Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

Das gilt übrigens auch für die größte religiöse Minderheit der Aleviten wie auch für die Gewerkschaften, die ebenfalls ihre Rechte in der Türkei nicht ausreichend wahrnehmen können.

DIE LINKE ist also für die Fortsetzung und Intensivierung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Diese müssen entlang klarer demokratischer und menschenrechtlicher Kriterien geführt werden. Diese Debatte wird mit dem Gouverneur und den Verantwortlichen in Bursa immer wieder aufgenommen werden müssen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich wünsche mir, dass wir bei diesem Thema noch ein Stück vorankommen und dass Sie, Herr Minister, dazu auch mehr Anstrengungen unternehmen.

Abschließend: Wir können diesen beiden sich ergänzenden Anträgen nur im Paket zustimmen. Für den Fall, dass die Regierung den SPD-Antrag ablehnt, müssen wir, ebenso wie die SPD, dem dann unvollständigen

CDU/FDP-Antrag mit Enthaltung begegnen. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Die Regierung lehnt gar nichts ab!)

Schönen Dank, Frau Cárdenas. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Öztürk das Wort.

Ich habe die Bitte, dass wir doch noch einmal konzentriert zuhören. Das beschleunigt einiges.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das liegt nur am Redner!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, vor allen Dingen von der Fraktion, die den Antrag gestellt hat, würde ich mir doch mehr Ruhe und Konzentration wünschen. Denn es ist doch ihr Antrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Herr Irmer, hören Sie auf zu blöken. Sie können ja gerne rausgehen.

Beim Thema Bursa haben wir eher einheitlich und interfraktionell im Konsens zusammengearbeitet. Es ist mir sehr wichtig, dass wir diesen Konsens heute hier nicht aufbrechen, vor allen Dingen nicht kurz vor der Sommerpause. Daher gerne noch zwei Sätze zu Bursa.

Diese Partnerschaft ist eine sehr wichtige und richtige Vereinbarung, die wir mit Bursa getroffen haben. Es war sehr wohl ein richtiger Schritt vom Land Hessen, das erste Mal auf Landesebene mit einer Region in der Türkei eine Partnerschaft einzugehen.

Deswegen haben wir GRÜNE diese Partnerschaft von vornherein immer sehr konstruktiv unterstützt. Wir haben auch von vornherein gesagt, es müssen klare Kriterien her, es muss ein klarer Antrag her, und wir haben dafür gesorgt, dass in diesem Hause ein interfraktioneller Antrag eingebracht und auch beschlossen worden ist.

Als im Jahr 2010 diese Partnerschaft unterschrieben wurde, haben wir auch gesagt, dass die Arbeit erst richtig beginnen wird, wenn diese Partnerschaft ratifiziert ist. Denn Vertiefung heißt eben nicht nur, dass Landespolitikerinnen und -politiker nach Bursa reisen, dass der Ministerpräsident, der Ältestenrat oder Ausschüsse nach Bursa reisen, sondern Vertiefung bedeutet auch, auf kommunaler, zivilgesellschaftlicher und Vereinsebene einen Austausch zu organisieren. Gerne können Sie das unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man nicht will, dass diese Vereinbarung nur auf dem Papier steht, dann muss man sich überlegen, wie man sie mit Leben erfüllen kann.

Bei unseren Reisen nach Bursa haben wir alle festgestellt: Dieses Mit-Leben-Erfüllen soll auf Augenhöhe geschehen und ist nur dann möglich, wenn auch Bürgerinnen und Bürger aus Bursa frei nach Hessen einreisen können. Das heißt, der EU-Beitrittsprozess ist angesprochen, ebenso die Visafreiheit. Als wir unsere Reisen dorthin gemacht haben, haben wir alle von den Bürgerinnen und

Bürgern in Bursa erfahren, dass sie den Schüleraustausch gerne so organisieren wollen, dass Gruppen aus der Türkei, aus Bursa nach Deutschland kommen können, dass auch Unternehmerinnen nach Deutschland kommen können, dass Zivilgesellschaft wie Umweltverbände nach Deutschland kommen können. Dafür brauchen wir ganz dringend eine Erleichterung der Visavorschriften.

Ich meine, Herr Hahn und auch Herr Westerwelle haben, als sie in der Türkei waren, hier Zusagen gemacht. Es ist wichtig, dass wir diese Zusagen jetzt endlich auch konsequent umsetzen und uns dafür auf Bundesebene einsetzen.

Wenn wir das mit dieser Partnerschaft ernst meinen, sollten wir nicht damit anfangen, die politische Situation in der Türkei hier zu instrumentalisieren. Hier möchte ich ganz klar eine Aussage gegenüber den LINKEN treffen: Dass in der Region Bursa auch Alevitinnen wohnen, ebenso Kurdinnen, dass dort auch griechische und christliche Minderheiten wohnen, das wissen wir doch alle. Wir können die Partnerschaft mit Bursa sehr gut dazu nutzen, um einen Austausch, eine Verständigung, auch eine Völkerverständigung zu organisieren. Wir müssen dafür aber nicht eine Partnerschaft mit Diyarbakir eingehen.

Ich bitte also darum, diese Partnerschaft konstruktiv umzusetzen und nicht für die eigenen politischen Ziele zu instrumentalisieren. Das sind die Leute dort leid. Das wollen sie nicht mehr.

Ein letzter Punkt. Wir werden sowohl dem SPD- als auch dem CDU-Antrag zustimmen. In dem CDU-Antrag sprechen Sie aber im ersten Absatz – –

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Gerne, Herr Hahn: In dem CDU/FDP-Antrag sprechen Sie im ersten Absatz von der Integration der in Hessen lebenden türkeistämmigen Menschen.

Die Partnerschaft ist nicht nur dazu da, um die Integration hier zu fördern. Diese Partnerschaft ist auch dazu da, die Vorurteile abzubauen, die in der deutschen einheimischen Gesellschaft vorhanden sind. Daher müssen Sie einen Austausch der Gruppen mit organisieren und mit finanzieren und nicht nur auf der Ebene der Wirtschaft bleiben.

Die Wirtschaft hat ihren Weg nach Bursa bisher immer gefunden. Derjenige aber, der den Weg nach Bursa nicht findet, ist der normale Bürger hier in Hessen. Ich bitte, dafür auch finanzielle Mittel bereitzustellen.

Ansonsten werden wir diesen Antrag natürlich unterstützen, denn wir wollen diesen Weg gemeinsam konstruktiv fortführen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Frau Öztürk. – Für die Landesregierung, Herr Staatsminister Hahn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Präsident! Gerade für mich persönlich ist es eine schöne Angelegenheit, dass die Sommerpause des Landtags mit einem einmütigen Votum des Hessischen Landtags dafür

beginnt, dass die Regionalpartnerschaft zwischen unserem Bundesland Hessen und der Region Bursa in der Türkei gelobt wird.

Ich sage das sehr bewusst. Auch persönlich bin ich sehr erfreut darüber, dass nach jetzt knapp eineinhalb Jahren dieser Partnerschaft das Fazit aller Fraktionen in diesem Hause sehr positiv ausfällt.

Ich kann mich noch daran erinnern: Als im Jahr 2007 bzw. im Jahr 2008 von mir das erste Mal öffentlich der Vorschlag gemacht wurde, man solle sich einmal um eine solche Partnerschaft kümmern, fielen die Voten doch noch etwas anders aus. Vielen herzlichen Dank dafür, dass nicht nur die Fraktionen dieses Hauses, sondern auch viele Personen in anderen Funktionen dafür werben, dass die Zusammenarbeit weiterhin mit Leben erfüllt wird.

Vielen Dank an die Industrie- und Handelskammer in Frankfurt, die eine solche vertragliche Verpflichtung mit der IHK-Partnerorganisation in Bursa eingegangen ist. Ich selbst versuche, wo immer es mir zeitlich möglich ist, entsprechende Veranstaltungen zu besuchen und ein entsprechendes öffentliches Bild darzustellen. Gerade gab es eine Veranstaltung der Justus-Liebig-Universität in Gießen, auf der die Zusammenarbeit auf höchstem fachlichen Niveau mit den Professorenkollegen aus Bursa – und im Übrigen auch aus Malatya – durchgeführt werden konnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das zum Schluss sagen: Wir sind auch deshalb als Land Hessen sehr gut beraten gewesen, diese Partnerschaft einzugehen und mit Leben zu erfüllen, weil wir dann in Konfliktsituationen bereit und in der Lage sind, schnell einen Kontakt herzustellen.

Natürlich gab es eine derartige Konfliktsituation im Spätherbst des vergangenen Jahres, als bekannt wurde, dass die NSU – wie sie so schön verharmlosend genannt wird – während eines Zeitraums von zehn Jahren Attentate auf zumeist türkeistämmige Bürger in Deutschland durchgeführt hat. Der Ministerpräsident und ich hatten die Aufgabe, entsprechende Kontakte mit dem türkischen Außenminister und anderen aufzunehmen.

Vielen herzlichen Dank dafür, dass dieses positive Ergebnis einer Regierung, die etwas tut, die viel handelt, die sehr aktiv ist, in diesem Punkt von allen in diesem Haus positiv bewertet wird. Der eine oder andere wird sicherlich die nächsten Tage oder Wochen dafür nutzen, um einmal in Bursa vorbeizuschauen oder mit Vertretern aus Bursa Hessen zu erobern. Alles Gute auch für Sie persönlich. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Staatsminister Hahn. – Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse als Erstes über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt worden.

Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Enthaltung der SPD und der LINKEN und bei Zu

stimmung der übrigen Fraktionen dieses Hauses ist dieser Entschließungsantrag angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Dringlicher Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt), Roth (SPD) und Fraktion betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anerkennung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarktinformationssystems – Drucks. 18/5649 –

Mit aufgerufen wird Tagesordnungspunkt 27:

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Zugang zu Pflegeberufen auch mit mittleren Bildungsabschlüssen ermöglichen – EU-Richtlinie muss abgelehnt werden – Drucks. 18/5581 zu Drucks. 18/5410 –

Berichterstatterin ist Frau Ravensburg. – Auf Berichterstattung wird verzichtet.

Als Erstes lasse ich den Dringlichen Antrag der SPDFraktion abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dieser Antrag ist mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN abgelehnt worden.

Jetzt lasse ich die Beschlussempfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der LINKEN angenommen worden.