Meine Damen und Herren, bei der Residenzpflicht geht es nicht darum, dass der Wohnort der Menschen, die Asyl suchen, geändert wird, sondern es geht darum, dass man gezielt nach Arbeit in anderen Landkreisen suchen kann, dass man gezielt ärztliche Versorgung gewährleisten kann. Es geht auch darum, wie es Herr Rhein erlebt hat: Wenn man eine Schülergruppe nach Frankfurt einlädt, damit sie ein Spiel der Eintracht besuchen können, dann sollten die Jugendlichen nicht aufgrund ihres GeduldetenStatus daran gehindert werden, zum Fußballspiel nach Frankfurt zu fahren, wenn sie aus Gießen oder aus Wetzlar kommen. – Von daher unterstütze ich diese Idee und auch die Ankündigung des Innenministers.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Bauer (CDU): Was ist, wenn sie nach Mainz fahren wollen?)
Herr Innenminister, Sie müssen aber auch wissen: Wir wollen als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht gern weiterhin Schlusslicht im Bundesgebiet bleiben. Wir würden uns sehr freuen, wenn diese Ankündigung bald in die Tat umgesetzt wird; denn ich glaube, dass wir den Menschen, die davon betroffen sind, längst eine Antwort schuldig sind. Die Schikane, so möchte ich es nennen, die zurzeit noch aktuelle Praxis ist, sollte aufgehoben werden. Diese Menschen wollen Arbeit. Diese Menschen wollen sich integrieren. Diese Menschen wollen zum Arzt. Diese Menschen wollen ihre Bekannten besuchen. Wir in Hessen sollten nichts dagegen haben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt ganz ausdrücklich die bekannt gewordene Initiative des Ministers des Innern und für Sport,
die guten Erfahrungen mit der weitgehenden Lockerung der Residenzpflicht in anderen Bundesländern jetzt auch in Hessen zu nutzen.
Die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern zeigen, dass die Lockerung der Residenzpflicht auf das derzeit bundesgesetzlich zulässige Maximum der Bewegungsfrei
heit innerhalb eines Bundeslandes kaum Probleme nach sich zieht. Im Gegenteil, auch nach liberaler Auffassung ist es grundsätzlich besser, Einschränkungen nur dann vorzunehmen, wenn wirklich ein konkreter Anlass dazu besteht. Wenn sich bei der absoluten Überzahl der Betroffenen gelegentliche Reisen aus dem eigentlichen Residenzbezirk vollkommen unproblematisch darstellen, dann ergibt es wenig Sinn, bürokratische Genehmigungspflichten flächendeckend beizubehalten und Asylbewerber allein deshalb strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, weil sie zum Einkaufen, im Rahmen sportlicher Aktivitäten oder für einen Besuch bei Bekannten vorübergehend den Landkreis oder den Regierungsbezirk, in dem sie ihren Wohnsitz haben, innerhalb des Landes Hessen verlassen.
Das ist eine wichtige und grundsätzliche Erkenntnis. Aber ich kann sagen: Es bedarf nicht der Initiative der SPD-Opposition. Wir brauchen keinen Antrag dazu. Herr Minister, wir sind seit Monaten in vertrauensvollen – –
Lieber Kollege Rudolph, wir machen das richtig, nicht so wie in Edermünde, nur das gesetzlich Zulässige auszuloten, sondern wir schauen, was man sinnvoll und richtig machen kann.
Deswegen haben wir das vertrauensvoll über Monate hinweg erörtert und jetzt das Ergebnis gefunden, dass wir das tun, was sich andere schwarz-gelbe Regierungen schon ausgedacht haben, wo es sich bewährt hat. Das kann man dann auch in Hessen vernünftig machen.
Ich sage aber sehr deutlich – Frau Kollegin Wallmann hat schon darauf hingewiesen –: Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wir haben diese Regelung im Asylverfahrensgesetz durchaus aus gutem Grund. Das Asylverfahrensgesetz dient dazu, das Asylverfahren möglichst zügig zu einem Ergebnis zu bringen und dazu auch im Interesse der Menschen, der betroffenen Antragsteller, möglichst schnell festzustellen, ob ein Asylanspruch besteht. Deshalb ist der vorläufige Status naturgemäß etwas anderes als ein endgültiger Aufenthaltsstatus mit einer endgültigen Aufenthaltsberechtigung.
Wir sind durchaus der Auffassung, dass es Sinn macht, nach wie vor eine Wohnsitzpflicht beizubehalten und an der Aufenthaltspflicht in diesem Bereich festzuhalten. Es geht hier nur um das vorübergehende Verlassen des Wohnortes innerhalb des Landes Hessen. Das erschwert erfahrungsgemäß die Abwicklung von Asylverfahren nicht, während die Aufgabe der Wohnsitzpflicht das durchaus täte. Deswegen machen wir das nicht mit.
Deswegen können wir auch, selbst wenn wir die Intention des SPD-Antrags teilweise teilen, dem nicht zustimmen. Hier wird nämlich die Landesregierung aufgefordert, sich für eine bundesweite Aufhebung der Residenzpflicht einzusetzen. Genau das widerspricht dem Sinn und dem Zweck der Vorschriften, nämlich den Menschen möglichst schnell Klarheit zu verschaffen. Das, was wir mit dem Innenminister besprochen haben – er wird sicherlich noch etwas dazu sagen –, ist eine sinnvolle Veränderung der Praxis. Deswegen freuen wir uns über diesen Erfolg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Abschaffung der Residenzpflicht ist bundesweit längst überfällig. Dass Sie jetzt zumindest vorsichtige Schritte unternehmen wollen, begrüßen wir.
Zu diesem Thema haben wir bereits vor eineinhalb Jahren anlässlich eines Antrags der GRÜNEN und eines Änderungsantrags der LINKEN diskutiert. Jetzt liegt also ein guter Antrag der SPD dazu vor.
Für uns LINKE ist nicht nachvollziehbar, dass wir nicht jedem Menschen die Freiheit gewähren, dorthin zu gehen, wohin er möchte. Wir sehen es als ein Menschenrecht an, genau dies zu tun.
Wir appellieren an die Landesregierung – und damit möchte ich meinem Vorredner noch einmal widersprechen –, auch im Bundesrat mit dazu beizutragen, dass die Residenzpflicht als Teil der Abschreckungspolitik gegen Flüchtlinge endlich Geschichte wird.
Einen Vorstoß in die richtige Richtung machten neben den im SPD-Antrag erwähnten Bundesländern bereits vor zwei Jahren die Regierungen in Berlin und Brandenburg. Zwischen diesen beiden Bundesländern gibt es seither die Reisefreiheit für Asylsuchende. In Berlin Wohnende können jetzt auch ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde durch alle Landkreise und Städte in Brandenburg reisen und umgekehrt. Berlin und Brandenburg zeigen, dass sie die Menschenrechte ernst nehmen, meine Damen und Herren.
Für integrative Politik ist es sehr wichtig, die Menschen nicht zu isolieren. Zweifelsohne konzentrieren sich die Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs und des Einzelhandels in Hessen in den größeren Städten. Ermöglichen Sie also Asylsuchenden und Geduldeten, die oft in dünner besiedelten Regionen wohnen, den Zugang zu kulturellen und sozialen Angeboten. Dazu ist die Aufhebung der räumlichen Beschränkung unumgänglich, und wir möchten Sie bitten, das wirklich ausgiebig zu tun.
Ich wiederhole: Die Residenzpflicht hat sich insgesamt nicht bewährt – weder die räumliche Beschränkung auf einen Regierungsbezirk noch auf ein Bundesland. Sie stellt unserer Meinung nach eine unnötige Härte für viele Familien sowie deren Verwandte und Freunde dar. Sie verhindert, dass Flüchtlinge möglichst schnell Arbeit bekommen oder billig bei Verwandten wohnen können.
Sie schränkt die Betroffenen über Jahre in ihrem Recht auf Selbstbestimmung nicht nachvollziehbar ein. Während ganz Europa Freizügigkeit genießt, bleibt die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden und Geduldeten extrem eingeschränkt.
Die Wohnsitzpflicht ist doch etwas völlig anderes als das, was wir gerade vorschlagen. – Eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Es sind Menschen, die hier betroffen sind, Frauen, Männer und Kinder. Nur sind sie nicht deutscher Herkunft. Aber auch für sie müssen Menschenrechte und Menschenwürde gelten, die mit der Residenzpflicht stark eingeschränkt werden.
Meine Damen und Herren von FDP und CDU, tun wir auch in Hessen etwas dafür; denn wir haben, was die Aufhebung der Residenzpflicht betrifft, großen Regelungsbedarf. Nach Auffassung unseres damaligen Änderungsantrages – was auch im Antrag der SPD berücksichtigt wird – muss sich die Landesregierung um eine Verwaltungsvereinbarung mit den angrenzenden Ländern bemühen, also nicht nur mit Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz, wie es im Antrag steht, sondern auch mit Thüringen und NRW, damit Flüchtlinge aus den jeweiligen Grenzgebieten Beratungs- und Arbeitsangebote nutzen können. Die Verordnung sollte unserer Meinung nach uneingeschränkt auch für geduldete Ausländer gelten.
Ich würde mich freuen, wenn auch CDU und FDP dem Antrag in Gänze folgen könnten. Da ich aber eben Frau Wallmann zugehört habe, die von der „Vermischung“ von Einheimischen mit Asylsuchenden spricht und damit ein sehr diskriminierendes Vokabular benutzt, befürchte ich, dass wir uns zumindest vom menschenfeindlichen Geist der Abschottung noch nicht sehr weit entfernt haben. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am nächsten Montag werde ich dem Kabinett die Änderungen der Verordnung über die Zuständigkeiten der Ausländerbehörden sowie zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes vorlegen. Mit dieser Veränderung der Verordnung wird die von den Vorrednern beschriebene Residenzpflicht – das betone ich – innerhalb Hessens aufgehoben. Deswegen halte ich diesen Schritt für einen Schritt, den man verantworten kann.
Natürlich gab es eine Berechtigung für die Residenzpflicht. Natürlich hat die Residenzpflicht ihre berechtigte Historie. Aber ich halte diesen Schritt für verantwortbar, weil aus heutiger Sicht keine gewichtigen Gründe mehr für die Beibehaltung der Residenzpflicht sprechen. Wir haben eine ganz andere Zahl von Asylsuchenden in unserem Land; wir haben ganz andere Umstände in diesem Bereich. Deswegen kann man dies verantworten.
In Europa ist Deutschland das einzige Land, das eine solche Regelung kennt. In Deutschland macht die Landkarte, von der wir alle hoffen, dass sie keine politische Landkarte ist, sehr deutlich, dass nur noch sehr wenige Länder diese Regelung haben, Frau Öztürk. Das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen auf der Innenministerkonferenz hat auch ergeben, dass es keinerlei ne
Die Regelung beschleunigt im Übrigen kein einziges Asylverfahren. Sie sorgt innerhalb der drei Bezirke der Regierungspräsidien auch für keinerlei Lastenverschiebung, weil sie sich ausschließlich auf vorübergehende Aufenthalte bezieht. Es geht nicht darum, dass jemand seinen Aufenthaltsort dauerhaft verlagern kann, sondern er kann sich vorübergehend von A nach B bewegen.
Man kann wenig dagegen haben – ich habe es selbst erlebt, Frau Öztürk hat es ebenfalls geschildert –, wenn beispielsweise ein Neunjähriger in der E-Jugend seines Vereins in Hungen spielt und an einem Turnier in Usingen teilnimmt, wenn eine Familie in Frankfurt eine Familie in Wetzlar besucht oder wenn ein Jugendlicher, der sich bei der Sportjugend in Frankfurt engagiert, eine Ferienfreizeit im Zentrum der Sportjugend Hessen am Edersee verbringt. Im Gegenteil, es ist sehr sinnvoll, wenn wir die aufenthaltsrechtliche Situation dieser Menschen durch eine Erweiterung ihres Bewegungsradius verbessern, ohne dadurch die entsprechenden Verfahren zu beeinträchtigen.
Ich sage aber auch sehr deutlich, dass ich die Notwendigkeit für eine bundesweite Regelung derzeit nicht sehe. Daher muss ich bedauerlicherweise sagen, dass dies im Augenblick nicht Diskussionsgegenstand ist. Diskussionsgegenstand ist vielmehr das, was wir in Hessen machen, und das halte ich zunächst einmal für den richtigen Weg. – Herzlichen Dank.