Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

Unser Gutachten setzt gerade an diesem Punkt an. Es besagt eben, dass die dritte Stufe des Länderfinanzausgleichs so nicht bleiben kann. In dieser dritten Stufe werden ungefähr 7 bis 8 Milliarden € auf die anderen Länder verteilt. Drei bis vier Länder zahlen ein, die anderen greifen darauf zu. Unser Vorschlag wäre, diese horizontale Verteilung, diese 7 bis 8 Milliarden €, die eigentlich nur einen relativ kleinen Teil des gesamten Länderfinanzausgleichs ausmachen, in eine vertikale Verteilung der Umsatzsteuer zu bringen und dafür einen allgemein akzeptierten Verteilungsschlüssel zu finden. Wir schlagen auch vor, diesen Verteilungsschlüssel an demografische, soziale und finanzpolitische Gegebenheiten zu binden.

Frau Kollegin Erfurth, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich danke Ihnen für den Hinweis. – Der Vorteil dieser Verteilung wäre, das ist der abschließende Satz, dass wir endlich die Diskussion vom Tisch kriegen, dass derjenige, der mehr einnimmt, dies letztendlich nicht behalten kann. Das wäre der Vorteil. Der Vorschlag liegt seit einem Jahr auf dem Tisch. Es wäre uns sehr recht, wenn endlich einmal darüber gesprochen würde und Verhandlungen begonnen würden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Schäfer.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der beträchtlichen Belastungsvolumina, die der Länderfinanzausgleich seit vielen Jahren und Jahrzehnten zulasten des hessischen Landeshaushalts ausmacht, ist die Anzahl der stattgefundenen Debatten im Hessischen Landtag jedenfalls nicht überdimensioniert. Wir diskutieren hier teilweise viel häufiger und intensiver über Fragen, deren zumindest monetäre Auswirkungen in sehr viel geringeren Dimensionen von Bedeutung für das Land Hessen sind. Insofern freue ich mich, wenn der Landtag die Gelegenheit nimmt, sich mit diesen Problemkreisen auseinanderzusetzen.

Lassen Sie mich an dem anknüpfen, was Frau Erfurth eben vorgetragen hat. Wir sind dankbar für jeden weiteren Diskussionsbeitrag zu der Frage: Wie können wir dieses extrem komplexe System künftig entflechten und neu gestalten? – Ich war auch dankbar für das Gutachten, das die GRÜNEN in Auftrag gegeben haben. Ich wäre nur dankbar, wenn es dann einmal vollständig vorgelegt werden könnte. Frau Prof. Behnke hatte angekündigt, noch eine sehr präzise Rechnung machen zu können, wie sich was auswirkt. Zumindest habe ich die Zahlen bisher nicht gesehen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben sie! Alles da!)

Dann wäre es schön, wenn Sie sie uns auch einmal zuteilwerden lassen, weil der Vortrag hier im Hause: „Wir haben vor einem Jahr ein Gutachten vorgelegt, nun beschäftigt euch einmal damit“, zumindest der Ergänzung bedurft hätte: „Wir haben es euch noch nicht vollständig vorgelegt.“

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Parallel zu den Diskussionen, die wir hier führen, wissen Sie, dass die drei Ministerpräsidenten, Herr Kretschmann, Herr Seehofer und Herr Bouffier, vereinbart haben, in den nächsten Wochen gemeinschaftlich Gespräche auf der Ebene der Ministerpräsidenten, unterstützt durch die Chefs der Staatskanzleien, zu führen und zu versuchen, bis Mitte des nächsten Jahres einen Korridor konsensfähig zu identifizieren, auf dessen Basis dann zielgerichtet einzelne Elemente abgearbeitet werden sollen.

Das setzt natürlich voraus, dass auf der Seite der Nehmerländer auch eine grundsätzliche Bereitschaft identifiziert werden kann, über diese Punkte zu reden. Das, was mir bisher aus den Beratungen berichtet worden ist – ich formuliere das mit diplomatischer Zurückhaltung –, war jedenfalls nicht so, dass man die Hoffnung mit besonderem Überschwang jetzt schon feiern dürfte. Ich hoffe, dass es gelingt, weil auch die Nehmerländer teilweise – auf den ersten Blick wirkt das widersprüchlich – identische Interessenlagen wie die Geberländer haben. Denn wir haben teilweise so absurde Konstruktionen, dass insbesondere bei den Nehmerländern eine Einnahme von 1 Million € mehr zu einem Abzug von der gleichen Million in anderen Strukturen von Bundesergänzungszuweisungen des Länderfinanzausgleichs führt, sodass es diese Motivation insbesondere für die Nehmerländer, sich um eigene Mehreinnahmen zu bemühen, praktisch nicht gibt.

Deshalb gibt es dort übereinstimmende Interessenslagen, die man nun versuchen muss in vernünftige Gesetzgebung zu fassen. Es gibt aber auch ein paar Punkte, die man strukturell überwinden muss. Die Einwohnerveredelung sorgt für zweierlei Probleme: Zum einen ist es aus heuti

ger Sicht nicht einsehbar, wenn man schon glaubt, man müsse Einwohner in Stadtstaaten veredeln – auch das kann man schon bestreiten –, dies einheitlich mit 135 % zu nivellieren. Dass natürlich die Veredelungsnotwendigkeit in Bremen eine andere sein muss als in Hamburg und möglicherweise wieder eine andere als in Berlin, das, so glaube ich, leuchtet bei der Betrachtung des jeweiligen Stadtstaates unmittelbar ein. Da müssen wir herangehen.

Es gibt auch einen zweiten Punkt. Die eigentlich notwendige Diskussion um die Neugliederung des Bundesgebietes verhindert genau diese Einwohnerveredelung. Wenn Hamburg und Schleswig-Holstein über die Frage nachdenken würden, ob sie ihre beiden Länder zusammenfassen sollen, würde das neue Konstrukt Hamburg plus Schleswig-Holstein im Verhältnis zu der bisherigen Situation wegen des damit einhergehenden Verlustes des Stadtstaaten-Status etwa 1 Milliarde € im Jahr weniger haben. Dann ist doch klar, dass die Prozesse, die wir für notwendig halten, nicht vorankommen. Deshalb muss diese Geschichte auf den Prüfstand. Sonst werden wir diese Stadt-Umland-Konflikte, die wir rund um Berlin, rund um Bremen und rund um Hamburg sehen, nie vernünftig auflösbar sein. Insofern müssen wir strukturell an diese Geschichten heran.

Ich hoffe sehr, dass es den drei Ministerpräsidenten gelingt, dort ein größeres Maß an Sensibilität jenseits der üblichen Plakatsätze und Ängste mancher Nehmerländern zu schaffen, dass auch über manche Fragen der Ausgabenpolitik in diesen Ländern diskutiert wird und eine Chance eröffnet wird, sachlich die einzelnen Punkte abzuarbeiten. Anlass dafür ist zur Genüge vorhanden. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist der Punkt 53 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 52 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunden (Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst – auch Hessens Angestellte sind mehr wert) – Drucks. 18/5472 –

Das Wort hat der Kollege Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zwischenruf von Herrn Kaufmann hat sich schon wieder als Spaßbremse herausgestellt.

Meine Damen und Herren, die Bundesarbeitsministerium Frau von der Leyen sagte im Februar in der „Bild“-Zeitung – ich darf zitieren –: „Das Grundversprechen der sozialen Marktwirtschaft lautet: Wenn alle fleißig mitarbeiten, werden alle am Erfolg und Wohlstand beteiligt.“ Etwa zur gleichen Zeit erklärte der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Rainer Brüderle, dass deutliche Lohnerhöhungen sinnvoll seien.

(Beifall bei der LINKEN)

Was deutliche Lohnerhöhungen sind, Herr Staatssekretär, haben die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst mit ihren Tarifforderungen – 6,5 %, mindestens 200 € sowie 100 € für die Auszubildenden und deren unbefristete

Übernahme – zum Ausdruck gebracht. Das erste Arbeitgeberangebot – durchschnittlich 1,7 % und eine Einmalzahlung von 200 € – ist eine Provokation der Gewerkschaften. Durchschnittlich waren es 1,7 %. Ich höre immer etwas von 3,3 % in den Nachrichten, wobei für die nächsten zwei Jahre gerechnet dieses Angebot weiteren Reallohnverlust bedeutet; denn die Preissteigerungsrate beträgt derzeit schon 2,3 %.

Deshalb sind die zurückliegenden massiven Warnstreiks mit mehr als 25.000 Beteiligten allein in Hessen ein klares Signal an die Adresse der öffentlichen Arbeitgeber, in den Verhandlungen, die gestern aufgenommen wurden, nun auch Zugeständnisse zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gut funktionierende öffentliche Dienste sind notwendig für eine funktionierende Gesellschaft. Das wird leider allzu oft vergessen, Herr Kaufmann. Aber gut funktionierende öffentliche Dienste brauchen auch motivierte Beschäftigte, und die gibt es nicht zum Nulltarif. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben Nachholbedarf.

Die Realität: Beim Bund und bei den Gemeinden wird weniger verdient als in der Privatwirtschaft. Diese Tendenz hat sich leider in den letzten Jahren fortgesetzt. Betrachtet Frau oder Mann die Entwicklung der Tariflöhne ab 2000, so ist festzustellen: eine Steigerung in der Metallindustrie um 30 %, eine Steigerung in der Gesamtwirtschaft um 27 % und eine Steigerung im öffentlichen Dienst nur um 22,5 %.

Es kann nicht sein, dass eine Meisterin oder ein Meister in der Metallindustrie monatlich deutlich mehr als eine Meisterin oder ein Meister mit genau den gleichen Tätigkeiten im öffentlichen Dienst verdient. Ein ÖffentlicherDienst-Abschlag ist nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerne wird an dieser Stelle von den Arbeitgebern und der Politik auf die angebliche Sicherheit der Arbeitsplätze hingewiesen. Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sind aber nur so lange sicher, wie die Beschäftigten auch gebraucht werden. Erzieherinnen und Krankenschwestern werden händeringend gesucht, ebenso wie Fachleute in den Bauhöfen und in der Verwaltung. Also müssen sie ordentlich bezahlt werden. Der Mangel an Fachkräften – auch im öffentlichen Dienst – ist aber selbst verschuldet. Denn seit über 20 Jahren werden im öffentlichen Dienst überproportional viele Arbeitsplätze abgebaut.

Betrachten wir die Entwicklung der Tarifbeschäftigten von 1991 bis 2010, stellen wir erschreckt fest: In den Kommunen wurde die Zahl der Beschäftigten von 1,9 Millionen auf 1,1 Millionen reduziert. Also waren es 800.000 weniger. Beim Bund, wo 600.000 Beschäftigte waren, sind es jetzt noch 150.000, also 450.000 weniger. Auch im öffentlichen Dienst hat also eine erhebliche Produktivitätssteigerung stattgefunden.

Krankenschwestern, Erzieherinnen, Busfahrer, Müllmänner, Feuerwehrleute und Flugzeugabfertiger, angestellt in Verwaltung und sozialen Berufen, sie alle leisten einen wichtigen Dienst für die Allgemeinheit und auch für die Wirtschaft. Ohne öffentliche Dienste und ohne den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur könnte auch Opel nicht produzieren. Die Entwicklung der privaten Wirtschaft ist also untrennbar mit der Entwicklung des öffentlichen Dienstes verbunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen – lassen Sie mich das zum Schluss sagen – auch im öffentlichen Dienst endlich wieder eine Erhöhung der Reallöhne, finanziert durch eine gerechte Steuerpolitik, durch eine Finanztransaktionssteuer, eine gerechte Vermögensteuer und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, damit die Reichen endlich zur Kasse gebeten werden.

(Zuruf von der CDU: Oh Mann! Klassenkampf pur!)

Nur das wäre gerecht, weil sie es wert sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Das Wort hat der Abg. Günter Rudolph für die SPD-Fraktion.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, ich mache mir langsam Sorgen.

(Zuruf von der FDP: Das war nur eine freundliche Frage!)

Nein, aber ich mache mir langsam Sorgen. Er wirkt auch nicht so entspannt. Das ist schlecht für den Blutdruck. Ich weiß, die Lage ist schwierig, aber versuchen Sie trotzdem, ein bisschen zu entspannen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich erinnere an den 3. März 2011. Am 3. März 2011 hat der Kollege Schaus die gleiche Problematik, nämlich die Diskussion über die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst, in diesem Landtag thematisiert.

Herr Kollege Schaus, ich mache das jetzt genauso wie Sie. Im Wesentlichen wiederhole ich meinen Beitrag vom letzten Jahr.

(Minister Michael Boddenberg: Haben Sie den noch?)

Herr Minister Boddenberg, den habe ich noch. – Denn zweitens hat sich inhaltlich in dem Jahr nichts geändert. Um das sehr deutlich zu sagen: Ich finde es irgendwie auch nicht so besonders prickelnd, dass Sie uns alle Jahre wieder solche Anträge präsentieren. Das ist wie beim Länderfinanzausgleich der FDP: nichts Neues. Damit wird uns Redezeit in diesem Landtag genommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander Bauer (CDU) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))