Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Dogma, dass die Kosten der Bankenrettung durch Lohn-, Rentenund Ausgabenkürzungen zu bezahlen sind, hat die offiziellen Arbeitslosenzahlen im überwiegenden Teil der Eurozone auf Rekordniveau steigen lassen. Die offizielle Jugendarbeitslosigkeit von knapp 60 % wird trotz Auswanderung zu sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen in Spanien führen.
Drei Jahre nach Beginn der sogenannten Griechenlandrettung ist fast jeder dritte Grieche arbeitslos, etwa zwei von drei Jugendlichen haben keine Arbeit und damit keine Perspektive. Es müsste in ganz Europa wieder mehr in soziale Dienstleistungen und ökologischen Umbau investiert werden, was durch höhere Steuern und Abgaben für Millionäre problemlos finanzierbar wäre. Doch leider geht es der Troika aus Internationalem Währungsfonds, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank sowie der ganz breiten Mehrheitspolitik hier im Land eben nicht um die Rettung der Bevölkerung, sondern um die Rettung großer Banken und Vermögensbesitzer.
Vor solchen Bankenrettungspaketen haben wir schon immer gewarnt. Wir werden sie auch weiterhin konsequent ablehnen.
In Deutschland und in Europa unterstützen die Regierungen die maroden Banken mit Milliarden, ohne sie unter öffentliche Kontrolle zu bringen. CDU, FDP, SPD und GRÜNE haben für die Bankenrettung und die Schuldenbremse des Fiskalpakts gestimmt. Dieses Spardiktat in den öffentlichen Haushalten führt zu Sozialabbau, Stellenabbau und Privatisierung. Es zeigt seine katastrophalen Auswirkungen in Griechenland, Spanien, Portugal und anderswo. In Europa sind so viele Jugendliche und Arbeitnehmer arbeitslos wie noch nie. Die Armut wächst. Die Bevölkerung soll für die Krise zahlen, die die Banken verursacht haben.
Auch in Deutschland fehlt es vielerorts an Geld für notwendige Investitionen in Bildung und Soziales. Die Zahl der Kitaplätze ist weiter viel zu gering. Schulen sind marode. Schulgebäude sind marode. In der Alten- und Krankenpflege herrscht ein desaströser Spardruck. Öffentliche Einrichtungen wie Theater und Schwimmbäder werden geschlossen. Meine Damen und Herren, dass sich dagegen in ganz Europa und auch in Hessen Protest und Widerstand regt, ist wohl selbstverständlich.
Ein Akteur, verantwortlich für diese Politik, ist in Hessen, in Frankfurt am Main, ansässig. Deswegen: Seien Sie nicht nur zu Gast bei Empfängen der Europäischen Zentralbank, sondern heißen Sie auch die willkommen, die gegen die Troikapolitik der Europäischen Zentralbank demonstrieren.
Falls Sie nachher wieder über Gewalt reden wollen, dann reden Sie doch bitte über die Gewalt von Nahrungsmittelspekulation, reden Sie darüber, dass Kranke keine Medikamente mehr bekommen, dass Krankenhäuser geschlossen werden und keine Kranken mehr aufnehmen wollen. Reden Sie über die Gewalt einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 %.
(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wo soll das sein? – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Bangladesch!)
Das sind alles Beispiele aus Griechenland, Spanien und Portugal. Aber ich denke, es gehört sich, auch in diesem Hause nicht nur über die Landes-, sondern auch über die Bundesgrenzen hinwegzuschauen und die Folgen der Mehrheitspolitik in diesem Land anzuprangern.
Wenn Sie in der Mehrheit schon nicht nächste Woche mit mir demonstrieren wollen, dann heißen Sie aber auf jeden Fall die Demonstrierenden willkommen. Sie nehmen ein unveräußerliches Grundrecht auf friedliche Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wahr. – Ich bedanke mich.
Hochverehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vom 30. Mai bis zum 1. Juni stehen in Frankfurt wieder Blockupy-Aktionstage bevor. Dass der politische Protest auf die Straße gebracht wird, ist in Ordnung. In der Tat heißen wir friedliche Demonstranten auch in Frankfurt durchaus willkommen, keine Frage.
Achten Sie auf meine Wortwahl: Denn die Versammlungsfreiheit sieht das vor. Das ist ein bedeutendes Grundrecht. Das ist unantastbar, keine Frage. Dabei darf es auch keine Rolle spielen, ob man das politische Anliegen derer teilt, die Art. 8 unserer Verfassung für ihre Demonstration in Anspruch nehmen. Wer dieses Recht in Anspruch nimmt, muss sich aber auch an die Vorgaben halten. Diese lauten, dass man sich „friedlich und ohne Waffen“ versammelt. So heißt es in Art. 8 Grundgesetz.
Daran haben sich manche Teilnehmer der letzten Blockupy-Aktionstage in Frankfurt im Mai 2012 gerade nicht gehalten.
Vor einem Jahr demonstrierten 20.000 Menschen. Davon waren 1.000 gewaltbereite Demonstranten des sogenannten Schwarzen Blocks und 500 weitere ebenso gewaltbereite des linksautonomen Spektrums.
Ihren Absichten entsprechend kamen drei Viertel dieser Personen vermummt. Das war zwar vom Verwaltungsgericht verboten, aber daran pflegt man sich in diesen Kreisen nicht zu stören. Dieser Schwarze Block zündete nicht nur bengalische Feuer und Rauchbomben, er verschoss nicht nur Leuchtmunition, dieser Schwarze Block griff auch die eingesetzten Beamtinnen und Beamten mit Fußtritten und Steinwürfen an.
Meine Damen und Herren, das hat mit der Verklärung und Lobhudelei des Antrags nichts zu tun, den die GRÜNEN hier zu dieser Debatte eingebracht haben. 33 Polizeibeamte trugen damals Verletzungen davon.
Herr Kollege Bauer, einen Moment, da gibt es eine kleine Irritation. Sie haben gesagt: den Antrag, den die GRÜNEN eingebracht haben. – Ich nehme an, es waren die LINKEN gemeint. Also vertragt euch wieder. – Bitte, Herr Kollege Bauer.
Vielen Dank, dass Sie so aufmerksam zuhören. Es ist in der Tat ein Antrag der LINKEN. Wie konnte ich das verwechseln? Es tut mir leid.
Ich nehme jetzt an, dass Sie nicht mich gemeint haben – denn ich höre immer aufmerksam zu –, sondern das Plenum.
33 Polizeibeamte trugen Verletzungen davon. Es gab viele Farbschmierereien – Sie kennen das alle –, Beschädigungen an Gebäuden und an Einsatzmitteln sowie versuchte Brandstiftungen an Streifenwagen. Davon will ich gar nicht reden. Das war der Preis für die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit im Mai 2012. Das sind die gemachten Erfahrungen mit Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt. Nicht lange davor, am 31. März 2012, spielten sich bei der Antikapitalismusdemonstration, der M-31-Demo in Frankfurt, ähnliche Szenen ab.
In den kommenden Wochen drohen sich – das ist unsere Sorge – diese Ereignisse zu wiederholen. DIE LINKE freut sich darauf. Wir können diese Freude vor dem Hintergrund der gemachten Erfahrungen nicht teilen. Auch dieses Mal rechnen die Sicherheitsbehörden mit 2.000 gewaltbereiten
Die linksradikalen Aktivisten des kommunistischen „umsGanze“-Bündnis, die im März 2012 federführend dabei waren,
sind inzwischen zu Blockupy gestoßen. Das ist besorgniserregend. Man lässt uns nicht im Unklaren, was auch dieses Mal zu erwarten ist. Ich zitiere aus dem entsprechenden Aufruf:
[Wir wollen] Grenzen überschreiten, massenhaft ungehorsam sein, uns den Anordnungen der Polizei widersetzen, die Kampfzone von unserer Seite aus ausweiten.
… den üblichen Geschäftsablauf der EZB sowie anderer Akteure des Krisenregimes öffentlich sichtbar … stören.
Meine Damen und Herren, Sie verstehen vielleicht, dass wir gerade die Freude der LINKEN über die bevorstehenden Ereignisse nicht teilen können. Wir begrüßen die internationalen Blockupy-Proteste in Frankfurt daher auch nicht. Wir akzeptieren allerdings jede Form von friedlicher Demonstration. Auch für die bevorstehenden Aktionstage der Blockupy-Protestbewegung gilt: Die Demonstrationsfreiheit wird gewährleistet; die Sicherheit unserer Bürger, ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Eigentum werden ebenfalls gewährleistet werden. Wer im Schutz der Demonstrationsfreiheit schwere Gewalttaten gegen Menschen und Sachen, gegen Bürger und den Staat begeht, kann sich nicht auf Art. 8 des Grundgesetzes berufen. Das Gewaltmonopol des Staates steht nicht zur Disposition.
Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass einen nicht unbeträchtlichen Teil der Teilnehmer an den sogenannten Demonstrationen nicht die Sorge um das Finanzsystem oder die Sorge um eine gerechte Gesellschaft leitet. Das könnte für manche auch nur ein Vorwand sein, den Staat herauszufordern und an seinen Grundlagen zu rütteln.
Leider hat sich DIE LINKE während der Landtagsdebatte hierzu und im vergangenen Jahr nicht von dieser Gewalt distanziert, wie es sich eigentlich gehört. Sie haben dazu heute, selbst gewählt, erneut Gelegenheit. Nutzen Sie diese Chance, lassen Sie sie nicht erneut verstreichen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Ulrich Wil- ken (DIE LINKE): Haben Sie mir eigentlich zugehört?)