Um es noch einmal zu sagen: Jeder Investor, egal, für wie sozial Sie ihn halten mögen, wird seinen Kauf refinanzieren müssen. Bei Wohnungskäufen wird diese Refinanzierung nach all den Erfahrungen, die gemacht worden sind, durch die Erhöhung der Mieten und auch durch die Entlassung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgenommen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Noch heute müssen im Übrigen die Mieterinnen und Mieter der Nassauischen Heimstätte jährlich zusätzlich 7 Millionen € aufbringen, um die Zinsen für den Ankauf und die Fusion mit der nordhessischen Wohnstadt zu bezahlen – ein Betrag, der 10 % der jährlichen Investitionskosten bei der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt ausmacht. Besser könnte man sagen: Dieser Betrag, der nun fehlt, hätte für Investitionen, insbesondere für die energetische Sanierung, zur Verfügung gestellt werden können.
Deshalb gibt es auch zahlreiche Mieterversammlungen, Mieterinitiativen und sogar eine Petition von über 4.300
Menschen, die vor einigen Tagen der Vorsitzenden des Petitionsausschusses übergeben wurde. Diese bringen ihre berechtigte Sorge darüber zum Ausdruck, was hinter ihrem Rücken mit ihren Mietwohnungen passiert. Diese durch Sie, Herr Dr. Schäfer, angezettelte öffentliche Diskussion hat die Regierung längst überrollt und ist ein Teil Ihrer Wahlniederlage bei den OB-Wahlen in Frankfurt geworden.
Die Spekulationen über einen Verkauf der Mehrheitsanteile der Nassauischen Heimstätte an die städtische ABG Frankfurt Holding, führen dabei ebenso wenig zur Beruhigung der Mieterinnen und Mieter wie Ihre Pläne zum Verkauf an die Helaba. Schon die Diskussion über eine Übertragung der städtischen Anteile der Nassauischen Heimstätte an die ABG Holding durch die schwarz-grüne Stadtregierung in Frankfurt, die gestern, so habe ich mir berichten lassen, vorerst auf Eis gelegt wurde, gilt den Betroffenen zu Recht als der Anfang des Ausverkaufs der Nassauischen Heimstätte.
Herr Milde, schließlich ist es Ihr Konsolidierungshandbuch, also das Konsolidierungshandbuch von Innenministerium und Landesrechnungshof, in dem unter Punkt 55, auf der Seite 35, den Kommunen zur Schuldentilgung die Veräußerung von Wohnungsbaugesellschaften vorgeschlagen wird. Das können Sie kaum leugnen.
Niemand nimmt Ihnen nämlich ernsthaft Ihre Beteuerung sozialer Kriterien beim Verkauf ab, solange auf der Internetseite der Hessischen Staatskanzlei immer noch zu lesen ist, dass die Privatisierung staatlicher Aufgaben ein wichtiges Ziel Ihrer Regierung sei. Die Nassauische Heimstätte ist davon auch ein Teil.
Herr Reif, dann schauen Sie doch einmal auf die Internetseite. – Allerdings, das muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, handeln auch die GRÜNEN äußerst zwiespältig. Sie kritisieren in Ihrem Antrag unter Punkt 4 völlig zu Recht den Verkauf der Landesanteile und fordern zumindest den Erhalt der Nassauischen Heimstätte. Das wird von uns unterstützt. Alle anderen Fraktionen im Haus, also auch SPD und GRÜNE, will ich noch einmal daran erinnern, dass sie sich natürlich darüber klar sein müssen, dass die Idee des Verkaufs der Anteile der Nassauischen Heimstätte in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schuldenbremse steht. Da liegt die Verantwortung gleichermaßen auf Ihren Schultern.
Es ist aber nicht bloß die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, die unter der schlechten schwarz-gelben Wohnungspolitik leidet
ja, das ist leider wahr –; der gesamte soziale Wohnungsbau in Hessen stellt sich als völlig desaströs dar. Laut dem letzten Wohnungsbericht der Landesregierung hat sich im Zeitraum von 1990 bis 2009 der Anteil der hessischen Wohnungen mit Sozialbindung nahezu halbiert. In absoluten Zahlen ergibt sich dabei ein Rückgang von insgesamt 70.000 Wohnungen, die aus der Sozialbindung her
ausgefallen sind. Schon heute fehlen, nicht nur im RheinMain-Gebiet, sondern auch in größeren mittel- und nordhessischen Städten, mindestens 40.000 bis 50.000 bezahlbare Sozialwohnungen, mit steigender Tendenz
Herr Milde, das wissen Sie genauso gut wie ich; auch Sie kennen die Zahlen –; denn das Auslaufen der Sozialbindung geht munter weiter, ohne dass dem ein entsprechender sozialer Wohnungsbau und ein Programm gegenüberstehen, und die Zahlen werden von Jahr zu Jahr geringer. Das können Sie doch nicht leugnen.
Wir teilen daher die Forderung, dass endlich ein geeignetes hessisches Wohnraumfördergesetz vorgelegt wird – das ist schon seit einem Jahr versprochen –, um die Fehlentwicklung im hessischen sozialen Wohnungsbau zu korrigieren und Hessen für die Zukunft wohnungspolitisch gut aufzustellen.
Meine Damen und Herren, Hessen braucht eine neue soziale Wohnungspolitik, die der gewachsenen Armut, der wachsenden Nachfrage von Studierenden und dem demografischen Wandel Rechnung trägt. Gerade bei öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften wie der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt sind große Teile der Mieterschaft Bezieherinnen und Bezieher von Transferleistungen. Dies ist ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, dass 41 % der Mieterinnen und Mieter im Rentenalter sind. Daher will ich einmal sehen, wie Sie die umsiedeln wollen.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ihre Rede wird immer schlimmer! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ja, Zwangsumsiedlungen!)
Deshalb wiederhole ich abschließend noch einmal unsere Forderung, die wir bereits im Januar von dieser Stelle aus an Sie gerichtet haben: Kehren Sie in Ihrer Wohnungspolitik um. Zeigen Sie, dass Sie dazu bereit sind, soziale Verantwortung für die Menschen in Hessen zu übernehmen, statt ständig weiter zu privatisieren. Bekennen Sie sich zum Erhalt und zum Ausbau der Nassauischen Heimstätte in öffentlicher Hand, und beenden Sie ein für alle Mal die Spekulation um den Verkauf der Nassauischen Heimstätte und die ständige Verunsicherung der Mieterinnen und Mieter.
Danke schön, Herr Präsident. – Letzter Satz: Nutzen Sie die Nassauische Heimstätte als zentrales politisches Instrument des Wohnungs- und Städtebaus in Hessen. Das hat sie als größte Wohnungsbaugesellschaft weiß Gott verdient.
(Beifall bei der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt bin ich aber gespannt! Was will der Schäfer?)
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe sehr gut, dass die Wohnungsbaupolitik und die Frage, ob man als öffentliche Hand Eigentümer eines Wohnungsbauunternehmens sein sollte oder ob man darauf verzichten kann, Themen sind, denen man sich rational determiniert nähern kann, aber auch Themen, über die man sehr aus dem Bauch heraus urteilen, entscheiden und diskutieren kann. Das gilt gleichsam für die öffentliche Debatte, aber natürlich auch für die parlamentarische.
Meine Damen und Herren, wer sich aber hierhin stellt und das Schicksal von Mieterinnen und Mietern und deren Verunsicherung zum Mittelpunkt der politischen Argumentation macht, auf der anderen Seite aber keinen Tag auslässt, diese Verunsicherung weiter zu schüren, den nenne ich völlig unverantwortlich.
Ich sage Ihnen auch, dass ich glaube, dass da Grenzen überschritten werden. Wenn Herr Schaus davon spricht, dass eine „Umsiedlung“ geplant werde, dann ist das, Herr Schaus, schlicht und ergreifend ein unerträglicher Sprachgebrauch.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): „Zwangsumsiedlung“ wie in der DDR; daher das Vokabular! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Oh!)
Wenn Herr Schäfer-Gümbel schlecht geschlafen hat und morgens twittert, dass er vermute, dass ein „schmutziges Geschäft in Vorbereitung“ sei, dann ist das genauso unerträglich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Andere auch nicht! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das ist oberlehrerhaft!)
Lassen Sie uns einmal versuchen, die emotionale Seite der Diskussion ein Stück zu verlassen und uns dem Thema rational zu nähern. Alle Wohnungsbauunternehmen, seien sie in privater oder öffentlicher Trägerschaft, stehen vor dem Hintergrund der Energiewende vor dramatischen Herausforderungen. Alle stehen vor der Herausforderung: Wenn sie einen Beitrag leisten sollen, die Modernisierungsrate auf die von uns gemeinschaftlich gewünschten 2,5 bis 3 % anheben zu sollen, haben jedenfalls die meisten Wohnungsbaugesellschaften kaum in ihren bisherigen Investitions- und Erneuerungsplanungen die entsprechenden Mittel vorgesehen.
Das heißt für die Unternehmen doch zweierlei: Entweder es gelingt ihnen, sich am Markt Kapital zu beschaffen, um dieses gesteigerte Investitionsvolumen unterzubringen, oder aber sie müssen ihre eigenen inneren Strukturen verändern, bis dahin, dass sie die Mieten erhöhen, um das erwirtschaften zu können.
Das breche ich jetzt einmal auf die Nassauische Heimstätte herunter. Selbst dann, wenn sich das Land und die Stadt Frankfurt zu einer unveränderten Struktur entschieden, hätte ich gern einmal einen Vorschlag aus diesem Hause, wie Sie glauben, dass die Eigentümer des Unternehmens weitere Mittel – nicht aus dem Unternehmen herausziehen, darum geht es gar nicht – in das Unternehmen hineinstecken, um diese Sanierungsinvestition möglich zu machen. Es sei denn, Sie wollen, dass dies die Mieterinnen und Mieter vollständig bezahlen. Dann seien Sie auch so ehrlich, und stellen sich hierhin und sagen das.
Deshalb muss es doch erlaubt sein, über die Frage zu sprechen. Nehmen Sie einmal unser gelungenes Beispiel einer Veräußerung einer Wohnungsbaugesellschaft innerhalb des öffentlichen Raums, die GWH. Sie sehen, dass dort mehr investiert wird als vorher in öffentlicher Trägerschaft, dass dort die Mieterhöhungen im gleichen Umfang sind wie bei anderen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, und sie sind in Trägerschaft der Hessischen Landesbank, an der wir zu 10 %, das Land Thüringen zu 5 % und die Sparkassen zu 85 % beteiligt sind.
Apropos Sparkassen: Ich kann mich an eine Debatte in diesem Haus erinnern, als wir über die Novelle des Sparkassengesetzes gestritten haben. Da haben Sie die Sparkassen zum Kommunalsten, zum Heiligsten, zum Bürgerbezogensten erklärt, was es überhaupt in diesem Land gäbe. Jetzt, da wir darüber diskutieren, dass die Sparkassen, eine kommunale Organisation, möglicherweise Interesse haben könnten, Teile des Unternehmens zu erwerben, um mit ihrer Kapitalkraft gerade das zu ermöglichen, worüber ich eben gesprochen habe, ist es Ihnen auch wieder nicht recht. Das ist Heuchelei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb werden wir in einer überschaubaren zeitlichen Dimension zu entscheiden haben, wie es mit der Eigentümerstruktur der Nassauischen Heimstätte weitergeht. Wenn wir Eigentümer bleiben: Wie sind die Antworten auf die strukturellen Herausforderungen, die ich eben geschildert habe? – Wenn wir nicht Eigentümer bleiben: Wie sichern wir, dass die Anforderungen für die Zukunft bei 100-prozentigem sozialem Schutz für die Mieterinnen und Mieter wahrgenommen werden? Denn daran darf es keinen Zweifel geben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese Diskussion mit der notwendigen Rationalität führen. Es gibt Potenziale, wo große Wohneinheiten von Nassauischer Heimstätte und GWH direkt nebeneinander liegen. Egal, wie man die Eigentümerstrukturen dort künftig gestaltet oder ob man die jetzige beibehält, muss man nach Möglichkeiten suchen, wie die Beteiligten enger zusammenarbeiten, um die Synergien gemeinschaftlich nutzen zu können. Deshalb muss man doch verstehen, dass in Frankfurt diese Diskussion geführt wird. Es gibt große Wohnungsbestände der ABG direkt neben denen der GWH und der Nassauischen Heimstätte. Egal, wie da die Eigentümerstrukturen sind, die müssen künftig stärker zusammenarbeiten, um im Interesse der Mieterinnen und Mieter Synergieeffekte zu heben, damit die Mieten gerade nicht steigen.
Für uns ist die Frage für unsere Wohnungsbaupolitik zu beantworten, für die wir jedes Jahr 60 Millionen € in die
Hand nehmen. Jetzt befindet sich das Wohnraumfördergesetz in der Kabinettsanhörung. Alles, was man da hört, auch an Stellungnahmen zu diesem Entwurf aus der Wohnungswirtschaft – Herr Siebel, der Sie nicht besonders fern stehen –,