Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

Kollege Rudolph hat darüber berichtet, dass er im Ausschuss noch einige Fragen gestellt hat, leider aber die Antwort nicht – akustisch oder wie auch sonst – richtig wahrgenommen hat. Deswegen will ich es hier noch einmal erläutern.

Was bedeutet die Härtefallregelung, die wir im Gesetz vorgesehen haben? Es geht darum – wie es im Gesetzentwurf heißt, der nachher zum Gesetz erhoben werden wird –: „Wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist“, dann kann die Übergangsfrist um bis zu 15 Jahre verlängert werden. Kollege Rudolph fragte, wie das im Einzelfall abzuwägen sei.

Ich habe versucht, ein verständliches Beispiel zu bilden. Dank des Innenministers haben wir hier gehört, wie die Praxis beispielsweise in der Gemeinde Edermünde ist.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dort wurde im Jahr 2007 eine Mehrfachkonzessionsspielhalle mit 48 Automaten gebaut, also ein typisches Investitionsobjekt. Aus der damaligen Beratung im Parlament, dem Sie ja angehören, wo Sie die SPD-Fraktion mit absoluter Mehrheit führen,

(Günter Rudolph (SPD): Die anderen haben auch zugestimmt! Alle haben sie zugestimmt!)

wissen Sie aus Erfahrung sicherlich, dass solche Objekte nicht auf eine bestimmte Mietdauer konzipiert werden, sondern auf eine Abschreibungsdauer. Sprich: Die Investition, die dort getätigt worden ist, ist auf eine Gesamtdauer von ca. 15 Jahren kalkuliert. Das ist bei diesen Geschäften immer so.

Wenn man durch ein Gesetz nicht eine Enteignung vornehmen will, muss man schauen, dass man sich daran orientiert. Am Beispiel Edermünde, jetzt noch einmal zum Mitschreiben, Herr Kollege Rudolph, würde das bedeuten: Wenn man von einer Dauer von 15 Jahren ausgeht – fünf davon sind schon herum –, dann wäre die Übergangsfrist jetzt ohnehin noch fünf Jahre; das sind insgesamt zehn. Dann kommen jetzt noch fünf Jahre hinzu, wenn beim Vorliegen einer besonderen Härte von dieser Klausel Gebrauch gemacht werden könnte.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir könnten das auch anders stückeln! Nur zwei Jahre!)

Ich denke, das ist nachvollziehbar und verständlich.

Das zweite Neue, das wir im Ausschuss erfahren haben, ist, dass der Kollege Schaus – er hat es hier schon selbst erklärt –

(Minister Boris Rhein: Allerdings! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Vorsicht, Vorsicht, nicht noch einmal falsch!)

ein Problem damit hat, dass wir den Gemeinden im Rahmen ihrer Selbstverwaltung Rechte einräumen, dort auch mitzuwirken.

(Günter Rudolph (SPD): Das habe ich gehört! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Um das Gesetz zu unterlaufen, würde ich sagen!)

Was mich dann sehr gewundert hat – bei den LINKEN wundert einen hier ja bald nichts mehr –, ist, dass der Kollege Rudolph für die SPD-Fraktion erklärt hat – ich bin einmal gespannt, ob es heute bei diesem Abstimmungsverhalten bleibt –, dass man diesem Änderungsantrag zustimmt, den Gemeinden ihren Einfluss in diesem Bereich zu nehmen.

(Günter Rudolph (SPD): Über den stimmen wir gar nicht ab! Wir stimmen hier nur über Gesetze ab!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde es schon etwas verwunderlich, hier die gemeindliche Selbstverwaltung einzuschränken – und dann noch mit dem Argument, Herr Kollege Rudolph: Wenn ihr es uns nicht erlaubt hättet, dann hätten wir einen solchen Bebauungsplan nicht beschlossen, dann hätten wir so etwas nicht gemacht.

Herr Kollege Rudolph, das muss ich einmal sehr deutlich sagen: Wir als Liberale und wir als Koalition stehen dafür, dass wir Gemeinden vertrauen, dass wir Gemeindevertretern vertrauen, dass sie in der Lage sind, verantwortungsvoll mit der gemeindlichen Selbstverwaltung umzugehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich wünsche mir, dass so etwas überall praktiziert wird.

Herr Kollege Rudolph, eigentlich hatte ich erwartet, dass Sie zu diesem Thema heute nichts mehr sagen – nach dem, was wir über die Vorgänge in Edermünde erfahren haben. Aber es zu bemerken, dass man sich einmal auf einen schiefen Weg begeben hat, das ist anscheinend keine Gabe, die Ihnen gegeben ist. Ich sage Ihnen aber sehr deutlich: Ich halte es nicht für angemessen, hier im Landtag zu stehen und Wasser zu predigen – und dann nach Edermünde nach Hause zu fahren und dort den Wein in großen Schlucken zu trinken. Herr Kollege Rudolph, das ist Pharisäertum. Das halte ich nicht für angemessen. Wir stehen für die gemeindliche Selbstverwaltung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat der Innenminister Boris Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht wollen wir einmal mit Herrn Schaus beginnen.

(Widerspruch des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ja, es tut mir leid, aber man muss schon sagen, das ist wirklich genau der Unterschied zwischen Ihnen und uns: dass wir den Kommunen eben trauen. Da komme ich auf das zurück, was Wolfgang Greilich gesagt hat.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Edermünde!)

Wir trauen den Kommunen nicht nur, sondern wir trauen ihnen etwas zu. Wir sind sogar bereit, den Kommunen Verantwortung zu übertragen. Das unterscheidet uns von Ihnen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das trägt ja auch sachlich nicht, was Sie da im Ausschuss fabriziert haben.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein, 344 Millionen €!)

In diesem Gesetzentwurf haben wir eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vorgenommen, eine ganz enorme Stärkung. Wir reden hier von einer Einzelfallentscheidung. Wenn eine Kommune eine solche Einzelfall entscheidung treffen will, muss sie sie sehr genau begründen. Sie muss sie sehr bewusst treffen, und sie muss sie insbesondere sehr konkret darlegen. Erst wenn all das geschehen ist, dann kann sie einmal im Ausnahmefall – den Regelfall haben wir ganz klar im Gesetz konkretisiert – eine Abweichung machen.

Sosehr es CDU und FDP auch wehtut, so will ich doch gleich beim Kollegen aus Edermünde weitermachen. Lieber Günter Rudolph, bei allen Vorträgen über HofheimDiedenbergen, das ändert nichts daran, dass in diesem Land immer noch ein Ort, den wir seit Dienstag alle kennen, einen besonderen Titel tragen wird, nämlich den Titel: El Dorado der Zocker in Hessen oder Las Vegas in Hessen. – Das wird weiterhin Edermünde sein. Das wissen wir seit Dienstag. Diesen Titel wird Edermünde nicht an Hofheim-Diedenbergen abgeben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

48 Spielautomaten, die rund um die Uhr laufen, weil Günter Rudolph als Fraktionsvorsitzender der SPD den entsprechenden Bebauungsplan im Sondergebiet Spielcasinos geändert hat – lieber Herr Abg. Rudolph, das ist aber schon ganz schön groß.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will es aber noch einmal sehr deutlich sagen: Mit diesem Gesetz wird dann, wenn es in wenigen Stunden in Kraft treten wird, der Wildwuchs von Spielhallen unmittelbar gestoppt. Mit diesem Gesetz wird, wenn es in wenigen Stunden in Kraft tritt, der Spielsucht ein ganz dicker Riegel vorgeschoben. Wir geben den Kommunen endlich die Werkzeuge an die Hand, die sie brauchen, um wirkungsvoll gegen den Anwuchs von Spielhallen vorzugehen.

Aber, auch das will ich noch einmal deutlich unterstreichen, all das bekommen wir nur hin, wenn dieses Gesetz auch Bestand hat. Es ist niemandem geholfen, wenn wir ein Gesetz haben, das vielleicht das radikalste Gesetz ist, das aber seine Wirkung nicht entfalten kann, weil es von irgendeinem Gericht vom Tisch gewischt und aufgehoben wird. Dann hätten wir wirklich das, wovon Sie sprechen, nämlich einen zahnlosen Papiertiger.

Das wollen wir alle nicht haben. Genau deswegen war es geboten, im Sinne von Rechtsstaatlichkeit und im Sinne von Rechtskonformität an der einen oder anderen Stelle einen Kompromiss einzugehen. Ich finde, wir haben es hinbekommen, diese Kompromisse vertretbar zu machen. Sie ändern aber überhaupt nichts daran, dass wir ab sofort gegen das Thema Spielsucht, gegen das Thema Wildwuchs von Automaten ein ganz scharfes Schwert in der Hand haben. Das möchte ich an vier Beispielen sehr deutlich machen.

Ab sofort gibt es Sperrzeiten, die es bislang nicht gab. Ab sofort gibt es Abstandsregelungen, die es bislang nicht gab.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ab sofort gibt es ein Sperrsystem, das es nirgendwo in Deutschland so gibt. Dieses Sperrsystem hält die gefährdeten Spieler – von denen Günter Rudolph so gerne redet – davon ab, in eine Spielhalle zu kommen. Auch das gibt es bislang nicht.

Ab sofort gibt es strenge Regelungen für die Gestaltung und Werbung von Spielhallen, die es bislang so nicht gab. Ab sofort gibt es die Pflicht für Spielhallen, Präventionsund Suchtkonzepte zu entwickeln und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf zu schulen.

All das gibt es bislang nicht. Ich finde, das ist schon der Erwähnung wert. Wer das alles leugnet und kritisiert, so wie das eben geschehen ist, der hat entweder keine Ahnung von dem Gesetzentwurf, weil er ihn nicht gelesen hat,

(Günter Rudolph (SPD): Blasen Sie mal die Backen nicht so auf, Sie Ankündigungsminister!)

oder, Herr Abg. Herr Rudolph, er hat nicht einmal die Größe, hinzunehmen, dass dieser Gesetzentwurf der Landesregierung, den CDU und FDP miteinander bearbeitet haben, für das Thema ein ganz großer Fortschritt ist. Den sollten wir jetzt nicht weiter aufhalten. Ich bedanke mich für die Zustimmung, wenn sie denn erfolgt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Aussprache ist beendet.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Spielhallengesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – DIE LINKE. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Wer stimmt dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Spielhallengesetz in dritter Lesung zu? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Damit ist dieser Gesetzentwurf in dritter Lesung beschlossen und zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)