Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Das sind die Fakten. Sie wollen aber, wie gesagt, an Ihrer Meinung unbeirrt festhalten, statt diese Tatsachen wahrzunehmen.

Denken Sie immer daran: Nicht die Überbringer der schlechten Nachrichten sind für den Inhalt verantwortlich. Die Verantwortung für diesen schulpolitischen Offenbarungseid tragen immer noch Sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Da können Sie sicher sein: Bis zum 22. September 2013 werden wir bei jeder Gelegenheit an diese desaströse Bilanz Ihrer Schulpolitik erinnern.

(Holger Bellino (CDU): Das glaube ich Ihnen gern!)

Wir werden unser Konzept des Hauses der Bildung dagegenstellen, das endlich mit Ihrem inhaltlichen und hand

werklichen Stümperwerk Schluss machen wird. Wir wollen eine Bildungspolitik aus einem Guss.

(Holger Bellino (CDU): Einheitsschule!)

Wir werden jedem Kind die bestmöglichen Bildungschancen garantieren. Das setzt aber voraus, dass man die Kinder nach der 4. Klasse nicht einfach in Schubladen steckt, aus denen sie nicht mehr herauskommen.

(Holger Bellino (CDU): Das macht überhaupt niemand!)

Denn Kinder sind vielfältig und brauchen individuelle Entwicklungsmöglichkeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist die Ideologie der Sechzigerjahre! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Irmer, statt auf Selektion, so wie Sie es hier in Hessen betreiben, setzen wir auf eine individuelle Förderung.

(Holger Bellino (CDU): Sie setzen auf die Einheitsschule! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das sind nur Sprüche!)

Anfangen werden wir bei den Kleinsten, indem wir die frühkindliche Bildung ausbauen werden.

(Beifall der Abg. Heike Habermann (SPD))

Statt die Herdprämie zu unterstützen, werden wir den Grundschulen das Angebot machen, jedes Jahr 100 Grundschulen zu echten Ganztagsschulen auszubauen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN – Holger Bellino (CDU): Was gab es zu Ihrer Zeit? Das war doch der Steinbruch!)

Damit werden wir nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, sondern wir werden auch den Rahmen für individuelle Förderung schaffen. Das ist der Schlüssel, um in Hessen den Bildungserfolg endlich von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. Das würde den Aufstieg durch Bildung ermöglichen.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Thomas von Aquin hat gesagt:

Für Wunder muss man beten, für Veränderungen muss man arbeiten.

Bei Ihrer Bildungspolitik haben wir lange genug auf das Wunder der Einsicht gewartet. Umso härter werden wir jetzt für Veränderungen arbeiten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE) – Holger Bellino (CDU): Da kriegen jetzt aber alle Eltern Angst! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Bellino, Sie glauben doch selbst nicht, dass irgendwer vor uns Angst hat!)

Frau Kollegin Gnadl, vielen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Abg. Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute in zwei Aktuellen Stunden die Gelegenheit haben, über die Bildungspolitik zu reden. Dadurch haben wir die Gelegenheit, auf das einzugehen, was die Frau Ministerin zum Ende der letzten Aktuellen Stunde gesagt hat.

Frau Ministerin, es war durchaus bemerkenswert, wie Sie hier über engagierte Eltern geredet haben und wie Sie mit den Anliegen dieser Eltern umgehen. Diese Anliegen sind Ihnen nämlich schlichtweg wurscht. Das haben Sie noch einmal ganz deutlich zum Ausdruck gebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Eltern, die ihre Meinung laut äußern, sind, wenn Ihnen diese nicht gefällt, Störenfriede und nicht Experten für den Bildungserfolg ihrer Kinder. Frau Kultusministerin, das ist für die Ministerin, die für die Schulen dieses Landes verantwortlich ist, schlecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Manfred Pentz (CDU): So etwas ist unanständig! – Günter Schork (CDU): Sie sollten besser zuhören!)

Frau Ministerin, diese Einstellung ist nicht neu. Diese Einstellung kennen wir. Alle anderen haben unrecht, nur das Kultusministerium weiß, wie es geht. Kritiker sind Störenfriede, die es einfach nicht verstanden haben. Das war der Stand, den Karin Wolff nach acht Jahren erreicht hatte. Frau Ministerin, Sie haben ganze acht Monate dafür gebraucht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich habe langsam den Verdacht, dass es in diesem Kultusministerium irgendwelche Ausdünstungen aus den Schreibtischen oder aus den Möbeln geben muss. Denn die Ministerinnen sind nach kurzer Zeit immer völlig benebelt und erkennen gar nicht mehr die Realität in unserem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Was war den Schulen vor fünf Jahren zu Beginn dieser Legislaturperiode versprochen worden? Erinnert sich noch jemand daran? – Es wurden ihnen Ruhe und Verlässlichkeit versprochen.

Ich stelle fest: Wir haben nach 14 Jahren die vierte Kultusministerin und den vierten Staatssekretär. Die Bildungsverwaltung liegt mit dem Landesschulamt in Trümmern und ist mit sich selbst beschäftigt. Bei der Lehrerbildung haben Sie völliges Chaos angerichtet. Die Qualität der Schulen ist in den fünf Jahren leider immer noch nicht besser geworden. Ruhe und Verlässlichkeit – wo denn?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Qualität ist nicht besser geworden. Das ist das zentrale Problem.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, es fällt uns überhaupt kein Zacken aus der Krone, wenn wir sagen, dass sich die Lehrerausstattung an unseren Schulen verbessert hat.

(René Rock (FDP): Das können Sie nicht abstreiten!)

Ja, das ist doch völlig richtig. – Es ist auch gut so, dass die Ausstattung der Schulen besser geworden ist. Aber den entscheidenden Schritt, den Schulen auch tatsächlich pädagogische Freiheit zu geben und Abschied davon zu nehmen, dass Sie es immer besser wissen, was die Schulen machen sollen, den haben Sie nicht vollzogen.

(Widerspruch bei der FDP – Wolfgang Greilich (FDP): Wer ist denn der große Besserwisser?)

Meine Damen und Herren, deshalb ist die Qualitätsverbesserung bis heute ausgeblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das zentrale Problem: Ideologie und Parteiprogramm sind für Sie immer noch wichtiger als schulische Wirklichkeit.

(Widerspruch bei der FDP – Mario Döweling (FDP): Unglaublich!)

Mit dem Elternwillen können Sie immer noch nichts Wirkliches anfangen.

(Helmut Peuser (CDU): Keine Ahnung!)

Der Bereich, den Sie in den letzten Jahren mit am sträflichsten vernachlässigt haben, ist die Grundschule. In der Grundschule haben wir keine Verbesserung erreicht. Das zeigen uns alle Studien. In der Umsetzung des Bildungsund Erziehungsplans sind wir eben nicht weitergekommen – der steht weiterhin nur auf dem Papier. Aber gerade in der Grundschule, wo die Grundlage für den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler gelegt wird, müssten wir weiterkommen.

Es gibt doch die Vorschläge. Alle Expertinnen und Experten sind sich doch einig – Frau Ministerin, in den Schreibtischen Ihres Ministeriums liegen die betreffenden Studien –, dass wir einen entscheidenden Schritt weiterkommen, wenn wir den flexiblen Schulanfang in der Grundschule einführen würden, indem wir dort die ersten beiden Klassen zu einer pädagogischen Einheit zusammenfassen, die je nach Entwicklungsstand des Kindes in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen werden kann. Sie haben schlicht nichts getan, um dieses sinnvolle Konzept voranzubringen.

Sie haben nichts getan, um in der Grundschule das Betreuungs- und Bildungsproblem der Eltern zu lösen. Nach dem Kindergarten bricht das gesamte Betreuungsengagement für die Eltern zusammen. Aber die Eltern wünschen sich auch in der Grundschule endlich ein hochwertiges Bildungs- und Betreuungsangebot. Frau Ministerin, aber auch dafür haben Sie nichts getan.