang in der Patientenversorgung, über die Überlastung der Ärzte im Notfallbereich, über fliehende Wissenschaftler auf allen Ebenen, und Sie erklären, das sei eine Erfolgsgeschichte, dann haben Sie von den örtlichen Verhältnissen offenkundig nichts verstanden.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt sollen erneut 500 Arbeitsplätze abgebaut werden. Schließlich, als es offenkundig eng wird, als auch die Chefärzte erklären: „So geht es nicht“,

(Holger Bellino (CDU): Lesen Sie keine Zeitung mehr?)

kommt Volker Bouffier, der schwarze Ritter in funkelnder Rüstung, und zieht das flammende Schwert. Aber das flammende Schwert ist nicht mehr als ein abgebrannter Zahnstocher, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): So ein Schwachsinn!)

Mit Ihren 5 % Beteiligung haben Sie da überhaupt nichts zu sagen, Herr Ministerpräsident.

(Judith Lannert (CDU): Sie sind ja ein Komödiant!)

Sie haben noch nicht einmal einen Sitz im Aufsichtsrat ausgehandelt. Sie haben keinen Zugriff auf Zahlen. Nicht einmal der Rechnungshof darf die Bilanz prüfen. – Frau Ministerin, Sie sollten einmal in den Vertrag schauen. Ges tern wussten Sie leider nicht, dass noch nicht einmal der Rechnungshof die Bilanzen überprüfen darf.

Tatsächlich findet der Personalabbau längst durch Nichtverlängerung befristeter Verträge statt. Da fragt man sich, Herr Ministerpräsident: Haben Sie mit Ihrer großartigen Erklärung wenigstens ein Moratorium bekommen? Werden jetzt zur Verlängerung anstehende Verträge verlängert, oder geht es doch nur um Zeitgewinn? Geht es nur darum, jetzt ein bisschen Ruhe hineinzubringen, damit man still und leise genau den Personalabbau exekutieren kann, gegen den Sie angeblich ein Machtwort gesprochen haben? Ein Machtwort mit 5 % Gesellschafterbeteiligung und ohne irgendwelche Einflussrechte – na, danke.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, dem Personalabbau kann man nur durch gesetzliche Personalstandards begegnen. Wenn man den Krankenhäusern durch Gesetz vorgibt, wie viel Personal sie haben müssen, dann kann kein gefährlicher Personalabbau stattfinden. Dann ist der ganze Spuk mit der Privatisierung allerdings auch ziemlich schnell vorbei.

Da der Verkauf – wir erinnern uns – nur durch ein verfassungswidriges Gesetz möglich war,

(Holger Bellino (CDU): Das ist doch absoluter Nonsens!)

mit dem elementare Rechte der Beschäftigten verletzt wurden, ist das Land aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts in jeglicher Pflicht, jeden, der zum Land zurückwill, auch zurückzunehmen und niemandem betriebsbedingt zu kündigen.

(Holger Bellino (CDU): Bei Ihnen wäre die Klinik längst verschwunden!)

Wenn nicht jetzt, wann wäre es dann an der Zeit, dass Sie endlich einmal diese Festlegung für das Land treffen? Wer zurückkommt, fliegt nicht heraus. Herr Ministerpräsident, wenigstens diesen Satz erwarten wir heute von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Tatsächlich aber ist Ihre windelweiche Verzögerungstaktik höchst durchsichtig. Sie wissen überhaupt nicht, ob 500 Stellen abgebaut werden oder nicht. Die erste Voraussetzung wäre Transparenz. Das hieße, dass Sie Fallzahlen und Personalzahlen kennen, dass Sie wissen, wie viele Personen wie viele Stunden in welchen Bereichen beschäftigt sind, wie viel Pflegepersonal in Vollzeit und wie viel in Teilzeit auf welcher Station arbeitet, wie viele examinierte Kräfte und wie viele Schülerinnen es sind, wie viele Überstunden anfallen.

(Zurufe von der CDU: Oje!)

All diese Dinge müssten Sie doch wissen, um überhaupt beurteilen zu können, ob Sie nicht selber gerade über den Tisch gezogen werden, Herr Ministerpräsident. Seit sechs Jahren fragen wir Sie nach der Personalentwicklung am UKGM. Seit sechs Jahren können Sie uns das nicht sagen. Als die Frau Ministerin prüfen musste, welche Beschäftigten zurückkommen, brauchte sie vier Monate, um auch nur eine Zahl sagen zu können, weil sie gar nicht an die Personalakten herankam, geschweige denn, an die Daten. Sie haben überhaupt keine Möglichkeit, zu entscheiden, ob das, was Sie vollmundig verkünden, überhaupt Wirklichkeit wird. Herr Ministerpräsident, lassen Sie sich über den Tisch ziehen, oder ziehen Sie mit diesen Äußerungen die Beschäftigten über den Tisch?

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wenn Sie Vertrauen wiederherstellen wollen, dann müss ten Sie erst einmal sicherstellen, dass Sie überhaupt etwas zu sagen haben, dass Sie überhaupt eigene Einflussmöglichkeiten haben. Das geht nur durch gesetzliche Regelungen wie Personalstandards. Wenn Sie Vertrauen wiederherstellen wollen, dann reicht es nicht, die Backen aufzublasen und mit dem Zahnstocher zu wedeln, dann muss Substanz her.

(Lachen der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))