Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

Meine Damen und Herren, schon jetzt muss der Staat allein im Bereich des Einzelhandels – diese Zahl wurde heute Morgen schon genannt – 1,5 Milliarden € an Aufstockung zahlen, weil dort immer mehr Dumpinglöhne gezahlt werden. Wenn sich die Arbeitgeberseite in diesem Tarifstreit – was wir alle nicht hoffen – durchsetzen wird, wird diese Zahl explosionsartig nach oben gehen.

Diese Entwicklung, auch im Einzelhandel, muss endlich gestoppt werden. Deshalb brauchen wir schnellstens Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und eine Stärkung statt einer Schwächung der Tarifpartnerschaft. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Decker, vielen Dank. – Herr Lenders, Sie haben das Wort. Sie sprechen für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Decker, Sie haben hier eben den Angriff auf die Ladenöffnungszeiten zitiert. Lieber Kollege Wolfgang Decker, ich darf einmal daran erinnern, dass die gravierendste Änderung bei den Ladenöffnungszeiten die Veränderung am Samstag war, als wir die generelle Öffnungszeit bis 14 Uhr auf 20 Uhr und länger ausgeweitet haben. Lieber Kollege Decker, es war niemand anderes als Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Bundesregierung von Rot-Grün, die diese Öffnung erst möglich gemacht haben.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Dann hast du viele der neuen Tarifgruppen aufgezeigt, die aus Sicht der Arbeitgeber notwendig sind. Das ist eine Veränderung in der Einzelhandelsbranche, die vielen Mitarbeitern neue Perspektiven geboten hat.

(Widerspruch der Abg. Janine Wissler (DIE LIN- KE))

Hier wurde – auch von Frau Wissler – eben wieder ein Bild skizziert, nach dem Motto: Es werden nur die Arbeitsplätze wegrationalisiert

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das habe ich nicht gesagt!)

und dann in prekäre Arbeitsverhältnisse umgewandelt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es gibt mehr Arbeitsplätze, aber das sind Minijobs!)

Ja, Frau Wissler, aber Sie müssen doch sehen, dass das viele Menschen sind, die früher zu den 5 Millionen Arbeitslosen gehört haben. Ich bin aber immer noch der Meinung,

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig!)

dass es besser ist, auch für das Selbstbewusstsein, dass diese Menschen einen Arbeitsplatz haben und selbst ein Stück weit etwas dazuverdienen können, statt sie in der Arbeitslosigkeit zu lassen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist ein Prinzip, das Sie einfach nicht verstehen wollen.

Meine Damen und Herren, der Einzelhandel hat eine Umsatzrendite – – Sie haben eben die von Lidl genannt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das geht bis zum Sklavendasein!)

Herr van Ooyen, wissen Sie eigentlich, welche Umsatzrendite die Firma Aldi hat? Nein? Die liegt unter 1 %.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Diese Lebensmittelbranche oder den Einzelhandel hier als Kapitalisten zu beschimpfen, die nichts anderes tun, als ihre Mitarbeiter auszubeuten – genau dieses Bild haben Sie wieder gezeichnet –, ist unredlich. Das hat nichts mit der Realität zu tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Die haben ein Milliardenvermögen!)

Der Einzelhandel steht vor vielen Herausforderungen. Wir haben Veränderungen der Handelslandschaft.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ja, da spricht der zukünftige Wirtschaftsminister, nach dem Wunsch der GRÜNEN. Das ist klar. Herr Tarek AlWazir, ich weiß eigentlich gar nicht, woher Sie die Chuzpe nehmen, sich hier als Wirtschaftsminister in spe aufzuspielen. Mit Wirtschaftskompetenz haben Sie hier, an dieser Stelle, noch nie geglänzt. Sagen Sie doch einmal etwas dazu, wie die Entwicklung im Einzelhandel ist. Sagen Sie doch einmal etwas dazu.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Aldi-Brüder sind die reichsten Menschen in Deutschland!)

Der Einzelhandel steht vor vielen Herausforderungen. Ohne Zweifel gehören die Ladenöffnungszeiten dazu.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Aber es war doch diese Landesregierung, die es verhindert hat, dass es eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten am Sonntag gibt. Es bleibt bei vieren. Das ist so. Das will auch die FDP nicht ausweiten, und das ist auch gut so.

(Beifall des Abg. Alexander Noll (FDP))

Meine Damen und Herren, die Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags besteht seit 1997 nicht mehr. Es sind doch die Tarifpartner, die das beantragen müssten.

Gehen wir jetzt einfach einmal vom Üblichen ab. Vor allem GRÜNE und LINKE, zum Teil aber auch die SPD, wollen das, sie wollen sich immer gerne einmal in Unternehmensentscheidungen einmischen. Aber von der Tarifautonomie sollten wir nun wirklich die Finger lassen. Seit 1997 gibt es die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht mehr und seit 1998 auch nicht mehr für die Entgelttarifverträge. Meine Damen und Herren, Sie müssen doch einmal darüber nachdenken, woher das kommt. Wahrscheinlich doch daher, dass die Tarifpartner so vernünftig agieren,

dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht mehr notwendig ist.

Wenn sie notwendig wäre, dann könnte man damit auch Ihre Lohnuntergrenze regeln. Aber, Frau Wissler, ganz offensichtlich ist diese Notwendigkeit nicht vorhanden. Vielleicht beschäftigen Sie sich einfach einmal mit diesen Tatsachen, anstatt hier rumzumeckern.

Ich muss schon sagen, wenn der Kollege Decker – obwohl Sie das in Ihrer Aktuellen Stunde gar nicht zum Thema gemacht haben – auf einmal wieder die Firma Amazon vor dieses Pult zieht und wieder zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen macht: Lieber Wolfgang Decker, wann hört ihr eigentlich auf, Unternehmen zu diskreditieren, in Misskredit zu bringen,

(Widerspruch der Abg. Wolfgang Decker (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

sich anschließend zu wundern, dass Verbraucher reagieren und wegbleiben, und dann wieder nach Staatshilfe zu rufen, um diesen Unternehmen, die in Schwierigkeiten gekommen sind, aus der Patsche zu helfen? Das ist das gleiche Prinzip wie bei Schlecker. Lasst das sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Lasst die Unternehmen ihre Arbeit tun. Lasst die Tarifpartner ihre Arbeit tun. Die wissen besser, wie es geht, als die linke Seite dieses Hauses. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Lenders. – Als Nächster spricht Herr Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Fraktion DIE LINKE mit Anträgen und Debattenbeiträgen in Verhandlungen der Tarifpartner einmischen will, Tarifabschlüsse hier politisch bestimmen will.

(Zurufe von der LINKEN)

Sie legen die Axt an die Tarifautonomie, eine der Grundlagen der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der LINKEN)

Frau Wissler, Sie haben in bemerkenswerter Offenheit und Ehrlichkeit

(Janine Wissler (DIE LINKE): So, wie ich immer bin!)

gesagt: „Tarifautonomie sehe ich etwas anders, die Politik muss sich hier einmischen.“ – Es hat den Redner der Sozialdemokraten natürlich ein bisschen in Schwierigkeiten gebracht, dass Sie gesagt haben, an sich sollte man sich nicht einmischen, in dem Fall aber vielleicht doch. Ich bin gespannt – hoffentlich bleibt es eine Fiktion –, wie Sie diesen Widerspruch in Ihren rot-rot-grünen Anstrengungen zur Bildung einer Regierung lösen wollen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Bei Ihnen scheint das Thema kein großes Interesse zu finden! Man muss nur einmal in Ihre Reihen schauen!)

Es ist von größerer Bedeutung, Ihnen dieses Konfliktpotenzial nahezubringen.