Herr Ministerpräsident, ich finde das falsch. Wir werden im nächsten Jahr aufgrund dieses Gesetzes im Landeshaushalt 230 Millionen c weniger zur Verfügung haben. Gleichzeitig kriegen Sie es nicht hin, 1 Million c für ein Schulobstprogramm zu bewilligen. Das ist es, worüber wir hier reden. Daher lautet die spannende Frage: Welchen Staat wollen Sie? – Darüber werden wir uns in den nächsten Jahren auseinandersetzen.Ich sage Ihnen:Diese Umverteilungspolitik ist falsch. Sie ist gesellschaftspolitisch falsch, und ich glaube, dass sie auch die Mehrheit der Bevölkerung für falsch hält. Das wird sich in den nächsten Jahren sehr deutlich zeigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und der FDP.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen sehr deutlich: Wenn wir nicht wollen, dass die öffentlichen Leistungen drastisch zusammengestrichen werden, dann brauchen wir nicht weniger Einnahmen, sondern mehr. Diese Wahrheit muss man dann auch aussprechen.
Wenn Sie sich einmal ganz allein im stillen Kämmerlein Ihren Haushalt anschauen – nicht Sie, Herr Greilich, aber Herr Koch, denn eigentlich weiß er, wie Haushaltslagen sind –,
wären Sie froh, wenn Sie die alte Grundwasserabgabe noch hätten.Deswegen sollte man Vorschläge im Hinblick auf Abgaben, die Lenkungswirkungen entfalten und wieder zusätzliche Einnahmen für den Landeshaushalt bedeuten könnten, nicht diffamieren, sondern man sollte sich überlegen, welche Aufgaben wir in den nächsten Jahren zu erledigen haben, um dann zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme zu kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ganze wird noch viel doller. Wir haben ab dem Jahr 2020 die Schuldenbremse. Die kann man gut oder schlecht finden, sie ist aber da. Das bedeutet, dass wir in wirtschaftlichen Normalzeiten ab dem Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Wenn Sie sich einmal den Schuldenpfad anschauen, den wir im Moment da drauflegen, frage ich mich, wie wir das eigentlich erfüllen sollen.Wie sollen wir es im Jahr 2020 schaffen, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen, wenn wir allein von den Zins- und Tilgungslasten der Jahre, die wir jetzt draufgepackt haben, geradezu erdrückt werden? Diese Frage stelle ich an das gesamte Haus. Auf die Antwort bin ich sehr gespannt. Wir werden uns als Opposition, die sich auch Gedanken über die Zukunft macht, darum bemühen. Aber, Herr Ministerpräsident, mit Verlaub, die Regierung hat vielleicht auch noch einen gewissen Auftrag, nicht nur über die Opposition zu schimpfen, sondern selbst irgendetwas vorzulegen.
Es ist völlig klar: Die Schuldenbremse zu erfüllen, geht mit Steuersenkungen nicht. Da kann ich Ihnen nur sagen, da ist der Abakus, den Ihnen der Kollege Schäfer-Gümbel geschenkt hat, vielleicht ganz hilfreich, denn es betrifft einfach die Grundrechenarten. Sie können nicht Einnahmen reduzieren, gleichzeitig Bildungs- und Zukunftsinvestitionen finanzieren und keine Schulden mehr machen. Das funktioniert einfach nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zur Frage der Änderungen haben wir Ihnen als GRÜNE 100 – es ist Zufall, dass es exakt 100 geworden sind – Änderungsanträge auf den Tisch gelegt, die Ihnen deutlich sagen könnten, wo aus unserer Sicht eine andere Politik gemacht werden könnte, und die im Übrigen keine zusätzlichen Einnahmen auf Bundesebene einrechnen. Ich gebe aber zu, dass wir auch nicht mit einrechnen, dass wir weniger Geld bekommen, weil wir die Steuersenkungen grundsätzlich für falsch halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das an bestimmten Punkten deutlich gemacht, indem wir uns einfach Leitfragen gestellt haben. Erste Frage: Wird Hessen seiner Verantwortung für nachfolgende Generationen,für die Umwelt und für die Begrenzung des Klimawandels gerecht? – Unsere Antwort ist: bisher leider nein.
Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen sehr deutlich: Das ist der Punkt, bei dem Sie wirklich einmal in den Koalitionsvertrag von CDU und FDP auf Bundesebene schauen sollten. Da steht der schöne Satz, dass sich die Bundesregierung dazu bekennt, „die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 %“ zu reduzieren.
Dann sage ich Ihnen aber: Wenn Sie gleichzeitig keine Antwort darauf geben, wie das geschehen soll, dann nützt dieser Satz überhaupt nichts. Das heißt, das sollte wirklich eine Verpflichtung für Sie sein.
Wir sind ausdrücklich einer Meinung mit Ihnen, dass die Nachhaltigkeitsstrategie gute Ergebnisse zeitigen kann. Sie müssen sich aber schon anheften lassen: Der Club of Rome war irgendwann Anfang der Siebzigerjahre. – Hessen hat seit dem Jahr 2008 auch eine Nachhaltigkeitskonferenz.
Herr Ministerpräsident,das fand ich in Ihrer Rede ein bisschen verräterisch: Als Sie gesagt haben: „Wir brauchen auch weiterhin die Industrie, damit wir uns die Nachhaltigkeit leisten können“, ist mir aufgefallen, dass Sie es leider immer noch nicht verstanden haben.
Herr Ministerpräsident,es geht nicht darum,irgendwo die Umwelt zu zerstören, damit Geld zu verdienen und mit dem verdienten Geld dann die Folgen der Umweltzerstörung zu beseitigen, sondern Nachhaltigkeit bedeutet z. B. auch, dass man sich überlegt, wie man durch Reduktion von Energieverbrauch Kosten gar nicht erst entstehen lassen kann, d. h. mit der Nachhaltigkeit an sich Geld verdienen kann.
Es verwundert logischerweise dann auch nicht,dass Ihnen – wenn man sich die reale Politik anschaut – außer Straßen und Flughäfen leider nichts einfällt. Deswegen sage ich es sehr deutlich:Wir müssen eine andere Umwelt- und Energiepolitik machen.
Das bringt mich zur zweiten Frage: Sind wir für eine zukunftsfähige und sichere Energieversorgung ohne Atomkraftwerke und ohne neue Kohlekraftwerke gerüstet? Ich sage Ihnen: Nein, Herr Ministerpräsident, sind wir nicht. Sie sind auch ausdrücklich dafür, dass die Schrottreaktoren in Biblis länger laufen und neue Kohlegroßkraftwerke gebaut werden.
Herr Beuth – ich habe ihn gerade da oben gesehen, vielleicht ist er wieder auf dem Weg nach unten, – liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das Wort „Monster“ irgendeinen Sinn hätte, dann müsste man sagen:Wir brauchen in Hessen keine neuen Kohlekraftwerksmonster.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Ich glaube auch da, dass es einfach hanebüchen ist, dass wir die Chancen, die in der Energiewende stecken, nicht nutzen. Wir nutzen sie nicht so, wie wir es könnten. Wir warten immer noch auf die neue Energiepolitik. Herr Ministerpräsident, wir warten darauf, seit Sie im April 2008 angekündigt haben,
Hessen solle zum Musterland werden.Wir warten darauf, seit im Februar angekündigt wurde, dass das neue Energiekonzept komme. Wir warten. Wir kommen uns schon vor wie Godot. Aber nein, wir warten immer noch. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Wir müssen dringend eine andere Energiepolitik machen, weil Ihre Politik am Ende weder eine zukunftsfähige noch eine sichere Energieversorgung hervorbringt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte gerne, dass wir mit einer anderen Umwelt- und Energiepolitik die 40.000 Arbeitsplätze in Hessen schaffen, die in dieser neuen Energie- und Umweltpolitik stecken, und dass wir gleichzeitig dafür sorgen, dass diese Energieversorgung nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch sicherer wird.
Ich will zum Stichwort Stromimporte – wir hören uns in den letzten Jahren einiges an – ausdrücklich eine aktuelle „dpa“-Meldung von gestern, 19:50 Uhr, vorlesen, die ich allen empfehle:
Frankreich geht der Saft aus: Stromimporte. Frankreich hat erstmals seit dem Winter 1982/83 im Oktober Strom importieren müssen. Die 58 Atomreaktoren hätten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum knapp 9 % weniger Strom produziert, …
Ich sage Ihnen sehr deutlich, Sie können an der Situation in Frankreich sehen: Die Franzosen sind jetzt froh, dass Rot-Grün in der Regierungszeit auf Bundesebene viele erneuerbare Energiequellen installiert hat, damit wir jetzt mit unseren erneuerbaren Energien die Franzosen vor dem Blackout bewahren können, weil die nämlich mit ihren Atomkraftwerken nicht mehr genug Strom produzieren können.
Das wird vielleicht der Punkt „sichere Energieerzeugung“ bei Ihnen. Ich warte immer noch auf das Umdenken.
Herr Koch, bisher war es immer so, dass die Franzosen im Sommer den deutschen Strom importiert haben, weil dann nämlich die Loire zu wenig Wasser geführt hat, um ihre Atomkraftwerke kühlen zu können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))
Dritte Leitfrage. Geht es in Hessen gerecht zu, und haben die Menschen die Chance auf Teilhabe? Ich sage Ihnen: Nein, sie haben sie nicht in ausreichendem Maße. Ich glaube inzwischen, dass es Herrn Banzer selbst leidtut, dass er sein Ministerium nicht mehr „Sozialministerium“ genannt hat. Er wird überall noch als Sozialminister begrüßt. Einmal ist es ihm sogar selbst passiert, dass er sich als Sozialminister bezeichnet hat. Ich glaube aber, dass es symptomatisch ist, dass wir das einzige Bundesland sind, in dem eine Regierung, eine Koalition der Auffassung war, dass das Wort „Soziales“ in keinem Ministeriumstitel mehr vorkommen muss.
Ich glaube, dass wir auch da über die Frage debattieren müssen, welchen Staat wir wollen. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass natürlich am Ende die Leute selbst lernen müssen, selbst ihren Platz in der Gesellschaft finden müssen, am Ende für sich selbst verantwortlich sind, aber dass es aus unserer Sicht der Hilfe für einen bestimmten Teil bedarf, um sie zu befähigen, die Teilhabe auch wirklich eigenverantwortlich wahrzunehmen.
Da reden wir über die Frage:Welchen Staat wollen wir? – Die Tatsache, dass wir – Sie waren alle angeblich in wichtiger Mission unterwegs bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene – im Jahre 2009 wieder in einem Koalitionsvertrag auf Bundesebene eine Formulierung haben, die sagt: „Die Kommunen und die Arbeitsagentur sollen die Aufgaben der Arbeitsvermittlung und der Arbeitsförderung getrennt wahrnehmen“, das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Da kann ich Ihnen nur sagen: Da kann Franz Josef Jung einmal zeigen, was er kann. Vielleicht überrascht er uns alle positiv. Da kann vielleicht die Hessische Landesregierung einmal zeigen, ob sie aus den Arbeitsmarktdebatten der letzten zehn Jahre irgendetwas gelernt hat. Aber es kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein, wenn wir in der Frage Arbeitsmarkt, Arbeitsförderung am Ende wieder zu der Situation kommen, dass wir die Arbeitsuchenden zu zwei verschiedenen Ämtern schicken, zu zwei verschiedenen Widerspruchsabteilungen, im Zweifel zu zwei