Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

der anderen Seite haben wir als Vertreter des Landes das Problem, die Infrastruktur im ländlichen Raum zu erhalten und der demografischen Entwicklung dort zu begegnen.

Herr Siebel, ich glaube, Sie gestern Abend auf einer Veranstaltung der Kammer der Ingenieure gesehen zu haben. Sie haben dort einem Vortrag zum Thema demografische Entwicklung lauschen dürfen. Entweder haben Sie auf Ihren Ohren gesessen, oder Sie wollten nicht zuhören. Hätten Sie zugehört, hätten Sie heute diese Rede nicht halten können.

(Beifall der Abg. Heinrich Heidel, Hans-Christian Mick (FDP) und Ulrich Caspar (CDU) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Die Menschen verändern sich. Sie werden älter. Es gibt immer mehr Singlehaushalte. Es gibt immer mehr Menschen, die allein in einer Wohnung leben. Die älteren Menschen werden vitaler. Sie wollen am Wohnumfeld teilhaben.

Wir haben auch Migranten. Naturgemäß kommen Migranten erst einmal in den Ballungsräumen an. Deswegen kann auch keiner in Abrede stellen, dass es Menschen gibt, die sich nicht ausreichend mit günstigem Wohnraum versorgen können. Gerade deswegen brauchen wir flexible Instrumente. Genau das machen wir mit dem neuen Wohnraumfördergesetz. Wir haben für eine sich verändernde Gesellschaft die entsprechenden Instrumente gerade hinsichtlich des Wohnens entwickelt.

Ich will kurz ein Schlaglicht darauf werfen, wie es dort wirklich aussieht, wo Sie regieren.

In Nordrhein-Westfalen haben die GRÜNEN gefordert, die Wohnraumfördermittel überhaupt nicht anzugreifen. Mittlerweile haben wir dort eine rot-grüne Landesregierung. Was hat diese rot-grüne Landesregierung getan? Sie hat die Mittel für den Wohnraum um 20 % gekürzt. Das ist die Realität in Nordrhein-Westfalen – dort, wo Rot-Grün regiert.

Wir dagegen stellen 150 Millionen € zusätzlicher Mittel zur Verfügung, und die werden dann auch noch durch 150 Millionen € zusätzlicher Mittel aus dem Bund gehoben. Meine Damen und Herren, das sind 300 Millionen €, die zusätzlich für Wohnraumförderung in Hessen zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Siebel, was Sie eben zur Nassauischen Heimstätte gesagt haben, hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Das hat nichts mit dem zu tun, was dieses Unternehmen ist. Ich frage mich: Was haben Sie mit diesem Unternehmen eigentlich vor? Welche Fantasie entwickeln Sie, wohin sich dieses Unternehmen denn bewegen soll? Sie haben überhaupt nicht davon gesprochen, ob beispielsweise Synergien gehoben werden sollen. Wir wollten keine klassische Privatisierung vornehmen. Das hat die SPD in ihrem Oberbürgermeisterwahlkampf in Frankfurt verhindert; damit haben Sie den Menschen einen Bärendienst erwiesen. Was haben Sie eigentlich vor?

Herr Siebel, im Gegensatz zu Ihnen ist der Kollege Frankenberger wenigstens im Beirat. – Der Weg von Darmstadt nach Kassel ist übrigens genauso weit wie der von Kassel nach Darmstadt.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist umstritten!)

Herr Siebel, Sie hätten durchaus einmal im Beirat lauschen können. Was können Sie feststellen? Das Unternehmen Nassauische Heimstätte investiert in neue Immobilien, wenn sie einen Marktpreis von 10 €/m2 erreichen. Vorher investiert die Nassauische Heimstätte überhaupt nicht. Es gibt Immobilien, für deren Neubau werden 3.500 €/m2 aufgerufen. Zugegeben ist das ein Energiehaus, das sogar Energie produziert, ein Energie-plus-Haus. Herr Siebel, aber mit sozialem Wohnungsbau beschäftigt sich die Nassauische Heimstätte eben nicht bei den Investitionen. Das Bild, das Sie von diesem Unternehmen zeichnen, ist ein Zerrbild. Das Unternehmen ist überhaupt nicht so.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich ist die Nassauische Heimstätte auch im sozialen Wohnungsbau unterwegs. Dort, wo Wohnungen gefördert werden können, stellten sie günstige Wohnungen zur Verfügung. Dieses Unternehmen engagiert sich auch sozial – gerade für das Wohnumfeld und für ihre Mieter.

Wenn Sie den Weg einschlagen, den ich vermute, und diese Nassauische Heimstätte als Steuerungsinstrument einsetzen wollen, dann würden Sie dieses Unternehmen dazu zwingen, nur noch sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Sämtliche interessanten Anteile im Portfolio, die Geld bringen, um diese soziale Verantwortung zu übernehmen, würden Sie ad absurdum reden. Langfristig fahren Sie dieses Unternehmen an die Wand. Das ist die Politik der SPD zur Nassauischen Heimstätte, nichts anderes.

(Beifall bei der FDP)

Sie sind auf das Thema Fehlbelegungsabgabe eingegangen. In Ihrem Antrag steht, sie wollten gerade die mittleren Einkommen fördern. Herr Siebel, ich habe schon einmal versucht, Ihnen das zu erklären:

(Kai Klose (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat damals schon nicht gestimmt!)

In den Genuss der Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe kommen genau jene mittleren Einkommen, die gerade knapp aus der Bezugsberechtigung herauswachsen und denen es jetzt ein Stück weit besser geht. Genau die Menschen wollen Sie dann mit der Einführung einer Fehlbelegungsabgabe bestrafen. Das ist mit Volldampf zurück in die Vergangenheit.

(Beifall bei der FDP – Lachen der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Gleiche gilt für den GRÜNEN-Antrag; und das, was DIE LINKEN hierzu eingebracht haben, erinnert nun wirklich ein bisschen an die Vergangenheit, an die Hausbesetzerszene.

(Lachen des Abg. Kai Klose (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was haben wir denn getan?)

Diese Instrumente – ein Verbot der Zweckentfremdung – stammen aus einer Zeit, die es so längst nicht mehr gibt. Sie stellen sich nicht auf eine veränderte Gesellschaft ein. Sie wollen eine Konzentration dort, wo Sie glauben, Wählerstimmen fangen zu können. Das ist eine Erfahrung, die Sie im Oberbürgermeisterwahlkampf in Frankfurt und Wiesbaden gemacht haben, zugegeben. Aber wir werden die richtigen Instrumente einsetzen. Den Menschen in Hessen insgesamt werden Sie mit Ihrer Politik nicht gerecht. Bei Ihnen gibt es am Ende weitaus mehr Verlierer als Gewinner.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Abg. Siebel gemeldet.

Herr Kollege Lenders, ich habe mich zu Wort gemeldet, als Sie über den ländlichen Raum gesprochen haben, über Bereiche, die sicherlich im Wohnungsbau aufgearbeitet werden müssen. Ich will durchaus auf die Argumente, die Sie vorgetragen haben, eingehen.

Herr Lenders, letztens war ich bei einer kleinen Wohnungsbaugesellschaft in Weilburg. Die besitzen 80 Wohnungen und verwalten 20 weitere. Die haben mir gesagt: Herr Siebel, wir beantragen gar keine Fördermittel bei der WIBank mehr, denn für unser Wohnungsbauportfolio ist das völlig uninteressant. Bei der Realität auf dem Zinsmarkt holen wir uns das Geld bei unserer örtlichen Sparkasse.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Herr Lenders, das ist einer der Punkte, bei denen in der Administration der WIBank nachgesteuert werden muss. Das hören wir übrigens nicht nur beim Wohnungsbau, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Da muss auf kleine und kleinste Wohnungsbaugesellschaften gesetzt werden.

Gestern Abend habe ich mich mit Herrn Polster von der Wohnungsbaugesellschaft in Pfungstadt unterhalten. Er sagte mir, die Landesregierung hat keinen Strich getan, um einmal die Genossenschaften zu fördern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Genossenschaften wurden von Ihnen über 14 Jahre hinweg liegen gelassen.

Eine zweite Bemerkung möchte ich zur Nassauischen Heimstätte machen. Dabei beziehe ich mich auf das, was Sie in Ihren Anträgen aufgeschrieben haben. Wenn wir sagen, die Nassauische Heimstätte kann ein wesentliches Steuerungselement werden, dann liegt das doch daran, dass die Nassauische Heimstätte sowohl in den großen Städten wie auch in Kleinstädten Bestände an 153 Standorten hat und zum Entwicklungszentrum des Wohnungsbaus auch und gerade in den kleinen Städten werden kann. Das halte ich für ziemlich zentral.

Ich will noch einen dritten Punkt ansprechen, den Sie überhaupt nicht benannt haben, auch nicht in Ihrem Sonderprogramm. Das sind die Wohnungseigentümergemeinschaften. Dort ist doch 14 Jahre lang nichts geschehen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Mein letzter Satz. – Deshalb haben wir in einem unserer Punkte aus dem Zehn-Punkte-Programm gesagt: keine Gewinnausschüttung von 2 Milliarden € der KfW-Bank – die werden für die energetische Qualifizierung genommen. Damit könnten wir auf diesen Segmenten auch den Wohnungseigentümergemeinschaften tatsächlich helfen; denn

es geht darum, dort einen Schub hineinzugeben. Die Menschen wollen die energetische Qualifizierung ihrer Wohnungen.

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.

Es geht darum, dafür eine Motivation zu schaffen. Die wollen wir ihnen geben.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch eine Kurzintervention, die nehmen wir noch mit. Herr Kollege Schaus.

Herr Lenders, Sie haben die diffamierende Formulierung gebraucht: mit Volldampf in die Vergangenheit. Dazu will ich Ihnen eine einzige Zahl vorhalten, die mich nach wie vor nachdenklich macht. Nach meiner Ansicht ist sie dafür verantwortlich, dass die Mieten in Frankfurt und im RheinMain-Gebiet so exorbitant gestiegen sind.

Noch in den Achtzigerjahren lag der Wohnungsbestand – also der Bestand an Sozialwohnungen sowie der sogenannte Altbestand, bei dem also die Sozialbindung abgelaufen war – öffentlicher und gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften in Frankfurt bei 30 % des gesamten Wohnungsbestandes. Mittlerweile ist dieser Bestand auf unter 10 % gesunken. Meine Damen und Herren, meiner Ansicht nach ist das eine entscheidende Ursache für die Mietentwicklung auch auf dem privaten Wohnungsmarkt – wenn es eine solche Veränderung gibt.

Herr Lenders, wenn Sie das mit Ihrer Formulierung „mit Volldampf in die Vergangenheit“ meinen, dann stehe ich dazu. Dann stehe ich auch dazu, eher der Hausbesetzerszene zuzuneigen als der Hausbesitzerszene. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Das Wort in der Debatte hat jetzt der Kollege Lenders zur Erwiderung auf die Kurzinterventionen. – Herr Kollege, ich bin flexibel.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich versuche, es kurz zu machen. – Meine Damen und Herren! Herr Siebel, Limburg, Fulda, Allendorf, Melsungen, Gießen und andere Kommunen außerhalb des sozial-ökologischen Wahrnehmungsbereichs sind Standorte mit Hochtechnologieindustrien. Diese Firmen suchen händeringend nach Fachkräften.

Die rot-grüne Förderlogik, die Sie versucht haben zu beschreiben, würde in den Randgebieten dazu führen, dass die Fachkräfte zunehmend verloren gehen. Hier könnte die

Eigentumsförderung einen wichtigen Baustein zur Haltung eben auch dieser Fachkräfte beitragen.

Meine Damen und Herren, was Sie mit dieser Politik tun, ist, auf temporäre Erscheinungen einzugehen. Das haben Sie eben mit der Zinspolitik auch genau geschildert. Die Zinspolitik wird auf Dauer nicht so bleiben. Sie gehen nicht auf das Ganze ein. Sie haben nicht das Land und seine Entwicklung in seiner Gänze im Blick, sondern Sie gehen nur dorthin, wo Sie Demonstranten haben, wo Sie Menschen mit ernsthaften Probleme haben – das will ich gar nicht wegreden. Sie lassen dabei aber außer Acht, dass viele Menschen, die auch einen Anspruch auf Hilfe und Förderung haben, in ihrer Entwicklungen ausgebremst werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nunmehr erteile ich das Wort in der normalen Debatte Herrn Kollegen Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.