Protokoll der Sitzung vom 29.01.2013

Vielen Dank, Kollege Klose. – Das Wort hat Herr Abg. Grumbach, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir bewegen uns in einem Feld, wo durchaus ein richtiges Problem festgestellt worden ist. Herr Reif, lassen Sie mich einfach eine Bemerkung zu Ihrem Beitrag machen. Sie befinden sich in einer Welt, die sich von der Welt derer unterscheidet, die im Wesentlichen Dispokredite in Anspruch nehmen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wenn Sie nur einmal drei Tage in einer Schuldnerberatung gearbeitet hätten, wüssten Sie, dass die Frage, die Sie rationalerweise völlig zu Recht stellen – der rationale Umgang mit Krediten und Umschuldungen –, in den Schichten, die Schuldnerberatung aufsuchen, nicht das Normale ist, sondern dass die in die Dispofalle hineinrutschen und da auch drinbleiben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Deswegen glaube ich, an der Stelle sollten Sie vielleicht einmal überlegen, ob eine Ihrer früheren Entscheidungen, nämlich die Finanzierung der Schuldnerberatung in Hessen zu reduzieren, wo solch rationales Verhalten für Menschen mit wenig Einkommen organisiert wird, nicht korrekturbedürftig ist. – Das wäre eine Vorbemerkung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der zweite Punkt ist auch ein grundsätzlicher; denn wir bewegen uns im Grenzbereich. Wir reden über zwei Dinge: Wir reden über Marktversagen, und wir reden über Marktmacht. Marktmacht deswegen – auch das wieder Schuldnerberatungserfahrung –: Wenn Sie einmal versucht haben, einen Dispokredit umzuschulden in einen langfristigen Kredit, genau bei denen, die diese hohen Dispokreditraten zahlen, dann werden Sie feststellen, dass Ihnen das gar nicht gelingt, weil das Risiko – –

(Clemens Reif (CDU): Ja, das muss man vorher machen, Herr Grumbach!)

Herr Reif, das ist das Problem. Sie machen Angebote an Menschen, die diese Angebote gar nicht wahrnehmen können.

(Clemens Reif (CDU): Sie müssen das vorher machen!)

Das weiß ich doch. Aber Sie erklären das Menschen, die das nicht begriffen haben und dann in einem anderen Zustand sind.

Das ist genau der Punkt, wo es um Marktmacht geht. Da haben wir relativ klare Regeln. Wir leben in einer Gesellschaft, wo Preise jedenfalls nicht direkt vom Gesetzgeber festgelegt werden, sondern vom Gesetzgeber werden – völlig zu Recht – Grenzen für Preisüberschreitungen festgelegt. Das Wort Wucher ist bei Miete, Zinsen, wo auch immer, der richtige Punkt. Ich sage einmal relativ freundlich, bei Refinanzierungskosten unter 1 % ist ein zweistelliger Zinssatz Wucher. Da bin ich in der Wertung relativ klar. Die Frage ist, wie man ihn einschränken kann.

Liebe Janine, es freut mich auch, in dieser Frage eine Gemeinsamkeit festzustellen. Denn wann sind Janine Wissler und Peer Steinbrück schon einmal einer Meinung? Für wen oder gegen wen das spricht, könnt ihr euch selbst aussuchen.

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Das spricht für den Dispozins! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Debatte läuft doch schon zwei Jahre. Die Frage ist aber, in welchem Rahmen wir agieren.

Ich denke, dass allein schon der Umfang des Gesetzentwurfs ein Problem aufwirft; er ist eigentlich zu schmal. Wenn man sich die Gesamtheit der Einnahmen der Banken und deren Einnahmequellen anschaut, dann wird man feststellen, dass sowohl die Zinssätze als auch die Bankgebühren in manchen Fällen hochgradig diskussionswürdig sind, dass das aber eine Regelung wäre, die kein Landesparlament treffen kann. Dass es hier nicht um Kosten, sondern um Gewinne geht, wird relativ schnell deutlich, egal, um welchen Bankentyp es sich handelt. – So weit die Gemeinsamkeiten.

Die Unterschiede sind in drei Punkten ganz einfach darstellbar:

Erstens. Warum bewerten Sie nur einen Kostenfaktor? Warum keine Gesamtbewertung?

Zweitens. Warum ein Landesgesetz? Warum versuchen wir nicht, die beiden Anträge, die vorliegen, so zusammenzuführen, dass sie eine gemeinsame Position wiedergeben?

Drittens. Die Sparkassen – da hat der Kollege Klose völlig recht – haben einen Auftrag für das Gemeinwohl, und es gibt bei dem, was sie machen, bestimmte Grenzen. Wenn man aber die Gemeinschaft der Sparkassen per Gesetz um eine halbe Milliarde oder eine Dreiviertelmilliarde Euro ärmer macht und meint, man würde die Konkurrenzverhältnisse zwischen den Bankensäulen nicht verschieben, dann irrt man sich.

Das heißt, die richtige Position wäre, zu sagen: Wir wollen ein Bundesgesetz haben – da wären wir uns einig –, das das für alle Banktypen regelt und auch mehr als nur die Dispo-Geschichten regelt.

(Beifall bei der SPD)

Zusammenfassung: Liebe LINKE, der Gesetzentwurf ist das Gegenteil von gut, nämlich gut gemeint. Da müsste man noch ein bisschen nacharbeiten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Grumbach. – Das Wort hat der Abg. Lenders, FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf könnte in der Tat von einem Straßenhändler stammen, denn er vagabundiert durch die gesamte Republik.

Den Wettbewerbsaspekt hat der Kollege Clemens Reif schon dargestellt; deshalb will ich darauf gar nicht mehr eingehen, aber noch ein oder zwei Aspekte aus der Sicht der Kreditnehmer und aus der Sicht der Sparkassen vortragen.

Hohe Dispositionszinsen sind für die Kreditnehmer ein Ärgernis. Aber nicht jeder, der einen Dispositionskredit in Anspruch nimmt, tut das aus der Not heraus. Dispositionskredite sind oftmals dazu gedacht, kurzfristige Finanzierungsabsichten sicherzustellen und zu ermöglichen. Genau das ist der Charakter der Dispositionskredite.

Die Zinshöhen sind an den Charakter dieses Kredites angepasst. Wenn es im Sinne des Anliegens von Frau Wissler zu einer Deckelung der Zinsen kommen würde, würde es für den Kreditnehmer überhaupt keinen Anreiz mehr geben, zu einer Tilgung zu kommen. Der Kreditnehmer würde in eine Schuldenfalle hineinlaufen. Das wäre der falsche Anreiz. Den sollten wir nicht setzen. Der Kreditnehmer erhielte überhaupt keinen Anreiz mehr – selbst wenn er merken würde, dass er in der Schuldenfalle sitzt –, umzudisponieren und seine finanzielle Schuld in langfristige Verbindlichkeiten umzuwandeln. Alle diese Anreize würden komplett wegfallen.

Meine Damen und Herren, den Effekt, den ich gerade beschrieben habe, hat es auch im Großen gegeben. Die Immobilienkrise in Amerika ist nicht zuletzt aus einer verfehlten Zinspolitik heraus entstanden. Das gilt auch für Griechenland. Die leichte Beschaffung von Geld auf den Geldmärkten aufgrund der günstigen Zinssätze hat bei den Griechen dazu geführt, dass das Land komplett überschuldet ist. Jetzt werden Sie vielleicht fragen: Was hat die große Politik mit unseren Sparkassen zu tun? – Das will ich Ihnen sagen. Die gleiche Situation hatten wir bei den Sparkassen in Spanien, und sie hat in Spanien zu einer Krise geführt.

Das Ganze nun aus der Sicht der Sparkassen. Die Sparkassen müssen mit den Zinsen auch das Risiko abdecken, das in einem Kredit steckt. Dispositionskredite, die auf einem Lohn- und Gehaltskonto gewährt werden, haben in der Regel ein sehr hohes Ausfallrisiko.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stimmt doch nicht!)

Jetzt meldet sich natürlich gleich der große Finanzexperte zu Wort.

Es reicht heutzutage in der Regel aus, dass Sie der Bank drei Einkommensnachweise vorlegen; schon bekommen Sie in einer entsprechenden Höhe einen Dispositionskredit eingeräumt. Das bedeutet für die Bank ein erhebliches Risiko. Die Bank bringt das aber mit einem höheren Zinssatz wieder ins rechte Lot. Wenn es dazu käme, dass der Dispositionskredit auf 5 % gedeckelt würde, dann bräuchten die Sparkassen eine höhere Eigenkapitalquote, um das wieder auszugleichen. Das sind die Anforderungen aus Basel II und Basel III. Dann stellt sich wiederum die Frage: Wo kommt das Kapital für die Sparkassen her?

Wenn man Ihre Idee, meine Damen und Herren von den LINKEN, zu Ende denken würde, dürften die Sparkassen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Dispositionskredite mehr geben, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Oder es würde am Ende keine Sparkassen mehr geben. Das sind Szenarien, die wir vonseiten der CDU und der FDP nicht haben wollen. Die Sparkassen würden als Partner für die KMU ausfallen. Das große Filialnetz der Sparkassen wäre überhaupt nicht mehr finanzierbar. Die Ausbildung, die die Sparkassen machen, könnte nicht mehr stattfinden, und auch im kulturellen Bereich und im Sport – denken Sie nur an die vielen Stiftungen und an die Kommunalfonds, an denen sich die Sparkassen beteiligen – könnte dieses Engagement nicht mehr stattfinden.

Ich freue mich auf die Beratungen zu dem Gesetzentwurf im Ausschuss.

(Günter Rudolph (SPD): Sie sind wirklich schmerzfrei!)

Ja, ich bin schmerzfrei. – Ich will noch eines zum Kollegen Kai Klose sagen. Lieber Kai – wir hatten das heute schon einmal mit dem Du –, es wäre besser gewesen, in deiner Rede das Wort „Plagiat“ zu verwenden. Ich will einen Kollegen aus dem Thüringer Landtag zitieren. Dort sagte der Kollege Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auf einen Zuruf von Herrn Ramelow von den LINKEN:

Ja, jetzt sind wir wieder bei der Schuldfrage... Ich behaupte, es wird nicht jeder Mensch über den Dispo getrieben. Ich behaupte, dass Menschen auch bewusst in den Dispositionskredit hineingehen... Dispositionskredit in Anspruch zu nehmen ist ihr gutes Recht, das können sie gerne tun. Aber das war genau die Frage von Schuld oder Nichtschuld, mit der Sie argumentieren. Mit der argumentiere ich aber nicht.

Er sagt ein bisschen später:

Weiterhin muss der Wettbewerbsnachteil für Thüringer Sparkassen erwähnt werden. Das heißt, es wird mit diesem Gesetzentwurf auch eine Schwächung der Thüringer Sparkassen verfolgt.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Kollege von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat recht. Die Folge für die hessischen Sparkassen wäre dieselbe.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Rentsch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Debatte zeigt, dass es keine Unstimmigkeit in diesem Hause gibt, dass die zum Teil sehr hohen Dispozinsen ein großes Ärgernis sind. Das darf man hier einmal sagen – auch dass man gelegentlich, gerade bei solchen exorbitanten Tatbeständen, nicht nur die Stirn runzelt.

Frau Kollegin Wissler, es gibt einen Dissens zwischen uns bei der Frage, ob die Dispozinsen dafür verantwortlich sind, dass Menschen in die Schuldenfalle geraten. Dazu habe ich heute in diesem Hause viel Richtiges gehört. Die Dispositionskreditzinsen sind mit Sicherheit nicht verantwortlich, denn ein Dispositionskredit ist zur Überbrückung von kurzfristigen Finanzauslagen notwendig, nicht für langfristige.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sie brauchen zehn Minuten vor sieben hier nicht so herumzuschreien. Das hört draußen keiner. Machen Sie aber ruhig so weiter.

Was mich an dem Gesetzentwurf stört, ist, dass Sie damit den Eindruck erwecken, man könnte in diesem Bereich mit einer gesetzlichen Norm ein bestimmtes Problem lösen.

Ich finde, das hat Kollege Reif sehr gut ausgeführt. Neben der Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf in verschiedenen Parlamenten eingebracht worden ist und die Bundesregierung in einer großen Runde mit den Sparkassen über die Frage gesprochen hat, dass die Thematik des Verbraucherschutzes in der Kreditwirtschaft ein Problem darstellt, hat Herr Reif sehr gut dargelegt, was die Frage des Eigenkapitals angeht und was die Funktion der Sparkassen ist.