Protokoll der Sitzung vom 21.05.2013

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Der Minister hat sehr deutlich darauf hingewiesen: „Keiner fällt durchs Netz“. Er hat auf die Familienhebammen hingewiesen. Er hat auf das hervorragende Modellprojekt und die großen Erfolge hingewiesen, die damit in Hessen erreicht worden sind. Natürlich dient dies ausdrücklich der Stabilisierung von Familien. Wir haben intensiv diskutiert, wie wir Unterstützung in Familien bringen können, ohne gleich eine Intervention übers Jugendamt zu machen. Wir haben gesagt, es ist eine hervorragende Idee, über den medizinischen Weg hineinzukommen, Familien zu unterstützen, positiv zu begleiten, eben nicht zu intervenieren, sondern zu beraten und zu helfen. Es ist ganz wichtig, diesen Ansatz zu verfolgen. Das hat der Minister beschrieben und ausdrücklich auf die Erfolge dieser Politik hingewiesen. Das halte ich für gut und richtig. Da sollten wir auf jeden Fall weitermachen. Die andere Debatte sollten wir nicht in diesem Zusammenhang führen, die sollten wir in einem anderen Zusammenhang führen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn man sich damit auseinandersetzt, was für Familien wichtig ist, sollte man nicht einfach glauben, man könne

sich an einen Tisch setzen, eine Blaupause zeichnen und dann sagen: Jetzt lege ich los mit Politik.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Blaupause zeichnen?)

Es ist ganz wichtig, in Kommunikation mit den Betroffenen die vorhandene Infrastruktur Zug um Zug aufzubauen, Erfahrungen zu sammeln und aufgrund dieser Erfahrungen die Infrastruktur, die entsteht, gezielt zu unterstützen. Das passiert gerade in dem Netzwerk Wiedereinstieg. Das ist ein ganz positives Beispiel. Das greift zwar noch nicht hessenweit flächendeckend, aber es ist ein wichtiger Nukleus, der viele verschiedene Player zusammenfasst, um am der Stelle zielgenaue Angebote zu fördern und das wichtige Thema Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf zu stärken. Auch da kann ich sagen, das ist eine hervorragende Initiative in Hessen, die muss weiterbetrieben und weiterentwickelt werden. Ich finde es hervorragend, dass es solche Initiativen gibt, und zwar nicht als Blaupause aus Wiesbaden, sondern in Kommunikation mit den Handelnden vor Ort entwickelt und maßgeschneidert für den Wiedereinstieg in den Beruf zur Verfügung gestellt. Das ist die richtige Politik und der richtige Ansatz.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Jetzt könnte ich noch etwas zur Opposition sagen, aber ich möchte mich daran gar nicht so sehr abarbeiten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Über was haben Sie denn bis jetzt gesprochen? – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Ich möchte nicht den Fehler machen wie Herr Merz. Ich habe sehr deutlich gesagt, wie wir die Familie sehen, wo wir sie unterstützen, und ich habe deutlich die Unterschiede zwischen Ihnen und uns herausgearbeitet. Das Motto für uns Liberale ist, dass wir die Freiheit für die Familien stärken wollen. Ich halte nichts davon, Familien mit Abgaben und Steuern immer stärker zu belasten, ihre finanziellen Spielräume einzuengen. Die Regierungspolitik in Berlin, Familien mit Kindern am Anfang der Legislaturperiode um über 4 Milliarden € zu entlasten, das ist die richtige Politik, statt Familien immer weiter zu belasten, immer stärker in Familien hineinzuregieren und ihnen das Leben schwer zu machen, indem man ihnen das Geld nimmt, das sie brauchen, um ihre Ideen und ihre Entwicklung umzusetzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Da machen wir ein klares Kontrastangebot. Da machen wir deutlich, dass wir Familien mehr Freiheit geben wollen: Freiheit in der persönlichen Gestaltung, Freiheit im Einsatz ihrer finanziellen Ressourcen und auch Freiheit, wo und wie sie ihre Kinder beschulen lassen oder in die Betreuung geben wollen. Unser Ziel ist es immer, die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Das zeigt das Kinderförderungsgesetz, das die Förderung eindeutig am Kind orientiert. Das ist moderne Politik. Das zeigt die Qualifizierte Schulvorbereitung, wo wir Chancengerechtigkeit schaffen und Kindern frühzeitig Möglichkeiten geben, sich zu entwickeln, wo wir Defizite auffangen können, aber keinen rein defizitorientierten Ansatz fahren, sondern alle Kinder fördern wollen, dass sie bessere Chancen in ihrer Schullaufbahn und damit auch in ihrer beruflichen Karriere haben.

Wir wollen zielgerichtete Angebote und keine Gemeinschaftsschule, keinen Gemeinschaftskindergarten, keine Gemeinschaftsfamilie. Unser Ziel ist Freiheit für die Familie, Freiheit der Entscheidung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Keine Gemeinschaftsfamilie, sondern Singlefamilie, oder was?)

Dieses Ziel verfolgen wir mit unserer Politik, und das kann man gut nachvollziehen in den politischen Vorschlägen, die wir gemacht haben. Von daher bin ich sehr zufrieden mit der Regierungserklärung des Ministers und mit der Politik in Hessen. Da kann man nur sagen, wir sind auf einem guten Weg, und den werden wir weiter so gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Rock, vielen Dank. – Nein, Herr Bocklet, das war zu früh gestartet.

Es liegt eine Wortmeldung von Herrn Merz zu einer Kurzintervention vor. Herr Merz, Sie haben zwei Minuten Gelegenheit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, obwohl der Kollege Rock gefühlte 75 % seiner Rede auf mich verwendet hat

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch toll!)

ich weiß nicht, ob ich stolz darauf sein soll –, obwohl es sehr viel Anlass gegeben hätte, das zu tun. Aber zwei Dinge lasse ich ihm nicht unwidersprochen, weil sie ehrenrührig sind.

(René Rock (FDP): Das war keine Absicht!)

Es sind zwei Dinge, die ich als ehrenrührig empfinde. Das erste war: Sie haben mir böswillig unterstellt – ich kann es nur so wahrnehmen –, ich hätte in meiner Rede die aus verheiratetem Vater und Mutter und zwei Kindern bestehende Familie hier in irgendeiner Weise diskreditiert. Ich will jetzt nicht betonen, dass ich in genau so einer Familie lebe, und zwar sehr bewusst in dieser Situation lebe, und schon deswegen weit davon entfernt bin, das zu diskreditieren. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie gemerkt, dass die Aussage, in der diese Passage vorkam, darum ging: Das Familienbild des Minister ist auf diesen Familientypus fixiert, und alle anderen lassen Sie, auch wenn Sie sie immer mal wieder mit erwähnen, theoretisch und praktisch außer Betracht.

Das war der Kern meiner Aussage. Den können Sie jetzt auf der Sachebene widerlegen. Aber ich lasse Ihnen nicht unkommentiert durchgehen, dass Sie mir etwas in den Mund legen, was als Diskreditierung eines bestimmten Familientyps empfunden wird.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt und noch viel wichtiger: Der Minister hat am Anfang seiner Rede so getan, als sei es völlig abwegig, dass wir in unserem Antrag den Punkt sexuellen Missbrauch erwähnen. Er hat davon gesprochen. Wir haben diesen Punkt sehr bewusst aufgenommen, weil wir glauben, dass es zur Alltagsrealität in Familien gehört,

Herr Merz, Sie müssen zum Schluss kommen.

dass dort auch Gewalt und sexueller Missbrauch stattfinden. Wir haben hier in einer denkwürdigen Debatte sehr häufig darüber gesprochen, dass die Mehrzahl der gegen Kinder gerichteten Gewalt- und Missbrauchsdelikte in Familien und im familiären Umfeld vorkommt. Damit ist nicht gesagt, kann nicht gesagt werden und ist auch nicht von mir gesagt worden, dass solche Delikte sozusagen in allen Familien vorkämen. Sie können auch nicht ernsthaft glauben, dass ich hier so etwas sagen würde.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Merz. – Herr Rock, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Merz, ich muss Ihnen ganz klar sagen: Meine Erinnerung an Ihren Ausspruch, was die Familie betrifft, ist eine andere. Ich glaube schon, dass Sie – ich kann es nur in meinen Worten sagen – es als ein überkommendes Familienbild bezeichnet haben. Das ist meine Erinnerung, wir können es gerne nachlesen. Wenn Sie das an dieser Stelle relativieren, ist das doch schön für Sie, die Gelegenheit genutzt zu haben. Ich kann nur sagen, was ich hier gehört habe; das können wir gern einmal nachlesen.

Ich kann Ihnen ganz klar sagen – und es hat wohl jeder hier im Raum gehört –, dass ich gesagt habe, dass ich Ihnen nicht unterstelle, dass Sie es so sehen würden. Ich habe lediglich gesagt, dass es so, wie Sie es hier formuliert haben, aus meiner Sicht nicht klug war.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Das werden wir uns auch einmal durchlesen, dann können wir beide uns gern darüber austauschen. Ich habe eindeutig ein Stück weit eine andere Erinnerung an die Worte, das ist ja oftmals so in der Debatte. Wir lesen es einfach einmal nach, dann können wir uns gern darüber auseinandersetzen; denn wir haben ja kein negatives Verhältnis, Herr Merz. Wir können das ganz normal miteinander besprechen.

Ich habe Sie an dieser Stelle auch nicht angegriffen, sondern klar gesagt, dass ich weiß, wie Sie es gemeint haben. Alle, die es hören wollten, haben das gehört, und alle, die es nicht gehört haben, können es nachlesen. Ich verstehe daher Ihre Aufregung nicht. Ich glaube, Sie sollten besser darüber nachdenken, wie genau Sie hier formulieren. Wir lesen es nach und besprechen es dann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Rock. – Als Nächster spricht Herr Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Minister Grüttner sprach folgenden Satz:

Daher brauchen wir eine … Familienpolitik, die den heutigen Lebensbedingungen … Rechnung trägt und den Familienalltag erleichtert.

Das ist in der Tat eine wichtige Forderung. Die Frage lautet nur: Wer regiert hier eigentlich seit fünf Jahren, und warum tun Sie es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU)

Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, wenn man sich überlegt, dass am Donnerstag ein Gesetz über einen Schwerpunkt der Familienpolitik, nämlich die Kinderbetreuung, verabschiedet werden soll, bei dem über 130.000 Eltern massiv dagegen protestiert haben, dass Qualitätsverschlechterungen in Aussicht gestellt werden. Dass dieses KiföG am Donnerstag verabschiedet werden soll und diese Landesregierung in einer Art Verlust der Wahrnehmung von Realitäten auch noch die Frechheit besitzt, hier eine Regierungserklärung zur Familienpolitik abzugeben – dazu kann ich nur sagen: Wer es so macht wie Sie, der nimmt nicht wahr, was die wirklichen Probleme der Familien im Lande Hessen sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir finden, dass nach fünf Jahren alle Wählerinnen und Wähler im Lande Hessen das Recht haben, zu erfahren, was eigentlich aus den Versprechen geworden ist, Familienland Nummer eins zu werden. Die Bilanz dieser familienpolitischen Maßnahmen ist schnell gezogen. Nahezu alles, was Sie in die Hand genommen haben, lässt sich unter folgendem Dreiklang summieren: Entweder kam es zu spät, entweder war es zu wenig, oder es war zu schlecht. Das ist das Fazit von 15 Jahren CDU-Familienpolitik. Wenn wir ehrlich wären, gäbe es noch einen Zusatz nach dem Motto: Erst wollten wir nicht, dann konnten wir nicht. – Das ist das Fazit der hessischen Familienpolitik von CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wenn man nach den Ursachen fragt, warum dies eigentlich so ist und vieles notorisch unterfinanziert bleibt und warum bei vielen notorisch die Handlungskompetenz fehlt, so ist das schnell erklärt. Es ist doch nur wenige Jahre her, dass Sie von der CDU die Ehe als einzig Heil bringende Familienform deklariert haben, dass sich Mütter der Diskussion aussetzen mussten, Rabenmütter zu sein, wenn sie arbeiten gingen, dass Alleinerziehende abwertend als unvollständige Familien bezeichnet wurden oder etwa dass Ganztagsschulen als Vorstufe zum Sozialismus galten. – Das ist der Grund und der rote Faden, der sich bis heute durchzieht und immer wieder zutage tritt, wenn man sich Ihre familienpolitische Motivationen ansieht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch schlimmer, aber leider hochaktuell sind doch die Debatten um das Familienbild, die sich immer wieder wie ein roter Faden auch in die heutige Zeit ziehen. Die CDU hat

noch immer nicht ihren Frieden damit gemacht, wenn Kinder in liebevollen Beziehungen zweier Männer oder zweier Frauen aufwachsen, wie man an der Debatte um steuerliche Gleichstellung erkennen kann. Ich kann nur sagen, sehr verehrte Damen und Herren von der CDU: Eine CDU, die bis heute nicht begriffen hat, dass es endlich an der Zeit für die absolute Gleichstellung homosexueller Paare mit allen Familienformen ist, hat nicht begriffen, wem die Stunde schlägt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)