Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Es gibt einen weiteren Aspekt: Eine nur historisch erklärbare Störung im föderalen Gleichgewicht wie das kleine Saarland könnte man bei dieser Gelegenheit gleich einbeziehen. Das Saarland hat ungefähr so viele Einwohner wie unser kleinster Regierungsbezirk Mittelhessen: rund 1 Million.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche Neugliederung, bei der wir uns um unsere schwächeren Nachbarn kümmerten, würde Hessen im föderalen Konzert stärken. Vor allem aber gilt: Dann könnte ein gerechter Ausgleich innerhalb des großen Bundeslandes erfolgen.

Herr Kollege Greilich, Sie müssen zum Ende kommen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Schade, wir würden ihn gern noch zwei Minuten länger hören!)

Ich komme zum Ende. – Ich habe eine klare Botschaft an Rot-Grün in Rheinland-Pfalz: Entweder müssen sie ihre Selbstständigkeit aufgeben oder sich ihrer finanziellen Verantwortung stellen und den Länderfinanzausgleich neu ordnen. Die Zeit, in der man sich gemütlich im Windschatten der Boomregion Rhein-Main gesonnt hat, ist vorbei.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Erfurth von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Norbert Schmitt (SPD): Nehmt Thüringen und Baden-Württemberg gleich mit! – Thorsten SchäferGümbel (SPD): Sigrid, versuche einmal, ernst zu bleiben!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Greilich, nach Ihrer Rede wird mir angst und bange um den Erfolg unserer Klage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der FDP)

Genau so. – Ich mache eine Anleihe bei meinem Kollegen Mathias Wagner (Taunus): Klagen muss man nicht nur wollen, man muss es auch können. – Man muss es auch gut begründen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie mit dem tollen Argument nach Karlsruhe ziehen, die Rheinland-Pfälzer würden mit unserem Geld Kindergartenplätze schaffen, die wir nicht einrichten können, sage ich: Das ist doch keine Begründung für das Bundesverfassungsgericht. Da müssen Sie schon ein bisschen mehr Substanz liefern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben offenbar völlig vergessen, dass jedes Bundesland einzeln und in eigener Verantwortung dafür zuständig ist, über seinen Haushalt zu bestimmen.

(Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

Sie merken, es hat mich schon sehr aufgeregt, was Herr Kollege Greilich hier vorgetragen hat.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zu Recht!)

Jedes Bundesland muss über seinen Haushalt frei bestimmen können. Jedes Bundesland ist nur seinen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber für das verantwortlich, was es in seinem Haushalt hat, und nicht für das, was die FDP-Fraktion oder der Bundesfinanzminister oder der Landesfinanzminister eines Nachbarlandes möchte. Das ist gegen den Föderalismus. Das ist gegen unsere Grundordnung. Ich glaube, mit dieser Begründung werden Sie in Karlsruhe glorreich untergehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben hier vorgetragen, Sie hätten versucht, sich dem Thema LFA mit Gutachten zu nähern.

(Zurufe der Abg. Dr. Frank Blechschmidt und Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Es ist durchaus zu begrüßen, dass Sie ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, um für die Zukunft ein Stück vor

zusorgen. Herr Kollege Müller, das meine ich ganz ernst und nicht polemisch. Nein, das meine ich durchaus ernst. Denn ich glaube, man muss über jeden ernst gemeinten Vorschlag zur Änderung des Länderfinanzausgleichs reden. Man muss schauen, wo die Schnittmenge liegt.

Wenn ich in das Gutachten schaue, dann muss ich sagen: Bei der Analyse sind wir noch sehr nah beieinander. Das haben wir hier schon oft miteinander besprochen. Das System muss vereinfacht werden. Das ist nichts Neues. Der LFA hat eine stark nivellierende Wirkung. Auch das ist unbestritten. Es fehlen Anreize, Steuermehreinnahmen in den Bundesländern zu behalten.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

In der Analyse sind wir sehr nah beieinander. Aber dann muss man schauen, was man daraus macht.

(Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

Wenn ich dazu in Ihr Gutachten schaue, stelle ich fest: Das finde ich in Teilen nicht umsetzbar. Sie schlagen als Teil der Lösung vor, der Bund soll auf 4 bis 5 Milliarden € verzichten, und ein Bundesland wie Thüringen soll seinen individuellen Spitzensteuersatz auf ungefähr 57 % anheben, damit es bei den jetzigen Einnahmen bleibt. Für Bremen wären es gar 70 %. Halten Sie das für ein umsetzbares Konzept? Halten Sie das für eine wirklich tragende Klagebegründung in Karlsruhe? Ich muss sagen: Mir wird angst und bange um den Erfolg unserer Klage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Ulrich Caspar und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Sie dürfen doch die Klage nicht als Ausrede für Ihre ganz miserable Haushaltspolitik benutzen. Das versuchen Sie zunehmend.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Sie brauchen einen Sündenbock, weil Sie die Länderfinanzen nicht in den Griff bekommen. Wenn Sie mir nicht glauben, dann zitiere ich einmal aus der PwC-Studie vom September des letzten Jahres. Da stellt PwC zur Finanzsituation der Bundesländer fest, dass Hessen im Vergleich der Flächenländer West nur noch neben dem Saarland den mit Abstand höchsten Zuschussbedarf hat. Hessen und das Saarland haben in den Flächenländern West den mit Abstand höchsten Zuschussbedarf.

Die Studie stellt auch fest, dass die Geberländer wie Hessen nach dem LFA über eine deutlich höhere Finanzmasse verfügen als z. B. das Nehmerland, das Sie immer gern zitieren, Rheinland-Pfalz.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Diese Studie mahnt, dass steuerstarke Länder wie Hessen viel, viel stärker konsolidieren müssen als andere Flächenländer West, um die Schuldenbremse einzuhalten.

Ich fasse das zusammen: Ich kann mir schon vorstellen, dass Ihnen sehr angst und bange wird, wie Sie diese Ansprüche erfüllen sollen. Mir ist klar geworden, dass Sie die Klage gegen den Länderfinanzausgleich nur als Vernebelungsstrategie nutzen, um von Ihren Versäumnissen abzulenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Stefan Müller (Heidenrod)

(FDP) : Eben haben Sie noch von „unserer Klage“ gesprochen!)

Herr Müller, wir stehen nach wie vor zu dem Beschluss, den wir hier mit großer Mehrheit gefasst haben, erst einmal gut zu verhandeln und, wenn das nichts bringt, zur Klage zu schreiten. Ich habe aber große Zweifel, ob Sie die Verhandlungen ernsthaft geführt haben, die wir angemahnt haben.

(Manfred Pentz (CDU): Böswillige Unterstellung! – Zurufe der Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP) und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Pentz, ich habe neulich von der Ministerpräsidentin des Landes Thüringen Lieberknecht gelesen, man habe sich in der Ministerpräsidentenrunde verständigt, bis zum Sommer des Jahres 2013 Gespräche über die Veränderung des Länderfinanzausgleichs zu führen. Den Sommer 2013 haben wir noch nicht, und Sie haben sich da schon ausgeklinkt. Bayern hat sich schon viel eher ausgeklinkt. So viel zur Verhandlungsbereitschaft des Landes Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Wie dem auch sei: Wir haben gesagt, wenn die Verhandlungen scheitern, sind wir dafür, nach Karlsruhe zu gehen. – Aber ich wiederhole: Klagen muss man nicht nur wollen, man muss es auch können. Die Klage braucht eine gute Begründung, damit wir am Ende obsiegen und nicht viel schlechter dastehen als zuvor.

Es ist kein Geheimnis, dass auch in der letzten Verhandlungsrunde die Einnahmen der Kommunen eine große Rolle gespielt haben. Vor der letzten Verhandlungsrunde wurde die Finanzkraft der Kommunen zu 50 % für den LFA angerechnet, nach der letzten Verhandlungsrunde, die als großer Erfolg verkauft wurde, waren es 64 %. Es gibt durchaus ernst zu nehmende Stimmen, die sagen: Wir müssen die Finanzkraft der Kommunen mit 100 % anrechnen. – Wie wollen Sie verhindern, dass das Bundesverfassungsgericht erkennt: „Die Finanzkraft der Kommunen muss viel stärker in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden“? Wenn das passiert, dann gehören wir in Hessen zu den Verlierern der Klage. Denn wir haben – ich sage ausdrücklich: zum Glück – steuerstarke Kommunen in Hessen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?)

Das sage ich Ihnen. Ich dachte, es sei einfach. Aber offenbar konnten Sie dem nicht folgen. Die Schlussfolgerung wäre, dass wir in Hessen dann am Ende schlechter dastehen als jetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?)

Herr Dr. Wagner, deshalb muss unsere Klagebegründung gut abgefasst sein, damit wir nicht in diese Falle laufen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist selbstverständlich!)