Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Die weitere Folge war, dass dann Wilhelm Dietzel, der nachfolgende Umweltminister, Auflagen in der Größenordnung von 2 Milliarden € in Biblis gemacht hat, was Sie alles acht Jahre lang unverantwortlicherweise versäumt haben, absichtsvoll versäumt haben, weil es in Ihre Ideologie passte.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich kann mich an Ihre Formulierung vom Schrottreaktor Biblis erinnern. Sie haben ihn ganz bewusst dazu machen wollen, weil es in Ihre Politik hineinpasste und weil Sie hier unverantwortlich gehandelt haben.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein Drittes sagen. Meine Damen und Herren, ich empfehle, dass wir uns einmal sine ira et studio zurückversetzen in den März 2011. Da gab es nach Fukushima in Deutschland – nicht nur in diesem Landtag, nicht nur im Lande Hessen – eine durchaus nachvollziehbare Aufregung und Diskussion über die Sicherheit von Kernkraftwerken. Es ist dann im Lichte von Fukushima von allen Seiten neu diskutiert worden, auch von der Mehrheit der jetzigen Bundesregierung, auch hier in diesem Landtag und auch von der Landtagsmehrheit.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, ich finde, dass es notwendig ist, dass wir uns heute, am 28. Februar 2013, noch einmal fair in die Situation von vor genau zwei Jahren zurückversetzen. Da sage ich einfach: Ich kann mich sehr genau entsinnen, wie Rot-Grün – Grün am lautesten, aber Rot im Gefolge von Grün – laut nach sofortigem Ausstieg geschrien hat.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das habe ich vorhin vorgelesen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wenn die Umweltministerin damals gesagt hätte: „Halt, wir müssen aber noch länger rechtlich prüfen, wir müssen prüfen, ob angehört werden muss, ob dieses oder jenes zu beachten ist, und das dauert noch vier oder sechs Wochen“, dann hätten Sie sofort eine Sondersitzung des Landtags beantragt, um die Unverantwortlichkeit dieser Regierung öffentlich anzuprangern.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, das ist genau die Unredlichkeit, die mich heute Morgen aufregt.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir waren damals alle miteinander als politisch Verantwortliche und Handelnde in einem Zugzwang. Das sehe ich ganz genau so.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Aber Sie haben regiert, und Sie haben gestümpert!)

Wir haben deshalb miteinander gefragt: Was ist zu tun? Ich wiederhole es: Wenn wir uns noch vier oder fünf Wochen Zeit genommen hätten, um dieses und jenes zu bedenken, hätte die Opposition versucht, diese Regierung vor sich herzutreiben und diese Regierung der Unverantwortlichkeit zu bezichtigen. Das ist die Heuchelei, und das ist der Widerspruch in Ihrem Verhalten. Das lassen wir nicht zu.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zuru- fe von der SPD)

Herr Kollege Dr. Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Deshalb will ich noch einmal dieses böse Zitat aus dem Munde von Herrn Al-Wazir aufgreifen: „Opfer Ihrer bösen Taten“. Unsere Tat war, dass wir sofort ausgestiegen sind. Unsere Tat war, dass wir damals im Hinblick auf die Risiken nach Fukushima gesagt haben, wir müssen sofort ein Moratorium einlegen.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Es ist eine Heuchelei sondergleichen, die Sie sich heute Morgen hier leisten. Diese Landesregierung mit Volker Bouffier und der zuständigen Ministerin Puttrich hat unser volles Vertrauen. Sie wird es auch weiterhin behalten.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung.

Wir haben vereinbart, dass der Dringliche Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/7072, jetzt zur Abstimmung kommt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Dringliche Antrag abgelehnt.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 47 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Operation Abendsonne bei Personalentscheidungen: schamloser Griff von Schwarz-Gelb in die Taschen der hessischen Steuerzah- ler) – Drucks. 18/7036 –

Das Wort hat der Kollege Wagner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wir warten, bis sich alles wieder etwas beruhigt hat. Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen? Wer sich nicht hinsetzt, bleibt bitte stehen, aber draußen.

Das Wort hat der Kollege Wagner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind in diesem Hause viel von Schwarz-Gelb gewohnt. Aber das, was wir vergangenen Freitag in der „Bild“-Zeitung lesen mussten, schlägt nun wirklich endgültig dem Fass den Boden aus:

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Operation Abendsonne – Wie Hessens Minister kurz vor der Wahl ihre Mitarbeiter versorgen

Es schlägt wirklich dem Fass den Boden aus. Da wird wenige Monate vor der Landtagswahl von Schwarz-Gelb noch dafür gesorgt, dass die eigenen Getreuen in hohe und höchste Beamtenpositionen kommen. Das ist dann eine Entscheidung, die keine Landesregierung mehr rückgängig machen kann. Sie haben auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, Ihre Getreuen noch zu versorgen, und zwar zulasten des Steuerzahlers. Das ist schäbig, und das hat mit bürgerlichem Anstand nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da werden die schwarz-gelben Getreuen in astronomische Besoldungskategorien geschossen. Da wird vorzeitig befördert, bevor die Fristen abgelaufen sind. Da wird innerhalb kürzester Zeit mehrfach befördert, wenn es um schwarz-gelbe Getreue geht. Da wird sogar in der Probezeit befördert,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

und da wird auch noch ganz schnell verbeamtet, damit die Getreuen lebenslang ihr Auskommen haben. Das ist schäbig und hat mit bürgerlichem Anstand nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Welchen anderen Sinn als die Versorgung der eigenen Getreuen soll es beispielsweise haben, wenn eine Pressesprecherin, die gerade erst im Ministerium als Angestellte angefangen hat, unmittelbar verbeamtet wird? Welchen anderen Sinn soll das haben, als Ihre Getreuen zu versorgen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Vetternwirtschaft!)

Ich hatte ja gestern schon einmal den Volksmund angeführt. Er hat auch in dieser Frage recht. Für das, was Sie Ihren Leuten da zuschustern, dafür muss ein normaler Beamter, dafür muss eine normale Beamtin in ihrem Beamtenleben ganz schön lange stricken, und sie werden es in der Regel nicht erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Operation Abendsonne läuft schon eine ganze Weile. Sie glauben selbst nicht mehr daran, dass Sie die Wahl gewinnen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das erzählen Sie schon seit vielen Jahren! Das ist langweilig!)

Deshalb versuchen Sie jetzt, Ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Wir schauen uns einmal sehr genau an, was das die hessischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Ein A-15-Beamter hat, vorsichtig gerechnet, ein Jahresgehalt von 60.000 €. Sie haben lauter relativ junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbeamtet. Die werden noch 20 oder 30 Jahre im Dienst des Landes Hessen sein.

(Holger Bellino (CDU): Sie wollen die nicht befördern! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Im Dienst!)

Wenn wir nur einmal von 20 Jahren ausgehen, kostet eine A-15-Beförderung den hessischen Steuerzahler – die Lebenszeitversorgung eines Ihrer Getreuen –

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

1,2 Millionen €.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)