Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

(Alexander Bauer (CDU): Hessen brummt!)

Trotzdem muss sich Sozialpolitik der Menschen annehmen, die unverschuldet ein überdurchschnittliches Langzeitarbeitslosigkeitsrisiko haben und damit ein Armutsrisiko haben. Dies sind Menschen ohne Berufsabschluss, alleinerziehende Frauen, Menschen in strukturschwachen Regionen und auch in sozialen Brennpunkten größerer Städte, Menschen mit geringen Kenntnissen der deutschen Sprache und viele andere. Genau hier ist diese Landesregierung besonders aktiv und erfolgreich. Es gibt mehr Ausbildungsangebote als Bewerber. Hessen ist das Land der Optionskommunen und der erfolgreichen kommunalen Arbeitsplatzvermittlung.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist kein Ruhmesblatt!)

Krippenplatzangebote für Kinder unter drei Jahren wurden von 2005 bis heute von 7,4 % auf 30,1 % gesteigert. Das ist besonders wichtig für kinderreiche Familien und für alleinerziehende Frauen. Ehemals strukturschwache Regionen boomen heute. Verbesserungen von sozialer Infrastruktur im ländlichen Raum, z. B. ärztliche Versorgung, sind Schwerpunkte unserer Sozialpolitik.

Zu den ideologischen Parolen im Antrag der LINKEN spare ich mir eine Stellungnahme. Aber zwei Punkte in diesem Antrag dürfen einfach nicht unkommentiert bleiben.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, die Verwendung des Titels „Wohlstand für alle“ in einem Antrag der SED-Nachfolgeorganisation ist schon eine Beleidigung des Vaters der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard. Dies können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der LINKEN und der SPD)

„Armut für alle in Mauern“ – das würde doch besser zu Ihnen passen.

(Zurufe von der LINKEN)

Es kommt in Ihrem Antrag ja noch schlimmer. Die Ablehnung einer aktivierenden Sozialpolitik, Ihr Punkt 7, in einer besonders aggressiven Sprache, entlarvt das Menschenbild der LINKEN. Was meint denn aktivierende Sozialpolitik?

Herr Dr. Bartelt, Kollege Dr. Spies möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Wie sehen Sie das?

(Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU): Bei fünf Minuten nicht!)

Das habe ich mir gedacht. Herr Doktor, keine Chance. – Herr Dr. Bartelt, bitte.

Was meint denn aktivierende Sozialpolitik? Besonders benachteiligte Menschen sollen wieder in die Lage versetzt werden, eine Ausbildung und damit einen Arbeitsplatz zu bekommen, um damit die Teilhabe an der Gesellschaft und das Selbstbewusstsein der Menschen zu stärken. Sie, die LINKEN, wollen dies den Schwachen in unserer Gesellschaft einfach vorenthalten.

Der Antrag der SPD ist zwar im Ton moderater, aber nun auch nicht viel zielführender. Sie vermissen Handlungsempfehlungen. Ja, es ist doch gerade die Aufgabe eines Parlaments, darüber zu debattieren. Wir wollen hier doch nicht in einem Bericht einfach Handlungsempfehlungen übernehmen. Aber Ihre Handlungsempfehlung reduziert sich dann doch auf einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Viel mehr steht in Ihrem Antrag nicht drin. Ich erlaube mir den Hinweis: Einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn kann nur der bekommen, der auch einen Arbeitsplatz hat. Wenn wir uns einmal die Krisenländer in der Europäischen Union anschauen, dann sehen wir, die haben zwar einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, haben aber keinen Arbeitsplatz für Jugendliche, haben damit Armut.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Überlegen Sie sich einmal, was das heißt.

Meine Damen und Herren, wir werden aus dem Bericht in der parlamentarischen Arbeit viele Anregungen für die Fortsetzung einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik,

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da bin ich mal gespannt!)

Familienpolitik, Politik für Behinderte und Integrationspolitik ableiten. Wir freuen uns auf die Diskussion, und wir setzen unter dieser Landesregierung erfolgreiche Sozialpolitik fort. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Kollege Dr. Bartelt. – Das Wort hat der Abg. René Rock, Seligenstadt, für die FPD-Fraktion.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Landessozialbericht, der uns jetzt seit – ich würde schätzen – vier Wochen vorliegt, über den man sich einen Überblick verschaffen konnte, ist ein umfassendes Werk von über 500 Seiten, dick wie ein Telefonbuch, mit fast so vielen Zahlen. Es wird, glaube ich, einige Zeit brauchen, bis man sich sachlich – das hat Herr Bocklet auch gesagt – bis

zur letzten Zahl vorgearbeitet hat, es bewerten und seine Schlüsse daraus ziehen kann.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass es zwar einige Kritik an dem Bericht gibt, aber aus meiner Sicht zumindest keine Kritik an der Methodik und an der Fachlichkeit. Es ist wichtig, wenn man die Zahlen bewertet, dass man die Zahlen selbst nicht anzweifelt, sondern dass man sich auf eine Datengrundlage verständigt, aus der man Schlüsse für die künftige Politik ziehen kann.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wenn man einen Antrag stellt und sich nur auf ein spezielles Thema bezieht, nämlich das Thema Armut/Reichtum, die Einkommensentwicklung, die wir in Hessen haben, dann wird vergessen, dass dieser Bericht viel mehr umfasst. Er umfasst 14 Kapitel, angefangen bei der Soziodemografie bis hin zur Migration, in denen man ganz verschiedene Aspekte unterschiedlich gewichten, unterschiedlich betrachten kann, wobei man sich auch damit auseinandersetzen kann, welche Erfolge die bisherige Politik – die Sozialpolitik oder auch andere Politikfelder, Sicherheit spielt auch eine Rolle – bis jetzt in Hessen zu verzeichnen haben, wo wir stehen, wo wir noch hin wollen. Ich meine, man sollte zunächst einmal das Positive betrachten. Wir sollten es positiv betrachten, dass wir jetzt einen Sozialbericht haben, dass das ein großes Werk ist, das die Verwaltung, aber auch Wissenschaftler sehr gefordert hat.

Im Hinblick auf das, was die Vorredner hier gesagt haben, räume ich ein, dass wir noch nicht da sind, wo wir gerne sein würden. Dem kann ich nicht widersprechen. Ich bin hier auch zitiert worden. Es gibt Bereiche, die wir noch verbessern müssen.

Aber Herr Grüttner hat auf Seite 3 etwas geschrieben. Es wundert mich, dass das hier niemand zur Kenntnis genommen hat.

(Holger Bellino (CDU): So weit haben die nicht gelesen!)

Ich denke, Sie haben die Seite 3 überblättert oder sind gar nicht so weit gekommen. Hier würden Sie lesen – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Ein erster Bericht kann hierbei allerdings ,nur‘ ein erster Schritt sein. Ich wünsche mir eine sachliche, konstruktive und tiefgründige Diskussion des Berichts...“ Das hat der Minister persönlich als Vorwort in den Bericht hineingeschrieben.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo sind denn jetzt die Handlungsempfehlungen?)

Es ist jetzt der erste Bericht. Wir haben beschlossen, dass wir in einem regelmäßigen Zyklus weitere Berichte bekommen. Ich glaube, die Debatte um diesen Bericht wird auch dazu führen,

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit Ihrem eigenen Beschluss, Herr Rock?)

dass wir überlegen, was wir weiterentwickeln können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss schon sagen, aus dem Landessozialbericht eine Aktuelle Stunde zu machen, ist voll daneben.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Handlungsempfehlungen!)

Sie können dieses Thema in Ruhe auswerten. Das kann jede Fraktion machen. Dass das in Wirklichkeit in vier

Wochen nicht passieren kann, ist klar, wenn man sich damit intensiver auseinandergesetzt hat und nicht versucht hat, nur eines dieser 14 Kapitel zu lesen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur, dass die Handlungsempfehlungen fehlen! – Weitere Zurufe – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wenn Sie es lieber hätten, dass die Zahlen, die darin sind, für Sie allgemein gedeutet werden – es findet ja etwas statt –, wenn das Ihre zentrale Überlegung ist, dann frage ich mich natürlich, warum alle, die hier vorgetragen haben – vielleicht mit Abstrichen Herr Bocklet, aber alle anderen, die hier nach vorne gegangen sind –, nichts Neues gesagt haben.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den eigenen Beschluss muss ich doch selbst ernst nehmen!)

Die LINKEN haben im Endeffekt gesagt: Wir reden nur über Armut und Reichtum. Da wissen wir schon alles. Alles wird schlimmer. – Der Bericht sagt etwas anderes. Das möchte ich hier auch noch einmal erwähnen. Er sagt nämlich, dass die Situation besser geworden ist.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist nicht schwer bei dieser Landesregierung!)

Wenn Herr Dr. Spies hier sagt, wir hätten eigentlich unsere eigenen Handlungsempfehlungen, dann frage ich mich, warum sich die Landesregierung die Mühe macht, einen Bericht vorzulegen, wenn Sie doch alles besser können und alles bereits vorliegen haben.

Wenn Sie, Herr Spies, hier vorne hingehen und sagen, Sie wollten ernsthaft eine Neukonzeption der Sozialpolitik anstoßen, dann habe ich in diesem Haus wenig davon gemerkt.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Wenn Sie nach vorne gehen und hier eine Rede halten, dann weiß jeder im Haus schon genau, was Sie sagen. Dass Sie einmal etwas Innovatives im Bereich Soziales hier vortragen, darauf kann man lange warten; es ist nur die alte Schiene, die wir kennen.

Ich würde mir an der Stelle wünschen, dass wir uns in den Fraktionen in Ruhe mit dem Thema auseinandersetzen und die verschiedenen Themenbereiche analysieren. Die Fraktionen müssten jeden dieser 14 Themenbereiche sachlich aufarbeiten und schauen, welche Schlüsse man daraus ziehen muss, welche erfolgreiche Politik die Landesregierung auf diesen Feldern schon macht. Auf all diesen Feldern ist die Landesregierung aktiv. Was könnte man vielleicht noch optimieren oder verbessern? Das ist mit Sicherheit eine interessante und wichtige Aufgabe, die wir erfüllen können.

Ich möchte versuchen, bei diesem Thema eine Klammer zu setzen.