Medienkompetenz ist auch der beste Laienschutz. Um die Internetkriminalität wirksam zu bekämpfen, müssen wir die Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, aber auch ansonsten unsichere User, fit für das Web machen. Doch leider müssen wir erkennen, dass Sie weder bei der Medienkompetenzbildung noch bei der präventiven Information der Bevölkerung über aktuelle Gefahren und ihre Bekämpfung oder in irgendeinem anderem Bereich der Bekämpfung der Internetkriminalität in Hessen innovativ oder vorne oder Spitzenreiter oder Vorreiter sind – wie auch immer CDU und FDP das in ihrem Jubelantrag nennen. Ganz im Gegenteil: Die Maßnahmen, die der Innenminister ergriffen hat und die die Regierungsfraktionen bejubeln, sind keineswegs innovativ oder wirklich vorbeugend wirksam.
Ich komme zum Schluss. – Ihre Ideen sind ganz und gar altmodisch, altbacken und de facto, ausweislich der PKS, wirkungslos.
Sie wollen sich als netzaffin ins Gespräch bringen. Sie wollen diejenigen sein, die in puncto Internet die guten Ideen haben. Die haben Sie aber nicht. Sie haben keine Ideen, Sie haben keine guten Konzepte, und Sie haben auch keinen konkreten Plan dafür, wie das Land auf den Anstieg der Cyberkriminalität reagieren muss. Ich rufe Sie vielmehr auf: Ziehen Sie ihn zurück.
Es wäre gut, wenn Sie sich mit Experten Gedanken darüber machen, wie eine wirksame Präventivstrategie zur Bekämpfung aussehen könnte. Ich sage Ihnen: löschen statt sperren, Datenschutz statt Personalisierungswahn, Prävention statt Repression; Medienkompetenz ist der beste Jugendschutz. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Mack. – Ich darf Herrn Schaus das Wort erteilen. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern haben sich die Regierung und die sie tragenden Fraktionen schon zwei Stunden selbst gefeiert.
Zwei Stunden lang mussten wir uns die Märchen vom sichersten Land der Welt anhören und dass in Hessen alles gar nicht besser sein könnte. Natürlich haben Sie dabei kein Wort zu den ganzen Skandalen der Landesregierung verloren. Heute lautet die Botschaft der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen: Das hessische Internet ist sicher.
Weil Ihnen außer innerer Sicherheit nichts mehr einfällt, weil soziale Sicherheit oder Arbeitsplatzsicherheit für Sie eben kein Thema ist, schwadronieren Sie weiter zielsicher an den eigentlichen Problemen vorbei.
Heute soll also das Thema Internetkriminalität als Bühne für die Selbstinszenierung der Regierung herhalten. Das ist zugegebenermaßen ein durchaus wichtiges Thema. Aber ist Ihnen auch bekannt, dass es zahlreiche Menschen in Hessen gibt, die nicht einmal Internet haben, weil sie sich die monatlichen Gebühren nicht leisten können oder weil
die Regierung nichts dafür tut, den Netzausbau in dünn besiedelten ländlichen Gegenden voranzubringen?
DIE LINKE hatte Initiativen dazu eingebracht, weil wir die Netzversorgung als Teil der Daseinsvorsorge verstehen. Aber die wurden von Ihnen alle abgelehnt. Sie hingegen vertrauen darauf, dass der Markt das schon regelt. Aber in manchen Gegenden rechnet sich das nicht. Da gibt es schlicht keinen ausreichenden Markt.
(Holger Bellino (CDU): Wir haben Millionen investiert und subventioniert! – Clemens Reif (CDU): 200 Millionen € sind dafür bereitgestellt!)
Herr Bellino, bevor man sich lang und breit über die Risiken des Internets auslässt, hätte es der Landesregierung und Ihrer Fraktion gut zu Gesicht gestanden, sich um die Verbesserung der Versorgungslage in diesem Bereich zu kümmern.
Es ist tröstlich für die heutige Debatte, dass es dort, wo es kein Netz gibt, auch keine Internetkriminalität geben kann. Das heißt, DIE LINKE wünscht sich, soweit möglich, ein freies, sich selbst entwickelndes und sich selbst regulierendes Internet.
Denn das ist doch das Großartige daran, dass viele Menschen gemeinsam selbst so etwas wie Wikipedia schaffen, frei entwickelt, frei zugänglich, unkommerziell und selbstverwaltet. Solche Beispiele gibt es tausendfach:
in sozialen Netzwerken, in Creative Commons bis hin zur Entwicklung in der Politik. Erinnern wir uns an den Arabischen Frühling.
Das Netz hat die Art, wie wir leben, arbeiten und kommunizieren, enorm erweitert. Aber wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Natürlich müssen Internetstraftaten verfolgt werden. Aber das ist kompliziert, weil es erstens enorme technische Anforderungen und Kenntnisse an die Polizei und die Strafverfolgung stellt und es sich zweitens oft in entgrenzten Netzwerken abspielt. Die Beteiligten an großen Verbrechen können leider oft national kaum zur Verantwortung gezogen werden. Das Vorgehen gegen die technischen Plattformen ist oft unmöglich, weil die Server irgendwo im Ausland stehen, oft sogar in Staaten, wo die Gesetzgebung wenig bis keine Handhabe bietet.
Aus diesen Gründen ist das, was das Land Hessen zur Aufklärung von Internetstraftaten beitragen kann, nur ein kleiner Teil. Meine Damen und Herren, da sollte man niemandem etwas vormachen.
Klar ist, dass dies intensiv angegangen werden muss. Deshalb finde ich es gut, wenn die Landesregierung dieses Thema ernst nimmt. Bei Mobbing, Stalking, Gewaltverherrlichung und einfachen Betrugsdelikten kann man sicher zu guten Ergebnissen kommen. Bei anderen Dingen, die mit dem Eindringen in Computer und in die Kommunikation mittels Schadsoftware zu tun haben, wird das
Ich möchte anmerken: Mit der Affäre um Staatstrojaner und Datenausspähung hat sich die Politik keine Lorbeeren verdient. Was da gemacht wurde, ging gründlich schief und wurde zu Recht heftig kritisiert. Der Staat kann wohl nicht selbst als Datenkrake auftreten. Ich will auch nicht, dass im Interesse der Medienindustrie ein Kreuzzug gegen pubertierende Jugendliche geführt wird, weil die sich Musik oder Filme herunterladen. Angesichts der auch von Ihnen vorgelegten Zahlen kann das keine großen Eingriffe der Polizei rechtfertigen. Das geben die Zahlen nicht her.
Man kommt wohl am schnellsten zu viel mehr Sicherheit, wenn man ernsthaft Prävention betreibt. Ich will hier ohne politische Zurückhaltung sagen: Die Blauäugigkeit mancher Nutzer verblüfft mich oft mehr als die Kaltschnäuzigkeit der Betrüger. Viele Nutzer scheinen leider immer noch zu glauben, einen Computer oder ein Smartphone zu bedienen sei reine Technik; es ist aber Kommunikation. Diese braucht erstens Regeln und zweitens Klarheit, mit wem man kommuniziert. Medienkompetenz heißt deshalb, ein breites Datenschutzbewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen.
Vielen Nutzern ist leider völlig unklar, dass netzbasierende Kommunikation potenziell von jedem weltweit geschaffen, gelesen und gespeichert werden kann. Der Datenschutz ist deshalb von enormer Bedeutung. Wir sollten Schulen, Verbraucherzentralen und Unternehmen breit unterstützen, damit das Wissen um die Schutznotwendigkeit von Daten vergrößert wird. Hier gibt es insbesondere bei jüngeren Leuten viel zu tun.
Eine enorme Aufklärung sowie das Schaffen von Problembewusstsein sind nötig und möglich, damit man viele Menschen vor Schaden bewahren kann, den sie sonst selbst mit anrichten. Sie müssen wissen: Privates, Intimes und Geschäftliches brauchen digitalen Schutz zum privaten Selbstschutz. Die Politik müsste deshalb auch Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen, damit diese Datenschutzrechte kommunizieren und beachten.
Das beginnt im Verhältnis der Unternehmen zu ihren Angestellten. Es geht weiter beim völlig ausgeuferten gewerblichen Datenhandel, und es geht bis hin zu den großen Internetplattformen, die die Rechte der Nutzer bisher als lästig betrachten. Hier kann und hier muss die Bundesrepublik handeln. Hier kann und muss man für Angestellte wie Nutzer mehr tun, notfalls auch gegen die Interessen der Unternehmen.
Das ist zwar ein Punkt, der im Antrag der SPD noch fehlt. Ich denke aber, dass Ihnen die Stichworte Arbeitnehmerschutzgesetz, Datenhandel und Nutzerrechte wohlbekannt sind. Die sind uns wichtig. Aber ich will da auch nicht herummosern. Denn ansonsten ist der Antrag gut und ausgewogen und daher für DIE LINKE zustimmungsfähig. Auch im Jubelantrag der CDU steht im Übrigen durchaus einiges Richtiges. Deshalb können wir uns hierzu enthalten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Schaus. – Ich darf Herrn Greilich, Fraktionsvorsitzender der FDP, das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab eine bemerkenswerte Passage in den Ausführungen meines Vorredners. Die muss man doch einmal in Erinnerung rufen. Er hat sinngemäß gesagt: Wo es kein Internet gibt, da gibt es auch keine Internetkriminalität. – Das ist sicherlich zutreffend.
Aber wir leben in einer Gesellschaft, wo wir uns dazu bekennen, dass wir solche Kommunikationsmittel nutzen und dass wir uns das Internet nicht wegwünschen. Eine Situation, die Herr Schaus beschrieben hat, erinnert Sie vielleicht daran, wie das früher einmal war: Herr Schaus, in der DDR gab es in der Tat auch keine Computerkriminalität.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Da gab es auch noch kein Internet! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Herr Schaus, so ist das halt: Wenn man keine Computer hat, dann läuft man auch nicht Gefahr, dass dort ein Trojaner aufgespielt wird oder sonst etwas.
Ich will hier gleich zu Anfang noch eines sagen, um das einmal klarzuziehen. Frau Kollegin Faeser hat vorhin gesagt, sie verstehe nicht, warum wir diesen Antrag gestellt haben und warum wir auf das, was in Hessen in diesem Bereich geschieht, so stolz seien. Frau Kollegin Faeser, ich kann es Ihnen sagen.
Herr Greilich, Sekunde mal. – Ich darf insgesamt um etwas mehr Ruhe bitten, damit auch Herr Greilich von allen gut gehört werden kann.