Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Nun könnte man sagen: besser spät als nie. – Wenn man sich aber die vorliegenden Anträge von CDU und FDP sowie der SPD und den kurzfristig nachgeschobenen Antrag der GRÜNEN einmal genauer ansieht, muss man wohl feststellen: Alle haben zwar die Wichtigkeit des Themas „Mieten und Wohnungsbau“ endlich erkannt und wollen es

nun, kurz vor den Wahlen, für sich nutzen; aber ob bei allen die Interessen der Mieterinnen und Mieter dabei im Vordergrund stehen, darf zu Recht bezweifelt werden. Das am 8. April vorgelegte Sonderprogramm der Hessischen Landesregierung für den Wohnungsbau ist nämlich völlig unzureichend, um eine Trendwende in dem so dringend benötigten sozialen Wohnungsbau herbeizuführen.

Lassen Sie uns das einmal genauer ansehen. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, Drucks. 18/5747, aus dem letzten Jahr gab die Landesregierung den Bestand an Sozialwohnungen Ende 2011 in Hessen mit nur noch 123.028 an.

Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft beklagte, wie in der „FAZ“ vom 19. April zu lesen war, dass insbesondere der preisgünstige Wohnraum auch im Jahre 2012 um weitere 15 % abgenommen habe.

Aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage geht ferner hervor, dass sich die Zahl der Sozialwohnungen seit 1999, also seit Beginn der CDU-geführten Landesregierung, um 54.516 Wohneinheiten reduziert hat, im Schnitt um 4.543 Wohneinheiten pro Jahr.

Weiter ging aus der Antwort auf unsere Kleinen Anfrage hervor, dass zum 1. November 2011 hessenweit 40.161 Haushalte als sozialwohnungsuchend registriert waren, davon mehr als 30.000 im Bereich des Regierungspräsidiums Darmstadt, also in der Ballungsregion Rhein-Main. Andere Berechnungen, wie z. B. die des Pestel-Instituts, kamen auf deutlich höhere Zahlen hinsichtlich des Bedarfs an Sozialwohnungen. Dies ist nicht verwunderlich, denn viele berechtigte Wohnungsuchende stecken schon vorher auf und lassen sich wegen der Aussichtslosigkeit erst gar nicht bei den Ämtern registrieren.

Vor diesem Hintergrund ist Ihre Ankündigung, 1.000 neue Sozialwohnungen innerhalb von fünf Jahren, also 200 pro Jahr, zu bauen, ein Hohn für viele Menschen, die sich trotz Anspruchs auf eine Sozialwohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt mit Wohnraum zu überhöhten Preisen versorgen müssen. Diese Menschen müssen nicht selten 50 % und mehr ihres Einkommens allein für die Miet- und Nebenkosten aufwenden. Das ist das Ergebnis jahrelanger Versäumnisse beim sozialen Wohnungsbau und einer schwarz-gelben Wohnungspolitik, insbesondere im RheinMain Gebiet.

Durch die Streichung der Fehlbelegungsabgabe – Kollege Klose hat darauf schon hingewiesen – haben Sie zudem den Kommunen jährlich 17 bis 18 Millionen € an zweckgebundenen Mitteln für den sozialen Wohnungsbau ohne Not weggekürzt. Nun wollen CDU und FDP mit einem unzureichenden Programm Aktivität vortäuschen, wo keine ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Antrag ist angesichts der Dramatik auf dem Wohnungsmarkt unverschämt und lächerlich. So wollen Sie 5 Millionen € für den Ankauf von Belegungsrechten ausgeben. Das hört sich gewaltig an. Angeblich sind dafür pro Wohnung rund 38.000 € vorgesehen. Rechnen wir einmal nach. Das Geld reicht nach Adam Riese gerade einmal für 131 Wohneinheiten – nicht mehr, nicht weniger. Das ist Ihr Programm. Herr Lenders, vor diesem Hintergrund bin ich auf den ersten Zwischenbericht Ihres Sonderbeauftragten gespannt, den dieser Ende 2013 vorlegen soll. Aber dann ist die Wahl ja längst gelaufen. Also: viel heiße Luft, und

ganz nebenbei wird ein Versorgungsposten für einen FDPPolitiker geschaffen. Das ist Ihr Anteil an dem Wohnungsprogramm.

(Beifall bei der LINKEN)

Grundsätzlich stehen wir der Bestellung eines Beauftragten der Landesregierung als Ansprechpartner für alle am sozialen Wohnungsbau Beteiligten durchaus positiv gegenüber. Dieser Ansprechpartner sollte jedoch wirklich als neutrale und unabhängige Instanz zwischen den Beteiligten vermitteln können. Ob dies bei Dr. Hirschler – bei aller vorhandenen Sachkompetenz – jedoch der Fall ist, darf mit Recht bezweifelt werden.

Obwohl Sie also bereits fünf Monate, nachdem wir über Ihr völlig unzureichendes Wohnraumfördergesetz debattiert haben, mit Ihrem „Sonderprogramm“ Ihr Scheitern in der Wohnungspolitik selbst eingestehen, begehen Sie die gleichen Fehler wie damals. Ich sage Ihnen: Solange Sie vorrangig Gelder aus der Wohnungsbauförderung für den Erwerb von Wohneigentum zur Verfügung stellen, anstatt alle Bundes- und Landesmittel ausschließlich dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, so lange wird sich gar nichts ändern, denn die wirklich Betroffenen gehen weiterhin leer aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir LINKE sagen: Bei mehr als 40.000 fehlenden Sozialwohnungen in Hessen muss jeder verfügbare Euro für den sozialen Wohnungsbau und für die Schaffung von Studierendenwohnungen ausgegeben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, Sie hatten mehr als 14 Jahre Zeit, die Wohnungspolitik in Hessen auf die Reihe zu bringen. Stattdessen haben Sie mit Ihrer Politik dafür gesorgt, dass im Durchschnitt per saldo mehr als 4.500 Sozialwohnungen in Hessen pro Jahr aus der Sozialbindung herausfielen. Sie haben zugeschaut und nichts unternommen, weil es nicht Ihr Interesse war, weil es nicht um Ihre Klientel ging, weil es Ihnen nicht um die sozial Benachteiligten geht. Jetzt, fünf Monate vor der Landtagswahl, mit großen Worten aufgrund des wachsenden Problemdrucks ein zusammengeflicktes „Sonderprogramm“ auf den Weg zu bringen, das noch nicht einmal den Anspruch erhebt, den Abbautrend im sozialen Wohnungsbau zu stoppen – jedes Jahr fallen rund 4.500 Wohnungen aus der Sozialbindung –, ist Augenwischerei, die die Wählerinnen und Wähler mit Sicherheit durchschauen – und wir werden es ihnen auch sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich an der Stelle an die Adresse der SPD Folgendes sagen. Auch die Anträge der SPD und der eiligst nachgeschobener Antrag der GRÜNEN sind nicht ausreichend,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um die aufgrund der rot-grünen Regierungszeit von 1991 bis 1999 – ich weiß, das tut euch weh – mit zu verantwortende Misere auf dem sozialen Wohnungsmarkt in Hessen wieder in den Griff zu bekommen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Fuhrmann, hören Sie zu. Ich nenne Ihnen auch die Zahlen. – Natürlich können wir vielen der in Ihren Anträ

gen aufgeführten einzelnen Punkte zustimmen; das will ich an dieser Stelle auch sagen. Wenn man allerdings so tut, als habe Rot-Grün gar nichts mit der derzeitigen Lage auf dem Markt für Sozialwohnungen zu tun und als sei das nur die Aufgabe der CDU und der FDP gewesen, stellt man das völlig falsch dar.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme erneut auf unsere Kleine Anfrage zurück.

Gestatten Sie Zwischenfragen, Herr Kollege Schaus?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Gern, aber am Schluss der Rede!)

Sie sind gleich fertig.

(Heiterkeit)

Gut, dann eben nicht. – Ich komme erneut auf unsere Kleine Anfrage zurück, aus der hervorgeht, dass im Jahr 1991 – ich weiß, Sie wollen das nicht hören – der Bestand an Sozialwohnungen in Hessen noch bei 205.907 Wohneinheiten lag. Bis 1999, also in den Jahren der rot-grünen Landesregierungen, sank diese Zahl auf 177.545. Das entspricht einem jährlichen Rückgang von durchschnittlich 3.545 Sozialwohnungen.

Meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN, unter Ihrer Verantwortung war der Abbau von Sozialwohnungen also nur unwesentlich geringer als unter Schwarz-Gelb. Ich will Ihnen dennoch zugutehalten, dass Sie in den langen Oppositionsjahren dazugelernt haben und die Dinge nun endlich in einem anderen Licht sehen.

(Beifall bei der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Oh!)

Aber dass angesichts dieser – von mir genannten – Zahlen im SPD-Antrag behauptet wird, ein jährlicher Neubau von nur 1.000 Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau sei ausreichend, um die Preisentwicklung wirksam zu bekämpfen, ist nicht weniger dreist als das, was CDU und FDP als Antrag vorgelegt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege, jetzt ist Ihre Redezeit zu Ende.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Für uns ist und bleibt das Recht auf eine angemessene und bezahlbare Wohnung ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Als solcher muss er auch verstanden werden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Die Frage! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wer hat in Leipzig mit verkauft? Das wart ihr doch! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): So? – Weitere Zurufe)

Wir warten noch ein bisschen, bis hier Ruhe einkehrt. – Zu einer Kurzintervention – zwei Minuten – hat Kollege Siebel das Wort.

Herr Kollege Schaus, ich habe mich zu Wort gemeldet, nachdem Sie hier die linke Melodie gespielt hatten, die so geht: All das, was die Sozialdemokraten und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorschlagen, ist zu wenig. Deshalb muss mehr gemacht werden. – Aber richtig geärgert habe ich mich, als Sie über den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften fabuliert haben. Dabei haben Sie sowohl in Berlin als auch in Leipzig mit Ihren dortigen Fraktionen daran mitgewirkt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schaus, allein das Datum, zu dem das erfolgt ist, diskreditiert all das, was Sie vorher gesagt haben. Ich finde es hochinteressant, dass den Sozialdemokraten immer wieder vorgehalten wird, was in ihrer Regierungszeit, also vor 1999, passiert ist. Es mag sein, dass auch Sozialdemokraten im letzten Jahrtausend an der einen oder anderen Stelle Fehler gemacht haben. Aber, Herr Kollege Schaus, was den Wohnungsbau betrifft: Es waren die Sozialdemokraten, die 30.000 Wohnungen bauen ließen.

(Beifall bei der SPD)

Es war der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Lothar Klemm, der in der WIBank – sie hieß damals noch anders – den revolvierenden Fonds eingeführt hat. Wir haben die Grundlagen für den Sozialwohnungsbau in Hessen gelegt. Diese Grundlagen sind in den letzten 14 Jahren zerlegt worden.

(Beifall bei der SPD)

Hören Sie also mit der Nummer „immer mehr“ auf. Das Thema ist ein bisschen komplizierter, als Sie es hier dargestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Herr Kollege Schaus die Gelegenheit zur Erwiderung. Sie haben zwei Minuten Redezeit.

Meine Damen und Herren, Sie haben Leipzig und Berlin angeführt. Ich kann Ihnen nur sagen: Das hat zu heftigen Diskussionen und zur Spaltung einer Fraktion geführt. Da wir, die hessische LINKE, diese Position nie vertreten haben und auch nie vertreten werden, können Sie uns diese Schelle nicht umhängen. Das muss ich ganz klar zurückweisen.

(Beifall bei der LINKEN)