Protokoll der Sitzung vom 25.09.2012

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden weiterhin Stellen abbauen. Es ist darauf hingewiesen worden – wenn Sie den Haushaltsplan aufschlagen, sehen Sie das –, dass wir in dem Zeitraum bis 2017 in der Bildungsverwaltung ungefähr 10 % der Stellen, round about 100 Stellen, abbauen werden. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie hier behaupten. Ich fordere Sie auf, derartige Behauptungen zu unterlassen, die sich mit dem Haushaltsplan und mit dem Gesetz widerlegen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Die neue Bildungsverwaltung wird zweistufig sein. Die neue Bildungsverwaltung wird effizienter sein. Wir werden insbesondere Doppelarbeiten bei der IT-Verwaltung, bei der Personaladministration, bei der Liegenschaftsverwaltung und beim Haushaltscontrolling bündeln und damit mehr freie Kapazität in den regionalen Schulämtern für die Unterstützung unserer Schulen schaffen. Diese Unterstützung wird wirksamer sein, d. h., sie wird den Schulen mehr bringen. Darauf kommt es an – nicht darauf, dass Sie von der Opposition Ihre persönlichen Spielwiesen in Hessen behalten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Einheitliche Handlungskriterien, stärker orientiert an einheitlichen Qualitätsstandards – das wissen alle, die in der Bildungsverwaltung tätig sind –, werden durch die Vernetzung wesentlich effizienter genutzt werden. Es wird nicht mehr so viele Reibungsverluste geben. Wir werden eine entsprechend bessere Beratung unserer Schulen haben, insbesondere weil die Schulen nicht mehr von mehreren Akteuren im Bereich der Bildungsverwaltung an unterschiedlichen Stellen angesprochen werden.

Die Änderungen im Hinblick auf den Gesamtpersonalrat und die Studienseminare, die wir aufgegriffen haben und die insbesondere das Gesetz betreffen, sind erläutert worden. Sehr geehrte Frau Kollegin Habermann, Sie sind im Schulbereich doch viel länger dabei als ich. Sie müssten doch wissen, dass die Diskussion um die Änderung und Verbesserung unserer Bildungsverwaltung mindestens zwei oder drei Jahre alt ist. Diese Diskussion wird doch nicht erst seit drei oder vier Wochen geführt. Alle Anregungen, Analysen und Ergebnisse der Diskussionsprozesse sind doch in die neue Struktur eingeflossen. Ich kann Ihnen sogar verraten, dass wir weiterhin im Gespräch mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungsverwaltung und mit Experten auch außerhalb der Bildungsverwaltung sind, um weitere Anregungen aufzunehmen. Diese Anregungen betreffen aber nicht das Gesetz, sondern die Ausgestaltung des Gesetzes, den Organisationserlass, die konkreten Details der neuen Struktur. Genau da werden wir das ansiedeln, und genau da haben wir einen großen Teil der Anregungen schon aufgenommen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich nenne als Beispiel die phasenübergreifende Kooperation im Bereich der Lehrerbildung. Das ist in der Anhörung gefordert worden. Dazu gibt es ein neues Konzept, das jetzt mit den Experten besprochen wird, auch ein Konzept, das die landesweite Koordination der Angebote, gerade im Bereich der Fortbildung, entsprechend darstellen kann, sodass wir die Möglichkeit haben, hier noch effizienter noch passgenauere, noch differenziertere Angebote zu machen.

Zu den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Gerade die Neuorganisation, die wir hier machen, folgt den Empfehlungen des Landesrechnungshofs, der uns an mehreren Stellen dargelegt hat, dass ein gewisses Maß an Zentralisierung zu Vorteilen führen wird. Der Landesrechnungshof ist weiterhin eingebunden. Er ist bei jedem Schritt in der weiteren Entwicklung der Organisationsstruktur dabei. Er berät uns. Wir sind dafür sehr dankbar. Wenn die endgültige Organisationsstruktur der Behörde gefunden ist, werden wir wieder die Möglichkeit haben – und dies auch dankend entgegennehmen –, eine Wirtschaftlichkeitsüberprüfung durchführen zu lassen.

Die externe Beratung zur Begleitung der Organisationsentwicklung, wie in der Anhörung insbesondere vom Hauptpersonalrat gefordert, ist schon in Auftrag gegeben. Wir haben einen renommierten Bildungsforscher gefunden, der solche Prozesse genau kennt und begleitet hat, der uns hier unterstützen wird. Von daher organisieren wir summa summarum eine effizientere, eine wirksamere Bildungsverwaltung, damit sich unsere Schulen noch stärker auf guten Unterricht, noch stärker auf die individuelle Förderung unserer Kinder konzentrieren können.

Herr Kollege Wagner und Frau Habermann, ganz ehrlich: Wer sich nun immer noch vor einer angeblichen Monsterbehörde fürchtet, dem kann ich ein wunderschönes Bilderbuch empfehlen. Ich habe es meinen Kindern vorgelesen, als sie gelegentlich – damals waren sie allerdings erheblich jünger – Angst vor Monstern hatten.

(Günter Rudolph (SPD): Nicht so überheblich, Frau Ministerin!)

Vielleicht schaut auch der Kollege Rudolph einmal in das Buch „Wo die wilden Kerle wohnen“ von Maurice Sendak hinein. Der eine oder andere wird es vielleicht im Bücherschrank seiner Kinder finden. Für den, der das gelesen hat, werden die großen Monster plötzlich ganz, ganz klein. Dann braucht sich auch der Kollege Rudolph nicht mehr zu fürchten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Ja, ganz, ganz klein! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Beer. – Wir sind am Ende der Aussprache zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Reform der Organisationsstruktur der Schulverwaltung (Schulverwaltungsorganisationsstrukturreformge- setz).

Die dritte Lesung ist beantragt. Zur Vorbereitung der dritten Lesung wird der Gesetzentwurf inklusive des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP,

Drucks. 18/6229, an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen.

Ich habe das Wortprotokoll vorliegen. Frau Cárdenas, Sie sagten in Richtung von Herrn Irmer – ich zitiere jetzt –:

Letztendlich hat ihm dies nichts gebracht. Der Schulpolitik in Hessen wird es aber guttun, von seinen rassistischen und menschenfeindlichen Tiraden nun verschont zu bleiben.

Ich rüge diese Aussage ausdrücklich und erteile einen Ordnungsruf nach § 75 Abs. 2 der Geschäftsordnung.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Gesetz zur Neuordnung der Aufgaben zum Schutz der Verfassung und zur Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz – Drucks. 18/6176 –

Zur Einbringung erteile ich Herrn Dr. Wilken das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Unruhe)

Eine Sekunde, Herr Dr. Wilken. Das geht jetzt nicht von Ihrer Redezeit ab. – Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, entweder Platz zu nehmen oder, wenn Sie den Raum verlassen wollen, dies sogleich zu tun, damit Herr Dr. Wilken beginnen kann. Eine Sekunde bitte noch. – Herr Dr. Wilken, Sie haben das Wort.

An die Damen und Herren, die gerade aus dem Plenarsaal flüchten: Sie werden nicht beobachtet, bloß weil ich hier rede. Sie brauchen keine Angst zu haben.

(Zuruf von der FDP: Aber Sie werden beobachtet!)

Die Menschen im ganzen Land und die Menschen im Ausland betrachten mit Erschrecken und Verwunderung, dass in unserer Republik über ein Jahrzehnt lang eine Neonazigruppe mordend durch das Land gezogen ist, größtenteils völlig unbehelligt. Es bleibt noch die Frage zu klären, inwieweit sie unterstützt wurde. Entweder hat der Inlandsgeheimdienst, vulgo: der Verfassungsschutz, davon nichts mitbekommen – dann ist er unfähig –, oder er wusste es und hat weder Polizei noch Justiz und auch nicht die Öffentlichkeit und die Parlamente davon informiert. Dann ist er darüber hinaus auch noch gefährlich.

(Holger Bellino (CDU): Na, na, na!)

In beiden Fällen gehört der Inlandsgeheimdienst abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Verfassung schützen. Deswegen müssen wir den Verfassungsschutz abschaffen. Der als Inlandsgeheimdienst organisierte Verfassungsschutz ist ein Fremdkörper in der Demokratie.

Als Geheimdienst widerspricht er den demokratischen Prinzipien der Transparenz, der Kontrollierbarkeit und der Rechtsstaatlichkeit.

Das Wort „Verfassungsschutz“ führt denn auch in die Irre. Es ist nicht seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung oder das Recht auf Versammlungsfreiheit, unberührt bleiben. Im Gegenteil, mit der Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel – beschatten, belauschen, bespitzeln – greift er gerade in konkrete Rechte ein, immerhin mit dem hehren Ziel, die abstrakte freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Aber ganz konkret verletzt er diese mit jedem einzelnen Schritt.

Mindestens zwei Aspekte unterscheiden den Verfassungsschutz von anderen staatlichen Behörden und machen ihn deswegen problematisch. Zum einen wird er gegen Menschen allein aufgrund ihrer Gesinnung tätig, unabhängig von konkreten Tatbeständen. Das ist mit Blick auf die Bürgerrechte mehr als fragwürdig.

Zum anderen unterhält er Verbindungsleute in jenen Gruppen, die er für Feinde der Verfassung hält. Um diese V-Leute führen zu können, entsteht ein Zwang zur Geheimhaltung, und damit sind die Spitzel ein kaum zu überwindendes Hindernis bei jeder noch so gut gemeinten Reform der Dienste.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst wenn die Ämter den Geist des Kalten Krieges überwinden und die Verfassungsschützer angemessen ausbilden würden – dass der Innenminister jetzt dauernd fordert, die Verfassungsschützer gehörten endlich gut ausgebildet, sollte uns wirklich zu denken geben –,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Fachkräftemangel!)

und selbst wenn sich die Präsidenten der Ämter für Verfassungsschutz nicht mehr als unangreifbare Autokraten gebärden würden, blieben sie doch Geheimdienste, solange sie Menschen bezahlen, die Angst vor Enttarnung haben müssen. Wir haben es doch erlebt: Seit den Neunzigerjahren verstrickt sich der Inlandsgeheimdienst mit seinen V-Leuten in Neonaziszenen. Ich erinnere an die Probleme, die das NPD-Verbotsverfahren zum Scheitern brachten.

Vom Inlandsgeheimdienst bezahlte V-Leute machen sich in diesen Szenen regelmäßig strafbar, werden aber vom Verfassungsschutz gegen Ermittlungen der Polizei abgeschirmt. Sie wissen, dass sich der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident am Freitag genau deswegen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages unangenehme Fragen wird gefallen lassen müssen. All dies ist in einer Demokratie inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

V-Leute sind keine Agenten des demokratischen Rechtsstaats; im Falle von Neonazis sind sie sogar zumeist Rassisten und Gewalttäter. Brandstiftung, Körperverletzung, Mordaufrufe und Waffenhandel: Das sind nur einige der Straftaten, die solche Leute unter ihrer Tarnung und zum Schutz ihrer Tarnung begehen. Was besonders schwer wiegt: Der Inlandsgeheimdienst ist durch das V-LeuteSystem in kriminelle Machenschaften verstrickt und dadurch selbst Teil des Neonaziproblems geworden.

Meine Damen und Herren von der CDU, selbst führende Innenpolitiker aus uns nicht nahestehenden Fraktionen

weisen darauf hin, dass über die V-Leute eine Finanzierung und organisatorische Unterstützung der Neonaziszene gewährleistet ist. Sie weisen darauf hin, dass diese Form der staatlichen Subventionierung den braunen Sumpf überhaupt nur am Leben erhält. Das müssen wir beenden.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Da ich eben Bemerkungen gehört habe, die auf einen ehemaligen deutschen Staat zielen, frage ich Sie, meine Herren von der CDU: Welchen Vergleich streben Sie eigentlich an? Ist Ihnen klar, was Sie mit diesen Zwischenrufen eigentlich eingestehen?

(Clemens Reif (CDU): Das war ein Unrechtsstaat!)