Meine Damen und Herren, ein besonderes Beispiel ist Estland, ist Tallinn. Dort ist nicht nur quasi aus dem Nichts auf der grünen Wiese die modernste Verwaltung, sondern auch ein beispielhaftes Angebot von freiem WLAN für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen worden.
Auf der grünen Wiese können wir uns in Hessen bei diesem Thema auch bezeichnen. Die Frage ist, wie wir in Hessen zu einem Angebot kommen, das vielleicht in diesem Bereich endlich einmal wieder den Charakter „Hessen vorn“ rechtfertigen würde.
Der Bedarf an WLAN, wie er in fünf oder zehn Jahren sein wird, ist zwar sehr schwer abzuschätzen, aber auf alle Fälle wird er enorm viel größer sein als er es jetzt ist, wahrscheinlich um Potenzen größer. Denken Sie nur einmal daran, in nicht ganz ferner Zukunft werden Fernsehfilme nicht mehr zu einer ganz bestimmten Zeit geschaut, sondern man wird sie dann anschauen, wann und wo man gerade Lust dazu hat. Das wird in einer Qualität sein, die wesentlich besser ist, als das, was wir bisher gewohnt sind.
Der Bedarf an mobilen Netzwerkinfrastrukturen wird rapide ansteigen. Ich glaube, wir können uns das im Moment noch gar nicht alles wirklich vorstellen.
Was muss also geschehen? Freifunk hat schon sehr früh die sogenannte Gittertechnologie technologisch erforscht und weiterentwickelt. Das bedeutet, dass sich Zugangspunkte miteinander vernetzen. Daraus entsteht ein Netzwerk, das sich quasi mehr oder weniger selbst organisiert. Es reicht, ein solches Gerät aufzustellen. Wenn sich weitere Geräte in der Reichweite befinden, vernetzen sie sich untereinander völlig selbstständig.
Sagen wir, eine Bürgerin oder ein Bürger verfügt über einen Internetanschluss und installiert einen Zugangspunkt, der mit einer gitterfähigen Freifunk-Firmware versehen ist, dann kann der Nachbar oder die Nachbarin sich auch einen solchen Zugangspunkt zulegen und installiert
Das funktioniert in einem Netzwerk, ohne dass die einzelnen sich einwählenden oder einklinkenden Geräte in unmittelbarer Nähe des Ursprungsgerätes stehen müssen. Das ist also eine Möglichkeit, die in anderen Ländern genutzt wird, um ein freies WLAN auch in größeren Regionen herzustellen, um Bürgerinnen und Bürger miteinander zu vernetzen.
Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich dieser Zukunftstechnologie zumindest mit einem Konzept annähert. Dabei sind notwendigerweise einige Probleme zu erörtern.
Erstens. Die Frage der Zuständigkeit, bzw. was die Landesregierung in diesem Bereich tun kann und tun darf. Art. 87 GG verpflichtet die Bundesregierung, flächendeckend für angemessene Telekommunikationsdienstleistungen zu sorgen. Dazu gehören heute die Breitbandinternetanschlüsse. Wir wissen alle, dass wir in Hessen noch Nachholbedarf haben. Aus unserer Sicht müssen dabei die Telekommunikationsunternehmen, die in Deutschland sehr gut verdienen, zur Versorgung der Fläche mit verpflichtet werden.
Zweitens. Wir müssen weitere Rechtsfragen klären. Wir bitten die Landesregierung, dazu Hilfestellung zu geben. Es ist momentan so, dass der Besitzer eines Routers, wenn andere über seinen Netzzugang illegal Inhalte downloaden, durchaus dafür mitverantwortlich ist. Die Landesregierung muss also, wie in anderen Ländern auch geschehen, die Rechtssicherheit der Betreiber offener WLANfreier Netze klären und sicherstellen, dass eine solche Zusammenarbeit legal möglich ist. Wir sind uns mit Sicherheit alle einig, dass wir die freie Kommunikation von Inhalten, die wir wünschenswert finden, vorantreiben wollen, nicht aber die Kommunikation und das Versenden von Inhalten, die wir uns nicht wünschen.
Drittens. Sicherheitsbedenken gegenüber einem offenen Netz werden immer wieder geäußert, weil weiterhin der Anspruch besteht, anonym surfen zu dürfen. Ein paar Anmerkungen, in welche Richtung dieses Sicherheitsproblem gelöst werden kann: Ein öffentliches WLAN-Netzwerk, das von mehreren bzw. von allen genutzt werden kann, kann selbstverständlich an sich nicht verschlüsselt sein. Wäre es verschlüsselt, wäre es nicht öffentlich. Wenn man es mit der WLAN-Technologie verschlüsselt und für alle denselben Schlüssel verwenden würde, wäre innerhalb des Netzes natürlich auch wieder alles öffentlich und transparent. Dieser Ansatz ist technologisch also völlig falsch und irreführend. Er wird trotzdem immer wieder öffentlich diskutiert.
Auch ich bin jemand, der auf seine Datensicherheit sehr bedacht ist. Ich würde es nicht gut finden, wenn alle Menschen um mich herum lesen könnte, was ich so alles schreibe. Dankenswerterweise gibt es schon fast 20 Jahre lang eine Technologie, die sich VPN – Virtual private Network – nennt, wir alle kennen unser Token, das genau das macht. Es stellt zwischen einem Client und einem Endgerät und einer Stelle im Internet eine verschlüsselnde Verbindung her. Wir alle kennen das von unseren Rechnern.
Meine Damen und Herren, unter Berücksichtigung all dieser Probleme und Fragestellungen möchten wir, dass wir als Landtag die Landesregierung bitten und auffordern, sich dieses zukunftsfähigen Themas anzunehmen
und ein Konzept zu erstellen, wie wir in Hessen auf diesem Gebiet voranschreiten wollen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Reichtum für alle, Freibier für alle und freies WLAN für Hessen, Internet für alle einfach so durch die Luft, ein freies, kostenloses und flächendeckendes WLAN-Netz, das einen schnellen Internetzugang zu jederzeit und an jedem Ort bietet,
schon hat man nach den Vorstellungen der LINKEN hervorragende Ansiedlungspunkte für Unternehmen. Für sie ist Hessen Estland. Estland hat Standortvorteile durch WLAN, also braucht es auch WLAN in Hessen, weil Hessen dann wie Estland ist.
Hessen ist aber nicht Estland, und Hessen wird nie Estland sein. Der Unterschied zwischen Hessen und Estland ist wahrscheinlich auch eine Linkspartei, die zwar alles will, aber nicht weiß, wovon sie spricht und wovon sie schreibt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Mack!)
Auch das Internetkonzept von Estland haben Sie nicht verstanden. Kein freies und kostenloses WLAN wird in Estland garantiert, sondern lediglich ein kostenloser Zugang zum Internet. Das ist ein Unterschied – und zwar ein bedeutender Unterschied.
Von Estland zurück nach Hessen. Wir stimmen Ihnen zu, Herr Wilken, dass ein Internetzugang wichtig ist und dass das Internet Möglichkeiten der Partizipation bietet. Das Internet bietet die Möglichkeit der Transparenz, und das Internet bietet weltweite Kommunikationsmöglichkeiten. Kurzum, das Internet prägt unser alltägliches Leben.
Gerade deshalb sollte jeder Bürger Zugang zu zeitgemäß schnellem Internet haben, egal ob er in Frankfurt, in Offenbach, im Odenwald, im Main-Kinzig-Kreis oder im Werra-Meißner-Kreis lebt. Moderne Politik muss den Internetzugang als ein Grundbedürfnis und als Teil der öffentlichen Infrastruktur anerkennen. Es bringt uns nichts, immer wieder auf die Chancen des Internet hinzuweisen, wenn wir den Menschen nicht die technischen Mittel zur Verfügung stellen, diese für sich zu nutzen.
Es bringt uns nichts, wenn wir Medienkompetenz in den Schulen vermitteln wollen und die Kinder zuhause nicht einmal auf die Seite der Landtagsfraktion der Linkspartei gehen können, um sich deren realitätsfernen Konzepte und Anträge zum Internetzugang anzuschauen.
Im digitalen Zeitalter gehört der Zugang zum Internet ebenso zur Daseinsvorsorge wie die Abfallwirtschaft, die Abwasserentsorgung, die Wasserversorgung, der öffentliche Verkehr und die Krankenhäuser.
All das sind Dienstleistungen, für die die Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssen und die sie nicht kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen.
Wie der Strom nicht einfach aus der Steckdose kommt, so kommt auch das Internet nicht einfach aus dem Funknetz. Es bedarf einer Infrastruktur, die nicht nur gebaut, sondern im Folgenden auch gewartet werden muss.
Wir haben in Hessen schon Schwierigkeiten damit, flächendeckend eine Breitbandverbindung anzubieten. Daher ist es vollkommen illusorisch anzunehmen, das Land könne jederzeit flächendeckend von Neu-Eichenberg im Norden bis Neckarsteinach im Süden freies WLAN organisieren. In Städten und dicht besiedelten Regionen mag dies unter Umständen noch möglich sein. Alles Weitere ist pures Wunschdenken.
Um ein WLAN-Netz aufzubauen, muss mindestens der Access Point mit dem Breitbandkabelnetz verbunden sein. In den weißen Flecken der Breitbandabdeckung nutzt auch das Aufstellen eines WLAN-Routers nicht. Da die Reichweite eines Routers je nach Bebauung nur etwa 50 bis 100 m beträgt, wäre für das Vorhaben der LINKEN schon aus technischen Gründen eine sehr hohe Dichte von Access Point notwendig. Für Berlin haben Experten errechnet, dass ca. 100 solcher Access Points pro Quadratkilometer nötig wären, um eine ausreichende Funkabdeckung dieses Gebietes zu erzielen. Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, was das für ein Flächenland wie Hessen bedeuten würde, oder wollen Sie die privaten Haushalte in Hessen gängeln, ihre eigenen Router zur Verfügung zu stellen?
Auch wir sind der Meinung, dass der Zugang zum Netz nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Deshalb sind freie Internetterminals in öffentlichen Gebäuden oder freie WLAN-Netzwerke in Zentren und Dörfern ein in der Tat anzustrebendes Ziel.
Das ist auch technisch umsetzbar. Es gibt aber einen Unterschied zwischen einem WLAN-Zentrum in einem Ort oder einem kleinen Dorf und einer kompletten WLAN-Abdeckung in einem Bundesland.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Warum wollen Sie die auf dem Land technisch schlechter stellen als die in der Stadt?)
Es ist technisch nicht möglich. Ich habe Ihnen erklärt, dass ein Router eine Reichweite von nur 50 bis 100 m hat. Wie wollen Sie das schaffen? Wollen Sie die Leute dazu zwingen, ihre Router zu öffnen? Ich sage dazu Nein.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jeder Jäger muss auf seinem Hochsitz einen WLAN-Router anbringen! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
WLAN-Zentren in Dörfern sind in der Tat ein anzustrebendes Ziel und auch technisch umsetzbar. Im Übrigen: Die Situation in Estland ist genau diese; dort gibt es lediglich in großen Städten wie Tallin flächendeckendes WLAN, und in der Peripherie, wo dies nicht ohne Weiteres zu leisten ist, gibt es eine Vielzahl gut ausgeschilderter öffentlicher Zugangspunkte. Ich glaube, das kann ein Modell für Hessen sein.
Meine Damen und Herren, ich möchte einen weiteren Gedanken anführen. Bisher gilt auch für das Internet die klassische Störerhaftung. Wer einen Internetanschluss bezahlt, der haftet auch für dessen Missbrauch. Aus diesem Grunde haben viele Geschäfte und Hotels, die freies WLAN als zusätzliche Serviceleistung angeboten haben, dieses Angebot wieder eingestellt. Soll das Land nach Ihrem Modell z. B. für jede Urheberrechtsverletzung haften, die über das freie WLAN begangen wird? Da nutzt es auch nichts, personalisierte Nutzerkonten einzurichten und die Datenströme mittels virtueller privater Netzwerke zu übertragen. Solange der Grundsatz der Störerhaftung gilt, ist Ihr Vorstoß unverantwortlich.
Statt wie die LINKE freies WLAN für alle zu fordern und sich wieder einmal über die praktische Umsetzung keine Gedanken zu machen, müssen wir gezielt und planvoll die Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen vorantreiben, speziell auch der ländlichen Gebiete. Sowohl für die Bürger als auch für den Wirtschaftsstandort Hessen sind schnelle Internetverbindungen und eine durchdachte, an den wirklichen Bedürfnissen der Gründer orientierte Start-up-Förderung viel entscheidender als die realitätsfernen Wunschträume der LINKEN nach dem Motto „Alles für alle, und zwar umsonst“.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Zu glauben, mit freiem WLAN könne man Unternehmer magnetisch anziehen, greift entschieden zu kurz. Wer Freibier für alle will, der muss sich zumindest ein Mal über den Zapfhahn Gedanken machen.