Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Ich habe Herrn Merz und Frau Schott sehr gut zugehört. Es sind schon einige Dinge aufgetaucht, die ich vorhin gemeint habe, wenn ich von Desinformation spreche wie heute Morgen; man könnte auch von verkürzter Information sprechen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Ich komme auf die einzelnen Punkte zu sprechen. – Nein, ich fange gleich damit an, denn das ist ein Missverständnis, das häufig vorkommt. Es geht um das Thema Gruppengröße.

Frau Schott hat wieder gesagt, die Gruppengröße bei Kindern zwischen zwei und drei Jahren wird auf 16 erhöht. Was sie aber in diesem Zusammenhang nicht gesagt hat – der Minister hat das vorhin angesprochen, und ich möchte es wiederholen, denn das ist wirklich wichtig –: Wer diesen theoretischen Wert tatsächlich ausschöpfen möchte,

der muss dafür natürlich auch 3,2 Fachkräfte vorhalten, plus 15 % Ausfallzeit, d. h. 3,8. Das heißt, das ist absolut unrealistisch. Das wird niemand tun.

Das heißt, dass hier ein ökonomischer Anreiz gegeben wäre, die Gruppen zu vergrößern, das stimmt einfach nicht.

Herr Merz, es ist ja schön, wenn Sie sagen, dass Sie etwas gelernt haben. Wenn Sie sagen: „Größere Gruppen, vollere Gruppen – das ist Wortklauberei“ –

(Gerhard Merz (SPD): Nein!)

das ist eben keine Wortklauberei. Wenn man so etwas in einer öffentlichen Veranstaltung sagt – es gibt einen Druck hin zu größeren Gruppen –, dann ist das etwas anderes, als wenn man sagt: Es gibt einen Druck zu volleren Gruppen. Das eine suggeriert, dass die Gruppen größer werden; das andere suggeriert, dass man einfach die Gruppengröße ausschöpft.

Aber nicht einmal das stimmt doch. Frau Wiesmann hat Ihnen das gerade vorgerechnet. Selbst eine Einrichtung im Ü-3-Bereich, die die Gruppengröße nicht maximal ausschöpft, hat trotz dieser platzbezogenen oder kindbezogenen Förderung mehr als vorher. Das hat sie Ihnen gerade vorgerechnet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Auch wenn man die Wahrheit sagt, kann man durch Weglassen von Teilen der Wahrheit einen falschen Eindruck erwecken. Das ist der Vorwurf, den Sie sich hier anhören müssen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich komme zum Thema fachfremdes Personal. Ja, was dazu gesagt wurde, ist richtig. Übrigens hat der Minister heute Morgen vom Grundschullehrer mit erstem Examen gesprochen, nicht von einem mit zweitem Examen. Aber Sie sind auch in Ihrer Argumentation nicht konsequent. Auf der einen Seite malen Sie das Zerrbild an die Wand, dass in Zukunft die Einrichtungen von unqualifiziertem Fachpersonal geradezu überrannt würden. Dieses Bild stellen Sie hier. Auf der anderen Seite sagen Sie: „Wer macht das denn? Für dieses Geld bekommen Sie sowieso keine fachfremden Leute in die Kitas.“ – Das ist also vollkommen unglaubwürdig. Werden die Kitas jetzt von fachfremdem Personal überrannt, oder findet man sowieso kein fachfremdes Personal? Sie sollten in Ihrer Argumentation schon konsequent bleiben.

Richtig ist: Dort, wo es auf einem fundierten pädagogischen Konzept beruht, haben die Einrichtungen die Möglichkeit, maximal 20 % fachfremdes Personal – das einen hohen Mindeststandard haben muss – einzusetzen, aber nur dann, wenn der Träger das will und wenn die Eltern das wollen. Die Eltern haben jetzt das Mitspracherecht.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Darüber hinaus muss dieses Konzept noch vom Jugendamt genehmigt werden. Das heißt, wir haben einen doppelten und dreifachen Boden eingezogen, um dem Missbrauch – die Missbrauchsmöglichkeiten haben wir durchaus gesehen – vorzubeugen. Das Bild, das Sie hier an die Wand malen, ist einfach nicht richtig. Sicherlich kann man alles kritisieren, aber bitte, kritisieren Sie es sachlich, kritisieren Sie die Fakten.

Dann zum Thema Subjektförderung, auch ein interessanter Punkt. Im U-3-Bereich hatten wir schon immer die Subjektförderung. Insofern ist das jetzt nur eine Vereinheitlichung, wenn wir jetzt auch den Ü-3-Bereich in die Subjektförderung einbeziehen. Wie soll es auch anders laufen? Es ist doch gerecht, dass dort finanziert wird, wo tatsächlich Kinder sind. Das ist die gerechtestmögliche Finanzierungsart. Diese Horrorszenarien, die etwa von der Liga Thüringen an die Wand gemalt werden – dass die Personalstandards gesenkt würden –: Die Personalstandards sind im Gesetz festgeschrieben. Es gibt keine Möglichkeit, da etwas abzusenken, denn der Personalschlüssel ist immer festgeschrieben. Durch die Subjektförderung wird keine Absenkung stattfinden. Das ist nicht möglich.

(Beifall bei der FPD und bei Abgeordneten der CDU)

Was aber stimmt, ist, dass zukünftig das Geld den Kindern folgt. Insofern ist das natürlich keine platzbezogene Finanzierung, sondern eine kindbezogene Förderung. Auch hier können wir wieder über die Begriffe streiten. Fakt ist: Dort, wo ein Kind ist, dorthin fließt auch das Geld.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das können Sie jetzt „platzbezogen“ nennen oder „kindbezogen“. Wir nennen es „kindbezogen“. Ich finde, das gibt es ziemlich präzise wieder. Wir sollten hier keine Wortklauberei betreiben.

Also nochmals: Die Standards bleiben gleich. In der Tat ist es richtig, dass die Standards nicht erhöht werden. Das stimmt. Die hohen Standards, die wir in der Mindestverordnung hatten, bleiben bestehen. Aber wir geben deutlich mehr Geld ins System.

Jetzt können Sie sagen, das alles geschieht nur wegen des Staatsgerichtshofs, usw. Da gibt es interne Diskussionen. Ich sage dazu: Im Zweifel wird es den Einrichtungen egal sein, warum mehr Geld kommt, denn Tatsache ist: Auf jeden Fall wird in der praktischen Arbeit vor Ort mehr Geld ankommen. Darauf kommt es erst einmal an.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Was der Minister mit irgendwelchen Kommunalen Spitzenverbänden diskutiert hat, ist im Zweifel der Erzieherin vor Ort und den Eltern vor Ort ziemlich egal.

Dass da Geld verloren ginge, ist wirklich Unsinn. Wie Frau Wiesmann schon heute Morgen geschildert hat, gibt es einen erheblichen Aufwuchs der Mittel im System: von 75 Millionen € im Jahr 1999 über 120 Millionen € im Jahr 2006 und 350 Millionen € letztes Jahr werden es ab dem Jahr 2014 425 Millionen €. Das ist deutlich mehr Geld. Das ist eine gigantische Steigerung des Betrags.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Welches ist die Zuwachsrate bei den Kindern?)

Wenn man mir erzählen möchte, dass bei einer solchen Erhöhung der Mittel im System die Qualität schlechter würde, dann ist das doch blanker Unsinn, ich bitte Sie.

(Beifall bei der FDP)

Da wir beim Thema Kommunen und Mindestverordnung waren, möchte ich sagen: Auch da sind Sie in Ihrer Argumentation unglaubwürdig. Sie behaupten, es gebe die Gefahr, dass jetzt die Standards gesenkt würden oder dass

viele Träger das Landesgeld mitnehmen, aber die Chance nutzen, ihren freiwilligen Eigenanteil wegen des Kinderförderungsgesetzes herunterzuschrauben. Auch das ist unglaubwürdig. Auf der einen Seite erinnere ich mich an lebhafte Diskussionen zum Kommunalen Finanzausgleich in diesem Haus. Dort haben Sie die Kommunen immer sozusagen als Engel bezeichnet, als immer die Guten, während das Land immer der Böse ist. Jetzt aber behaupten Sie, die Kommunen hätten nichts anderes im Sinn, als nur darauf zu warten, ihre Standards zu senken. Das passt nicht zusammen. Warum sollten die das tun?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir geben als Land deutlich mehr Geld hinein, und das gibt den Kommunen natürlich mehr Spielraum. Es gibt überhaupt keine Anzeichen dafür. Frau Sorge hat auch in Frankfurt schon angekündigt, dass Frankfurt seine Standards halten will. Warum sollten sie auch nicht?

Der Unterschied ist jedoch: In Zukunft bekommen sie vom Land mehr Geld. Das bedeutet, sie können das Geld, das sie vorher für ihre hohen Standards verwendet haben, jetzt anderweitig einsetzen, sei es vielleicht für eine Gebührensenkung oder für eine Erhöhung der Standards auf kommunaler Seite. Dafür, dass die Kommunen künftig ihre Standards senken, gibt es überhaupt keine Anzeichen.

Ich sage auch: Ich vertraue den Kommunen. Ich möchte gar nicht das Bild stellen, dass die Kommunen jetzt die Standards senken wollen. Im Gegenteil: Ich vertraue den Kommunen. Sie wissen, es ist kommunale Aufgabe, und die Kommunen haben erkannt, dass das Thema Kinderbetreuung wichtig ist. Deswegen gibt es überhaupt keine Anzeichen dafür, dass sie ihre Standards senken könnten.

(Beifall bei der FDP)

Genau dasselbe gilt auch für die Integrationskinder. Herr Bocklet, bestimmt werden Sie gleich nochmals darauf eingehen. Auch heute Morgen haben Sie schon gesagt, man solle das jetzt nicht mehr in der Rahmenvereinbarung regeln, sondern direkt im Kinderförderungsgesetz. Das ist eine technische Frage.

(Widerspruch des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Für mich ist wichtig, was bei den Leuten ankommt. Die Rahmenvereinbarung Integrationsplatz wird momentan neu verhandelt. Sie musste sowieso neu verhandelt werden, weil sie für den U-3-Bereich sowieso nicht gilt. Für den Ü-3-Bereich war sie gruppenbezogen und muss also angepasst werden: von der gruppenbezogenen Förderung auf die kindbezogene Förderung. Das ist also eine technische Verhandlung, die da gerade läuft.

Diese Verhandlungen sollen zum 01.08. abgeschlossen sein. Das Kinderförderungsgesetz wird ab dem 01.01.2014 in Kraft treten.

Wir haben noch überhaupt keine Signale von den Kommunalen Spitzenverbänden, dass bei dieser Rahmenvereinbarung irgendetwas schiefläuft. Die verhandeln das gerade. Bei der alten Vereinbarung waren wir nicht Partner. Auch bei der neuen Vereinbarung sind wir nicht Partner. Wir haben Vertrauen darin, dass die weiterhin ihre Verantwortung wahrnehmen. Es gibt überhaupt keine Anzeichen dafür, dass sie das nicht tun. Deswegen gibt es für uns auch keine Begründung dafür, das jetzt in das Kinderförderungsgesetz aufzunehmen.

Ich sage: Entscheidend ist das, was in den Einrichtungen ankommt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Kommunen nehmen ihre Verantwortung wahr. Es gibt überhaupt keine Anzeichen dafür, dass sich die Kommunen hier aus der Verantwortung stehlen und jetzt die Kinder mit Behinderungen irgendwie schlechter stellen. Im Gegenteil: Es ist sogar eine gesetzliche Aufgabe – wenn Sie sich § 24 SGB VIII einmal anschauen; dort ist das ganz klar geregelt.

Ich komme zum Schluss. Wir geben deutlich mehr Geld ins System. Wir verbessern die Anreize für Qualität. Wir erhöhen die Pauschalen für Kinder mit Behinderungen. Wir geben mehr Geld in Schwerpunkt-Kitas hinein, in denen Kinder mit Migrationshintergrund oder aus schwierigen sozialen Verhältnissen sind. Wir geben 15 % für Ausfallzeiten. Wir haben die Elternrechte gestärkt.

All das wird dazu führen, dass sich die Arbeit in diesen Einrichtungen deutlich verbessern wird – ich glaube, nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die Förderung für das einzelne Kind werden besser werden. Das ist ein weiterer Schritt hin zu noch mehr Familienfreundlichkeit und besserer Kinderbetreuung in Hessen. Ich glaube, das ist ein gutes Gesetz. Am Ende werden auch Sie das anerkennen müssen. – Danke.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Mick. – Ich habe zwei Anmeldungen für eine Kurzintervention, zum einen Herr Merz, dann Frau Schott. Die Kurzintervention hat den Vorteil, dass sie sich auf den Vorredner bezieht.

(Heiterkeit der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bitte schön.