Protokoll der Sitzung vom 03.09.2013

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sitzen bleiben wollen wir auch nicht! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Oberlehrer!)

Herr Dr. Wagner bleibt nicht sitzen, zumindest nicht in diesem Landtag; das wissen wir. Das ist schon geklärt.

Eine neue Regierung würde sich tatsächlich um den inklusiven Unterricht kümmern.

(Wolfgang Greilich (FDP): Wie schön, dass Sie im Konjunktiv reden!)

Herr Greilich – jetzt hätte ich Sie fast mit „Dr. Greilich“ angeredet; das ist wirklich zu viel der Ehre für Sie –, das unterscheidet uns: Wir haben – –

(Zurufe von der CDU)

Hat er jetzt einen Doktortitel, oder hat er keinen? Er hat keinen.

(Alexander Bauer (CDU): Sie haben aber keine Ahnung!)

Herr Greilich, wir haben Respekt vor der Entscheidung, die die Bürgerinnen und Bürger am 22. September treffen.

(Peter Beuth (CDU): Sie haben Respekt? Null Respekt haben Sie, vor nichts! Eine Respektlosigkeit ist das hier!)

Aber wir stellen auch dar, was die Bürgerinnen und Bürger bekämen, wenn sie sich am 22. September für eine neue Landesregierung entscheiden würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden den inklusiven Unterricht von Kindern mit Behinderungen und Kindern ohne Behinderungen von der Ausnahme zur Regel machen. Wir würden das mit einem konkreten Zeitplan versehen, und wir würden sagen, dass das in jedem Schulträgerbezirk jedes Jahr besser werden muss. Wir glauben, dass man ein solches inklusives Schulsystem in sieben oder acht Jahren verwirklichen kann. Aber, Frau Ministerin, man braucht ein Ziel und einen Plan. Ansonsten bleibt man die Antworten einmal mehr schuldig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landesregierung würde sich das große Ziel setzen, jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ja, Herr Kollege Bellino, da haben wir etwas zu tun. Das ist richtig.

(Holger Bellino (CDU): Sie müssen schon richtig zitieren: „Wie bei uns“!)

Wie bei Ihnen. – Sie sagen jetzt wirklich, in Hessen bekomme jeder junge Mensch eine Berufsausbildung.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Jawohl!)

Sie sagen, es gebe in Hessen keine jungen Menschen ohne Berufsausbildung? Herr Bellino, Sie haben überhaupt keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land, die eben nicht auf der Sonnenseite stehen. Sie haben keine Ahnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Aber Sie wissen alles! Der allwissende Wagner!)

Wir wollen das klare Primat der dualen Ausbildung. Es ist sehr gut, wenn jeder junge Mensch, der es will, einen Ausbildungsvertrag im dualen System abschließen kann. Das wollen wir weiter fördern. Aber wir müssen auch etwas für die jungen Menschen tun, die keinen Ausbildungsvertrag im dualen System bekommen. Für die müssen wir ebenfalls eine Ausbildung organisieren: möglichst berufsnah, möglichst betriebsnah und immer in einem anerkannten Ausbildungsberuf.

(Holger Bellino (CDU): Wie bei uns!)

Das Übergangssystem, das Sie zu verantworten haben, brauchen wir aber nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Eine neue Landesregierung würde die an der Bildung Beteiligten zu einem Dialog über die Lehrerausbildung und über die inhaltlichen Veränderungen einladen, die wir gerade in der ersten Phase der Lehrerausbildung brauchen.

Unsere Schulen haben sich in den vergangenen Jahren verändert, und sie werden sich weiter ändern. Wir sind auf dem Weg zur Ganztagsschule, wir sind auf dem Weg zur inklusiven Schule, und Lehrerinnen und Lehrer arbeiten Gott sei Dank viel stärker im Team und viel weniger als Einzelkämpfer.

All das findet sich noch viel zu wenig in der Lehrerausbildung wieder. Deshalb müssen wir die Lehrerausbildung überarbeiten. Nur gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer werden nämlich gewährleisten, dass es gute Schulen gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landesregierung würde das Landesschulamt, die Monsterbehörde von Herrn Greilich, abwickeln. Meine Damen und Herren, es würde keinem auffallen, wenn das ginge und die erste Amtshandlung der neuen Landesregierung darin bestehen würde, dieses Amt abzuschaffen. Es würde niemandem auffallen, dass es nicht mehr existiert. Sie haben dieses Amt nur aus dem Grund geschaffen, weil Sie Pöstchen und Posten verteilen wollen. Sonst gibt es keinen Grund für die Existenz dieses Landesschulamts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landeregierung würde die Abschaffung des Kooperationsverbots nicht länger blockieren. Frau Bundeskanzlerin Merkel hat an diesem Wochenende eine Debatte angestoßen: Selbst sie könnte sich jetzt vorstellen, das Kooperationsverbot im Bildungsbereich zu lockern.

Was erklärt diese Landesregierung? Nein, sie macht es nicht. Das wäre ein klarer Unterschied: Eine neue Landesregierung würde sich nicht mehr dagegen wehren, dass der Bund dem Land hilft, wenn es um die Verbesserung unserer Schulen geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir würden uns auch für eine stärkere inhaltliche Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern einsetzen. Wir können es doch niemandem in unserem Land erklären, warum man sich in 16 Bundesländern die Unterrichtsinhalte 16-mal komplett neu ausdenkt. Wir können es niemandem erklären, warum in 16 Bundesländern die Lehrerausbildung 16-mal anders organisiert wird, und wir können den Eltern nicht erklären, warum man sich in 16 Bundesländern die Schulstruktur 16-mal neu ausdenkt, sodass man bei einem Umzug von einem Bundesland in ein anderes überhaupt nicht mehr weiß, in welcher Welt man sich bewegt. Auch das würden wir angehen. Hier brauchen wir mehr Zusammenarbeit und nicht weniger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LIN- KE))

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen in einigen Bereichen beschrieben, wie der Unterschied wäre. Ich glaube, es kann jeder vergleichen zwischen dem, was diese Landesregierung über die Zukunft unserer Schulen gesagt hat – nämlich nichts –, und dem, was die Alternative dazu ist. Die Alternative zu dem „Weiter so“ mit den gescheiterten Ansätzen der Vergangenheit ist ein Schulfrieden, ist Verlässlichkeit und Perspektive für unsere Schulen, so, wie ich es beschrieben habe.

Jeder kann entscheiden. Jeder kann sich einen Überblick verschaffen, wer für unsere Schulen noch etwas vorhat und wer erschöpft und verbraucht ist. In diesem Sinne bin ich

sehr gespannt, wie die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger ausfallen wird. Ich glaube, sie wird eindeutig ausfallen.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kultusministerin, Sie haben sich in den letzten Wochen wirklich Mühe gegeben, Ihre vermurkste Bildungspolitik an die Öffentlichkeit zu bringen. Da waren die Pressekonferenzen, die Berichte im Ausschuss, Pressemitteilungen und nicht zuletzt die Wahlplakate, auf denen zu lesen ist: „Chancen. Bildung. Beer.“ Wirklich viel Mühe – aber all diese Bemühungen werden trotzdem nicht erreichen, dass unsere hessischen Bürgerinnen und Bürger Ihnen glauben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur weil man es tausendfach wiederholt, werden Sachverhalte nicht wahr. Das wissen inzwischen die Bürgerinnen und Bürger auch.

Nun durften wir einer Regierungserklärung mit dem schönen Titel „Für die Zukunft unserer Kinder – Qualität und Kontinuität statt ideologischer Experimente“ lauschen, einer Regierungserklärung, Frau Ministerin, die an der Realität, wie wir sie an den Schulen vorfinden, ganz klar vorbeigeht.

Doch bevor ich inhaltlich darauf eingehe, möchte ich kurz etwas zu dem Titel sagen. Ideologie hat nach Wikipedia acht Bedeutungen: weltanschauliche Konzeption, politische Theorie, Weltanschauung, Meinung, Gesinnung, Überzeugung, Denkweise und Weltbild. Diese sind – ich denke, darin dürfte Einigkeit bestehen – doch oftmals der Grundstein zu grundlegenden, auch gesellschaftlichen Veränderungen, die, nebenbei gesagt, das hessische Bildungssystem dringend nötig hat.

Ihre Abwertung von Ideologie hilft hier nicht weiter; das Suggerieren, dass nur Sie völlig unideologisch und auf dem Boden der Tatsachen Ihre Arbeit machen, ebenso wenig. Frau Ministerin, Ihre Ideologie ist der Neoliberalismus, die Überzeugung, dass das freie Spiel der Kräfte, der Markt, die Nachfrage, der alleinige Regulator sein darf. Damit begründen Sie Beliebigkeit, die Sie als Wahlfreiheit deklarieren, und liefern Eltern, Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerinnen und Lehrer den jeweiligen Bedingungen aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, gute Bildung braucht etwas anderes. Sie braucht gut ausgestattete Schulen, sie braucht Werte, sie braucht Verlässlichkeit und Vertrauen. Das Vertrauen haben Sie bei vielen Eltern inzwischen verspielt. Frau Ministerin, Experimente hat diese schwarz-gelbe Landesregierung in den letzten Jahren wohl zur Genüge durchgeführt, und zwar mit vernichtenden Ergebnissen.

Als neuestes Beispiel ist da dieses unsinnige Landesschulamt zu nennen, von dem Sie uns immer noch nicht erklären