Sowohl das Grundgesetz als auch die Hessische Verfassung räumen dem Eigentum eine Vorrangstellung ein.
Das ist die Grundregelung. Das steht in Art. 14. Das steht auch in der Hessischen Verfassung. Herr van Ooyen, Sie behaupten, Sie kennen sie so gut.
Das heißt im Umkehrschluss, dass eine Verstaatlichung von Betrieben eben nicht ohne Weiteres, wie von den LINKEN gewünscht, möglich ist, sondern dass dafür verfassungsmäßige Hürden zu überwinden sind. Das hat uns Herr Dr. Jürgens eben erklärt.
(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das ist auch richtig! Das haben wir nie bestritten! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Das hört sich bei Ihnen aber häufig sehr anders an.Wie wollen Sie denn bitte Unternehmen entschädigen? Wie wollen Sie das denn bezahlen?
Sie tun so, als könnten Sie hier eine sozial – wie haben Sie hier eben gesagt? –, eine sozialistische Wirtschaftsordnung ausrufen. Das ist völlig fern jeder Realität. Das ist blanker Unsinn.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Janine Wissler und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Diese linken Verstaatlichungsparolen sind genau das, was Herr Hahn in der Presse deutlich gemacht hat: Das hat hier nichts zu suchen.
Meine Damen und Herren, Florian Rentsch hat das schon einmal gesagt: Das ist bei den LINKEN eben nicht der gute Willi van Ooyen. Das ist der gefährliche Willi van Ooyen, der mit der Verfassung nicht so ganz einverstanden ist.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der LINKEN: Uiuiui! – Zurufe von der SPD: Oh! – Axel Wintermeyer (CDU): Der Wolf im Schafspelz!)
Entschuldigung, ich habe es sogar falsch zitiert. „Es ist nicht der gute Onkel Willi, der freundlich lächelt. Nein, es ist der gefährliche Herr van Ooyen.“ Das ist genau das, worauf wir achten müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Janine Wiss- ler (DIE LINKE): Vorsicht, sonst fängt er an zu knurren!)
Ich glaube, das war Herr Wagner. – Meine Damen und Herren, der Antrag ist inhaltlich nicht haltbar, von der Ausrichtung schon gar nicht mitzutragen und wird von uns daher ganz entschieden abgelehnt. Bitte ersparen Sie uns künftig solche Geschichten im Parlament.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Anfang meines Statements möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass das Thema Verfassungsreform inzwischen in Form von beiläufigen Presseverlautbarungen und darauf entgegnenden Missbilligungsanträgen angegangen wird.
Dies entspricht nicht der Bedeutung der Sache und sollte in Hessen so nicht weitergeführt werden. Natürlich wäre es nicht angemessen, von Verfassungsvorschriften als Blödsinn zu reden. Das ist für einen Minister nicht angemessen, aber auch sonst nicht. Natürlich handelt es sich auch nicht um die erste Merkwürdigkeit, die der neue Justizminister geboten hat. Das Thema Richterschelte steht uns noch allen vor Augen.
Andererseits muss auch nicht jede Äußerung immer und unbedingt mit der Goldwaage traktiert werden, und zwar auch dann nicht – wenn Sie dies bitte Herrn Hahn ausrichten –, wenn der Urheber der Äußerung selbst immer wieder einmal als ein Repräsentant eben dieser Goldwaagen-Kultur in diesem Hause in Erscheinung getreten ist.
Jedenfalls möchten wir stark hoffen, dass das Thema Verfassungsreform in der nächsten Zeit in Hessen auf einem höheren Niveau traktiert wird, als dies am Anfang dieser Legislaturperiode geschieht.Daher wird meine Fraktion – ich will es nennen – das heutige Scharmützel unter Erwähnung unserer stolzen Verfassung mit Stimmenthaltung quittieren. Wer unseren verfassungsrechtlichen Traditionen Gutes will, auch wer daran denkt, die Verfassung in ihren stolzen Traditionen zeitgerecht fortzuschreiben und mit neuem Leben zu füllen, sollte den Dialog zu diesem Thema anders suchen.
Wichtiger, viel wichtiger als jede Erregung über Herrn Minister Hahn, und als über seinen persönlichen Stil zu kommunizieren, ist für uns als SPD-Fraktion Folgendes. Man kann die Mitteilungen des Justizministers als Ankündigung verstehen, dass die Regierungsseite einen neuen Anlauf zur Verfassungsreform plant.Meine Damen und Herren, man kann erkennen, dass dieser Anlauf wieder so ausgerichtet sein könnte, wie es in der 16. Wahlperiode der Fall gewesen ist. Denn wieder geht es den Initiatoren, soweit sie sich in der Presse äußern, ganz augenscheinlich vor allem um solche Bestimmungen, die das ganz besondere Bekenntnis der Hessischen Verfassung zum sozialen Staat und zum aktiven Staat betreffen, einem Staat, der den wirtschaftlichen Erfolg will, der sich aber ganz betont nicht als parteiischer und einseitiger Sachwalter des Großeigentums versteht.Wenn es bei den Reformplänen tatsächlich um eine Neuauflage in diesem Sinne gehen sollte, dann, meine Damen und Herren, werden Sie in der hessischen Sozialdemokratie keinen Partner haben.
Wir werden den sozialstaatlichen Geist der Hessischen Verfassung nach Kräften verteidigen, so wie wir dies in der zurückliegenden Enquetekommission getan haben.
Wir lassen uns auch diesmal nicht von dem sattsam bekannten Geschrei blenden, dieser oder jener Aspekt der Sozial- und Wirtschaftsverfassung sei obsolet. Wir wissen um die Wichtigkeit der Verfassungssymbolik,und wir werden keine Kahlschläge hinnehmen.
In Zeiten wie diesen ist der sozialstaatliche Geist der Hessischen Verfassung so aktuell wie schon lange nicht mehr. Der ideologische und gesellschaftsschädliche Wirtschaftsliberalismus, den auch mancher Kollege in diesem Hause gepredigt hat, dieser Wirtschaftsliberalismus hat abgewirtschaftet. Die sozialen Folgen werden wir im Laufe der kommenden Monate noch genauer sehen, und die Frage, wer die riesige Zeche am Ende zu zahlen hat, ist noch nicht beantwortet.
Ich selbst habe so meine Mutmaßungen, worauf es hinauslaufen könnte, und man kann nicht besonders optimistisch sein für den schwächeren Teil unserer Gesellschaft. Die Gefahr, dass die kleinen Leute bluten werden, ist, wie die Dinge heute liegen, groß.
Für die SPD-Fraktion in diesem Hause darf ich vor diesem Hintergrund festhalten: In Zeiten wie diesen gilt es, den Staat zu stärken.
Die Zeichen stehen auf Staatsaktivität und auf politische Initiative und Präsenz. „Es braucht einen starken Staat, der dem Markt Regeln setzt und für ihre Durchsetzung sorgt“, sagt der Bundespräsident in seiner Berliner Rede.
Meine Damen und Herren, genau so ist es, und dies ist die Aktualität der Hessischen Verfassung, dass sie sich ganz dezidiert zum starken Staat als regulierendem Staat bekennt. Natürlich tut sie dies in der Sprache und in den Denkformen ihrer Entstehungswelt. In welcher Sprache und in welchen Denkformen könnte sie sich sonst auch artikulieren?
Wenn es in einer Verfassungsreform darum gehen sollte, die verfassungsrechtlichen Instrumente des sozialen Staates formal und inhaltlich zu modernisieren, wird die SPD – das können wir zusagen – nicht abseitsstehen, denn unsere Verfassung ist kein Museum. Sie soll leben.
Gerade im Sozialen sind neue Entwicklungen zu berücksichtigen und verfassungsrechtlich anzuerkennen. Zu denken ist in allererster Linie an die enge Verknüpfung von sozialer Sicherheit einerseits und Bildungsgerechtigkeit andererseits.
Hier würden sich auch im Rahmen einer Verfassungsreform starke Signale sehr gut ausmachen. Meine Damen und Herren, seien Sie versichert, dass wir in dieser Sache initiativ werden.
Auch das Thema des freien Zugangs zum Studium, ein Thema, das Ihnen so lieb und wert geworden ist, wird dann wieder auftauchen, wenn wir hier über Verfassungsmodernisierung in Hessen zu reden haben. Das gilt auch für das große Thema Anti-Diskriminierung – auch das ist ein Feld, bei dem es wahrlich um Grundsatzfragen geht, für viele Menschen um Fragen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Existenz und für uns alle um eine besser funktionierende Gemeinschaftlichkeit und eine bessere Nutzung
all der vielfältigen Ressourcen,die in unserer Gesellschaft enthalten sind. Ich habe nur zwei Beispiele herausgegriffen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, seien Sie aber versichert, auch in dieser neuerlichen Runde wird für die SPD-Fraktion dieses Hauses gelten: So wahrhaftig unsere Gesprächsbereitschaft zur Pflege und Fortschreibung des sozialen und demokratischen Geistes unserer Hessischen Verfassung ist, so unabänderlich bleibt für die SPD-Fraktion in diesem Hause: Eine Einschrumpfung des sozialstaatlichen Verfassungsleitbilds zu einer Restgröße würden wir keinesfalls hinnehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit Verlaub, meine Damen und Herren von den LINKEN, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Ihr Antrag Blödsinn ist, dann hat das der Redebeitrag vorhin belegt.