Dann kann Sprachförderung für die Kinder ganz anders eingebettet werden und hat mehr Chancen auf Nachhaltigkeit. Gerade in den ersten Jahren ist es wichtig, die Muttersprache zu fördern; denn das ist der Boden, auf den dann die deutsche Sprache fällt.
Je besser dieser Boden schon vorbereitet ist, desto weniger Dünger braucht er, um eine weitere Sprache aufzunehmen und Früchte zu tragen. Deshalb fordern wir auch Unterricht in den Herkunftssprachen. Aber das ist ein dickes Brett. Im Kultusbereich müssten ganz andere Prioritäten gesetzt werden.
Bisher ist in den Schulen der sogenannte monolinguale Habitus – so nennt die Sprachwissenschaftlerin Gogolin das tradierte Selbstverständnis der Schulen –, die Grundüberzeugung, dass die Einsprachigkeit einer Gesellschaft oder eines Menschen normal sei, ungebrochen, ebenso wie die große Betonung des Sprachlichen in der Schule überhaupt,
Also die Förderung der Mehrsprachigkeit unter Einbeziehung der Herkunftssprachen von Beginn an – warum da nicht eigentlich Vielfalt, weil Türkisch und Marokkanisch nicht ein so hohes Sprachprestige haben? – und durchgehend durch die ganze Schulzeit. Wir haben dafür seit 2009 entsprechende Haushaltsforderungen gestellt.
In der Enquetekommission wurde uns fachlich bestätigt, dass sich nur mit Ganztagsplätzen und flächendeckender Qualität die Sprachdefizite ernsthaft angehen lassen. Meine Erfahrung ist: Je früher Kinder in die Kita kommen und einen ganztägigen Platz bekommen, desto seltener haben sie Sprachdefizite im Deutschen. Das im Bereich der Sprachförderung so wichtige Wort „Sprachbad“ drückt es gut aus. Je mehr das Kind mit gut sprechenden Sprachvorbildern umgeben ist, umso schneller und umso besser erlernt es die neue Sprache.
Deshalb fordert auch DIE LINKE eine kostenfreie Vorschulbildung und -betreuung. In Hessen ist es bisher nur das dritte Jahr des Kindergartenbesuchs, also das Jahr vor der Einschulung.
Eine frühere Förderung würde Benachteiligung entgegenwirken und die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben erhöhen. Deshalb müssen alle Familien ihre Kinder auch in den ersten beiden Jahren gebührenfrei in den Kindergarten schicken können. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Integration und dafür, dass alle in diesem Land die gleichen Chancen haben sollen.
Bildung ist das eine Thema, Arbeit das andere Thema. Das Stichwort „Berufsabschlüsse“ ist schon angesprochen worden. Wir haben qualifizierte Menschen in Hessen, die einen Berufsabschluss haben, aber in diesem Beruf nicht arbeiten können. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Integrationspolitik, aber auch unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zukunft dieses Landes nicht akzeptabel.
Integration funktioniert nur mit einem umfassenden Rechtsanspruch auf Anerkennung. Zwar haben wir jetzt den Beratungsanspruch in Hessen, der innerhalb von drei Monaten einen Bescheid garantiert, was an Anpassungsqualifikation fehlt. Das ist sehr gut, denn allein in Hessen leben ca. 25.000 Akademikerinnen und Akademiker mit Migrationshintergrund von Hartz IV.
Aber wer wie und wo diese Anpassungs- und Nachqualifikation finanziert, dazu steht nichts im Gesetz. Hierzu brauchen wir dringend klare Aussagen und Möglichkeiten, um willkürliche Entscheidungen der Beratungsstellen wie Jobcenter oder Handwerkskammer entgegenzuwirken.
Eine weitere Baustelle ist die Finanzierung der Übersetzung der Unterlagen. Sie muss ebenfalls geregelt werden, soll die Anerkennung nicht an den Übersetzungskosten scheitern.
Ebenso müssen wir für die Menschen, die dauerhaft hier leben, auch dann, wenn sie einen ungesicherten Aufenthaltsstatus haben, den gleichen Zugang zu Bildung und Arbeit gewährleisten. Das ist unseres Erachtens eine zentrale Voraussetzung für Integration und dafür, dass Einwanderung in dieses Land gelingt.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu unserem Antrag zur Optionspflicht und zu den Hürden, die für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft abzuschaffen sind. Ja, die Optionspflicht ist eine Angelegenheit des Staatsangehörigkeitsrechts und damit des Bundes. Ja, nicht nur mit Blick auf die Integrationspolitik in Hessen ist die Verleihung der Staatsangehörigkeit kein Gnadenakt, sondern liegt im Interesse des Staates. Und ja, die Problematik ist wahrlich nicht neu, im Gegenteil, ist es kennzeichnend für die schwarz-gelbe Politik der letzten Jahre, dass Mehrstaatigkeit als Normalfall unbedingt verhindert werden soll.
Mein Kollege Merz hat dazu schon das Nötige gesagt. Ich will das jetzt nicht noch weiter ausführen. Ich kann mich deinen Ausführungen voll und ganz anschließen.
Er hat auch alles gesagt zu dieser berühmten Unterschriftenaktion Kochs gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die mit Grundlage für dieses Optionsrecht war. Deshalb muss die Opposition dieses Thema immer wieder im Bundestag und in den Landtagen ansprechen,
muss dies auch angesichts einer sich stärker globalisierenden Welt tun, in der Mobilität über Ländergrenzen hinweg stetig zunimmt und immer weniger der Realität von Einwanderungsgesellschaften entspricht.
Herr Minister, Sie verschweigen uns aber, dass die Mehrstaatigkeit in Deutschland längst Realität und Praxis ist. Über 57 % aller Eingebürgerten in Deutschland sind Doppelstaatler. Das sind über 4,5 Millionen Menschen. Da kann man doch nicht mehr von Ausnahmefällen reden.
Sie verschweigen auch die Problematik, die auf uns zurollt. 2013 wird das erstmals praktisch wirksam, und das heißt, 3.300 sogenannte Optionskinder vollenden dann das 23. Lebensjahr, in dem spätestens die Entscheidung gefällt werden muss.
Die Zahl der Optionskinder wird in den nächsten Jahren dramatisch steigen. Bereits im Jahr 2018 werden 40.000 junge Erwachsene gezwungen sein, sich zwischen zwei Staatsangehörigkeiten zu entscheiden. Können diese gegenüber den deutschen Behörden nicht nachweisen, dass sie die ausländische Staatsangehörigkeit abgelegt haben, verlieren sie automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit.
Das wird sicherlich in vielen Fällen Gerichtsverfahren nach sich ziehen, denn es besteht weder eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit oder Mehrstaatigkeit, noch gibt es eine Rechtfertigung für den unverhältnismäßigen Zwang zur Aufgabe einer Staatsbürgerschaft zwei Jahrzehnte nach der Geburt als Deutsche.
Deshalb fordern unsere Anträge die Abschaffung der Optionspflicht. Hinzu kommt, dass für bestimmte Personengruppen Mehrstaatigkeit bereits prinzipiell akzeptiert wird. Dies betrifft vor allem EU-Bürger und Angehörige der Schweiz. Es kann doch nicht sein, dass man hier geboren und aufgewachsen ist, man kraft Geburt zwar Deutscher ist, aber dies nicht vorbehaltlos und möglicherweise nur befristet.
Die Tatsache, dass sich auf der letzten Integrationsministerkonferenz zwei Drittel der Minister für die doppelte Staatsbürgerschaft und für die Abschaffung der Optionspflicht aussprechen, ist ein wichtiges Signal. Das sollte uns dazu bringen, jetzt diese Anträge von uns und von den GRÜNEN zu unterstützen.
Nach Ansicht der LINKEN ist mit der Abschaffung der Optionspflicht das Thema erleichterte Einbürgerung noch nicht gegessen. Seit der Reform von 1999 gibt es eine Trendwende. Die Zahl der Einbürgerungen ist in den letzten zehn Jahren gesunken. Der Trend kehrt sich nicht um.
So werden wir das Demokratiedefizit nicht beseitigen. Menschen, die in Deutschland dauerhaft leben, werden ausgegrenzt, indem sie an den Wahlen nicht teilnehmen können.
Die Optionspflicht abzuschaffen, reicht aber alleine nicht. Wir müssen die Voraussetzungen für die Einbürgerung ändern. Zum Beispiel betrifft das die Vorgabe bezüglich der Aufenthaltsdauer. Fünf Jahre Aufenthalt reichen doch. Warum sollen es sechs oder sieben Jahre sein?
Das betrifft z. B. die Frage der Sprachkenntnisse. Warum bleiben wir nicht bei den einfachen Sprachkenntnissen als Voraussetzung, wie es früher der Fall war?
Vor allen Dingen geht es auch darum: Warum verzichten wir nicht komplett auf die Einbürgerungsgebühren oder senken sie insoweit ab, als dass wir nur einen symbolischen Betrag verlangen?
Es gibt noch ein weiteres Problem in Ihrer Integrationserklärung. Sie sprechen von Zuwanderern, die zu uns passen, und sind damit dabei, die Migrantinnen und Migranten auf ihren ökonomischen Nutzen zu reduzieren. Wer eine Ausbildung oder einen Beruf hat, dessen Branche unter Fachkräftemangel leidet, soll aufgenommen werden, während diejenigen, die für die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts nicht förderlich sind, bitte schön, wie die Flüchtlinge aus Syrien oder die Roma aus Serbien draußen bleiben sollen.
Wir, die Mitglieder der LINKEN, wehren uns gegen die Reduzierung der Menschen auf ihren wirtschaftlichen Nutzen. Denn Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sind das Recht jedes Menschen, auch jedes Flüchtlings und jedes Roma aus Serbien.
Ich glaube, es ist eine große Herausforderung, daran zu arbeiten, dass die Migrantinnen und Migranten die gleichen Rechte und dieselbe soziale Sicherheit wie die Deutschen ohne Migrationshintergrund bekommen. Es muss eine soziale, kulturelle und ökonomische Teilhabe für alle Menschen geben, die in diesem Land leben.
Für uns, die Mitglieder der LINKEN, stellen die Integration, die gleichberechtigte Teilhabe und die gleichen Chancen für Menschen, die in dieses Land eingewandert sind, eine zentrale Frage der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit dar. Ausgrenzende Gesetze und Vorschriften, egal, ob sie auf der Ebene des Bundes, des Landes oder der Kommune sind, müssen geprüft und geändert werden. Dafür brauchen wir ein Normenscreening. Nur so wird der
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Diskussion über unseren Antrag während der Ausschusssitzung. Ich kündige an, dass wir den Entschließungsantrag der GRÜNEN unterstützen werden, weil es der richtige Schritt ist, auch wenn er nicht weitgehend genug ist. Den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP werden wir ablehnen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungserklärung zu dem wichtigen Thema Integrationspolitik bietet natürlich gerade auch zu dem Zeitpunkt knapp fünf Monate vor der Landtagswahl die Möglichkeit, zu diesem wichtigen Thema eine Bilanz der letzten vier Jahre zu ziehen.
Ich möchte eine Vorbemerkung machen. Der Name Sarrazin wurde oft genannt. Ich erinnere mich gut daran, dass auf dem Höhepunkt der damaligen Debatte in der „Frankfurter Neuen Presse“ ein interessanter Artikel erschienen ist, in dem es hieß, dass die Integrationsdebatte in Hessen relativ ruhig und sachlich verlaufe, weil sich die Parteien in den wesentlichen Fragen einig seien.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie wird vor allem von Herrn Irmer ganz ruhig und sachlich im „Wetzlar Kurier“ geführt!)
Das überrascht erst einmal. Aber das stimmt. Denn in den wesentlichen Fragen sind wir uns tatsächlich einig. Das sieht man, wenn man sich die Stichworte anschaut, die hier angesprochen wurden.
Deswegen wundert es mich schon, dass Sie selbst bei den Themen, bei denen wir uns einig sind, so polemisch agieren. Beispielsweise hat der Integrationsminister angesprochen, dass er sich freuen würde, wenn es noch mehr Landtagsabgeordnete mit Migrationshintergrund geben würde. Das ist ein Thema, bei dem wir uns alle einig sind. Da hat es Polemik gegeben. Zum Thema islamischer Religionsunterricht hat es Polemik gegeben.
Die Pressemitteilung der GRÜNEN ist schon herausgegangen, bevor die Regierungserklärung vollständig gegeben war. Weil die Arbeit des Integrationsministers und der Landesregierung so erfolgreich ist, wird krampfhaft versucht, Gräben aufzureißen, die es nicht gibt. Das geschieht bloß, weil man es nicht über die Lippen bringt, die erfolgreiche Arbeit zu loben. Ich finde, das ist wirklich unseriös.